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Ferrari: Vettel überstimmt den Reifen-Strategen

Credit: Ferrari

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Sebastian Vettel kommt als bester Ferrari-Fahrer nur auf Rang sechs – von Mercedes überrundet. Wäre mehr drin gewesen?

Von Michael Zeitler und Bianca Garloff

Das ist Sebastian Vettel auch noch nicht passiert: Er wird für Rang sechs gelobt – von Ex-Weltmeister Nico Rosberg. „Sebastian ist ein gutes Rennen gefahren. Der Ferrari lag katastrophal, sein Teamkollege hat sich alle zwei Runden darüber beschwert. Mehr war nicht drin.“

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Vettel Sechster, Teamkollege Charles Leclerc Elfter, beide Ferrari überrundet. Es ist das dritte Debakel in Folge für Ferrari. „Ich hätte gehofft, dass etwas mehr drin gewesen wäre“, gibt Vettel zu. „Aber wir sind früh zum Boxenstopp rein, da waren die Reifen am Schluss ziemlich durch. Ich hätte am Ende gern mehr dagegenhalten, aber mehr ist momentan nicht drin.“

Wirklich nicht? Beim ersten Boxenstopp holt Ferrari zunächst den hinter Vettel fahrenden Charles Leclerc zum Wechsel auf Slicks an die Box. Eine ungewöhnliche Entscheidung, denn eigentlich kommt der führende Teamkollege als Erster zum Service. Als der Heppenheimer einen Umlauf später ebenfalls auf Trockenreifen wechselt, steht er ganze 9,2 Sekunden. Wegen zu viel Verkehr in der Boxengasse springt die Ampel erst auf grün, als die Spur wieder frei ist.

Folge: Leclerc kommt zwischenzeitlich an Vettel vorbei. Der Deutsche dazu: „Da ist nicht unbedingt etwas schiefgegangen. Es sind ziemlich viele Autos reingekommen in der Runde. Das hat uns extrem viel Zeit gekostet. Vielleicht hätte man da schneller reagieren können. Ich weiß nicht, ob da früher eine Lücke gewesen wäre oder ob man mich eine Runde früher reinholen hätte können.“

Die Onboard-Kamera verrät: Als Renningenieur Adami Vettel erstmals anfunkte, waren bei Leclerc schon weiche Schlappen aufgezogen. Vettel hatte keine Wahl.

Ferrari ging kein Risiko

Fest steht aber auch: Ferrari ging kein Risiko: „Wir sind anfangs mitgeschwommen, haben nichts Schlaues gemacht, aber auch nichts Verkehrtes“, so Vettel. Egal: Der Hesse war am Ende trotz des missglückten ersten Boxenstopps zu schnell für Leclerc. Auf gelben Reifen kassierte er seinen Teamkollegen, der auf weichen Gummis über schlechte Balance und schnellen Abbau klagte.

Die entsprechende Reifenwahl hat Vettel übrigens selbst getroffen: Ferrari wollte ihm weiche Reifen anbieten, der Hesse forderte mittelharte – und bekam die dann auch. Der Noch-Ferrari-Star nimmt seine Mannschaft Team trotz des klaren Funkverkehrs in Schutz: „So etwas entscheiden wir als Team. Eine Runde vorher waren die Bedingungen noch ganz anders.“

Anschließend wechselte er früher als Leclerc auf harte Pneus und schaffte so den Anschluss an die vorderen Plätze. Interessant dann: das Duell gegen Alex Albon. Zweimal wechselten die Positionen. Am Ende waren Vettels Reifen so am Ende, dass er sich nicht mehr wehren konnte gegen den Thailänder im Red Bull.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto findet in der Video-Pressekonferenz am Abend klare Worte für die erneute Niederlage: „Unser Rennen war sehr enttäuschend. Wir hatten nach dem Qualifying mehr erwartet. Charles auf Soft rauszuschicken war die falsche Wahl. Wir haben ihn damit in Schwierigkeiten gebracht. Mit der aktuellen Situation können wir nicht zufrieden sein.“

Auch die Schmach der Überrundung sitzt bei den Ferrari-Fans tief. Allein: 2003 ist das in Budapest auch Michael Schumacher passiert, der damals von Fernando Alonso aus der Sieger-Runde befördert wurde. Vettel: „Es war schon vor dem Rennen klar, dass Lewis uns überrunden würde. Das war keine Überraschung.“

Schumacher wurde 2003 trotzdem noch Weltmeister. Davon ist Vettel 2020 weit entfernt. Er liegt mit sieben Punkten auf Tabellenplatz zehn. Ferrari ist hinter Mercedes, Red Bull, McLaren und Racing Point nur WM-Fünfter.

Chancen stehen schlecht

Das Problem: Die Roten werden in den nächsten Rennen auch kaum aufholen können. Bis Ende 2020 darf weder im Bereich des Verbrennungsmotors noch des Turboladers, der MGU-H, dem Benzin oder dem Öl weiterentwickelt werden. Nur bei der Batterie, der Leistungselektronik und der MGU-K darf man Hand anlegen. Damit stehen die Chancen schlecht, dass Ferrari den PS-Nachteil aufholen wird.

Binotto: „Wir müssen jetzt den Grund verstehen, warum wir so langsam sind. In Barcelona haben wir gesehen, dass wir nicht schnell genug sind. So eine schwierige Situation haben wir aber nicht erwartet. Uns fehlt der Speed in den Kurven und auf den Geraden. Wir müssen in Maranello nun alles tun, was nötig ist – bei der Technik und der Organisation.“

Das Problem: Auch das Chassis ist wegen der Corona-Sparmaßnahmen weitgehend von der Entwicklung ausgeschlossen. Nur ein wichtiges oder zwei kleinere der 77 Teile dürfen bis Ende des Jahres verändern werden.

Heißt: Die Scuderia kann nur auf dem Gebiet der Aerodynamik aufholen. Doch das wird nicht ausreichen, um den Anschluss an die Spitze schaffen zu können.

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