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McLaren glänzt mit Seidl, Ferrari kriselt mit Binotto

Credit: McLaren

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Andreas Seidl bringt McLaren zurück auf die Siegerstraße, während Ferrari immer tiefer fällt. Eine Analyse

Beides sind DIE Traditionsteams der Formel 1. McLaren in England, Ferrari in Italien. Zusammen haben sie 24 Konstrukteurs- (8/16) und 27 Fahrer-WM-Titel (12/15) gewonnen. Doch der letzte große Triumph stammt aus der Saison 2008 (McLaren-Mercedes mit Hamilton/Ferrari bei den Konstrukteuren). 

Seitdem dominieren andere: Red Bull und Mercedes. Allein: Während die Briten auf dem besten Weg zurück an die Spitze sind, rutschen die Italiener immer tiefer in die Krise. Der vorläufige Höhepunkt am vergangenen Wochenende in Spielberg: ein unfahrbares Auto und die Ränge zehn und elf im Qualifying. Im Rennen räumt Charles Leclerc Sebastian Vettel ab. McLaren dagegen ist am Samstag mit Carlos Sainz und am Sonntag mit Shootingstar Lando Norris „Best of the Rest“.

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Auch die Zahlen sind eindeutig: Nach zwei Rennen liegt McLaren mit 39 Punkten an zweiter Stelle der Konstrukteurswertung, Ferrari ist nach dem Super-Gau beim Großen Preis der Steiermark mit 19 Punkten Fünfter. Schlimmer als die Bewertung der Rangliste ist der Vergleich der reinen Leistungsfähigkeit. Das englische Traditionsteam des deutschen Teamchefs Andreas Seidl ist sowohl im Qualifying als auch unter Rennbedingungen klar schneller als das Team von Sebastian Vettel, das eigentlich einen Angriff auf den WM-Titel starten wollte.

Fest steht: Der Erfolg auf der einen und der Misserfolg auf der anderen Seite haben System und zwei Namen. Experten wie Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer sind beeindruckt: „McLaren hat es geschafft, das gute Auto von vergangenem Jahr noch einmal zu verbessern. Das konnte man so nicht erwarten. Das zeigt aber, dass es bei McLaren im Gegensatz zu Ferrari eine klare Führungsstruktur gibt und dass die einzelnen Abteilungen harmonisch zusammenarbeiten.“

Seidl macht den Unterschied

Den Unterschied macht Teamchef Andreas Seidl (44), Ingenieur aus Bayern. Ex-Pilot Marc Surer zu F1-Insider.com: „Mit der Verpflichtung von Andreas Seidl im Mai vergangenen Jahres ging es bei McLaren stetig aufwärts. Er weiß aus seiner Zeit bei Porsche und BMW genau, wie man seine Leute einsetzen muss, um zum Erfolg zu kommen. Da ist eine klare Linie zu erkennen. Bei Ferrari sehe ich die nicht.“

In Maranello hat Teamchef Mattia Binotto (50, ebenfalls Ingenieur, weder die Technik noch die Fahrer im Griff. Dass Vettel und sein Teamkollege Charles Leclerc in Spielberg kollidierten, ist auch eine Folge der Führungsschwäche an der Spitze des Teams.

Andreas Seidl, Team Principal, McLaren

Surer glaubt: „Binotto ist ein guter Techniker. Aber er wirkt völlig überfordert, weil er sich um zu viele Baustellen kümmert. Man müsste ihm einen sportlichen Direktor zur Seite stellen, der ihm Arbeit abnimmt. Der sich um die politischen Dinge kümmert und um den Umgang mit den Fahrern. Binotto sollte sich ganz um die Technik kümmern, die gerade mächtig aus dem Ruder läuft.“

Ex-Formel-1-Pilot Ralf Schumacher sieht es ähnlich, fordert aber härtere Maßnahmen. „Wäre Ferrari ein Fußballverein, man hätte längst die Trainerfrage gestellt. Alle haben ihr Auto in dieser Saison noch mal verbessert. Nur Ferrari und die vom Motor abhängigen Kundenteams nicht. Das hat Gründe und es ist halt im Leben so, dass einer immer die Verantwortung für einen derartigen Misserfolg zu tragen hat.“

Genau wie für den Erfolg, wenn er denn kommt – wie jetzt bei McLaren. Für Schumacher steht fest: „McLaren wird im nächsten Jahr mit dem Mercedes-Motor noch besser sein als in dieser Saison. Das zeigt, dass Seidl nicht nur das Heute im Blick hat, sondern auch strategisch ans Morgen denkt.“ F1-Insider.com weiß: Die Rückkehr zu Mercedes war seine Idee. 

Schumacher sieht schwarz für Ferrari

Bei den Roten aus Maranello sieht der Sky-Experte dagegen eher schwarz: „Durch die Corona-Pandemie wurde das Reglement mehr oder weniger eingefroren, um Kosten zu sparen. Das heißt: Ferrari kann nicht viel am Auto ändern. Die Schere zwischen den beiden Teams wird noch weiter auseinandergehen.“

Der faire und rational kalkulierende Teamplayer Seidl gegen den introvertierten Italiener, der sich bei der unrühmlichen Trennung von Sebastian Vettel und dem grenzwertigen Betrieb des Ferrari-Antriebs 2019 den Ruf als Falschspieler erwarb: Auch Körpersprache und Aussagen der beiden Teamchefs sprechen Bände und lassen nichts Gutes für Ferrari-Fans erahnen, während McLaren-Anhänger sich auf eine rosarote Zukunft freuen können. 

Seidl strotzt vor Energie, hält den Ball aber lieber flach und gibt die Komplimente an seine Mitarbeiter weiter: „Wir haben tolle Leute, wir sind auf einem guten Weg, wir wissen aber trotzdem, in welchen Bereichen wir uns noch verbessern können.“ Binotto dagegen wirkt wie ein vereinsamter Kämpfer, der die positive Aura verloren hat, die er letztes Jahr noch versprühte, als er sich mit der Teamchefrolle bei Ferrari seinen Kindheitstraum erfüllte. 

„Dieses Auto“, sagte er fast den Tränen nahe in Spielberg, „ist eines Ferrari nicht würdig.“ Da sprach ein gebrochener Mann, der kapituliert hat. Und der genau weiß, wer am Ende die Verantwortung für die größte Ferrari-Krise seit mehr als 30 Jahren übernehmen muss.  

Von: Ralf Bach und Bianca Garloff

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