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Ferrari: Das ist der neue Enzo

Sergio Marchionne (r.) und Maurizio Arrivabene bei der Ferrari-Weihnachts-PK. Copyright: Ferrari

Ich musste schmunzeln, als ich die Geschichte hörte. Er ist zurück, dachte ich für mich, endlich, zumindest der Geist des ehrwürdigen Enzo Ferrari. Wenn Ferrari schon hinterherfährt, dann wenigstens mit Stil! Die Auftritte des neuen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne haben die Uhren zurückgedreht zum 14. August 1988. An diesem Tag hat Enzo Ferrari durch seinen Tod in Italien für ein Wunder gesorgt – hatten ihn seine Landsleute doch eigentlich für unsterblich gehalten.

Das ist er dann doch irgendwie. Die Mythen über den Patriarchen halten sich bis heute. Jedes Auto, das auch heute noch die Werkshallen von Maranello verlässt, trägt ein Stück Enzo in sich. Ein Stück des großen alten Mannes, der seit dem Tod seines Sohnes Dino 1956 kaum noch sein Haus in Fiorano verließ. Der in einem verdunkelten Raum arbeitete, dort Vertragsverhandlungen führte und immer dafür sorgte, dass die Kerzen hinter seinem Rücken, welche vor dem grossen Gemälde seines geliebten Sohnes wie vor einem Altar aufgestellt waren, immer brannten. Der Niki Lauda – als der Ende 1977 die Intrigen und Machtspiele bei Ferrari zuviel wurden und zu Brabham wechselte – als „Judas bezeichnete, der sich für 30 Stangen Salami an die Konkurrenz verkauft hatte.“

Lauda hat den Mythos Enzo Ferrari einmal auf den Punkt gebracht: „Angenommen,“, erklärt er die Ferrari-Anbetung, die es in ganz Italien gibt, „angenommen also ich fahre auf einer italienischen Autobahn Tempo 250 und eine Polizeistreife hält mich an: Der Polizist wird mich erkennen, mir auf die Schulter klopfen und sagen, ich könne mit Tempo 300 weiterfahren. Wenn ich in der Schweiz mit 150 km/h erwischt würde, ist es völlig Wurscht, ob man mich erkennt oder nicht – ich gehe ins Gefängnis.“

Gerade der analytische Lauda, der in einem Ferrari am Nürburgring fast verbrannte, der deshalb selbst in Italien als Unsterblicher gilt, muss im Dezember 2014 ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben. Er, der vor kaum einen Menschen Respekt hat, aber nur bei einem erzitterte: Enzo Ferrari. Jetzt komme ich zu der Geschichte, die mich erheiterte. Lauda hatte sich selbst vor zwei Wochen neben Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zu einem Strategiemeeting nach Genf eingeladen. Dort ging es in der Anwesenheit von F1-Boss Bernie Ecclestone und FIA-Präsident Jean Todt um die Zukunft der Formel 1. Das erste Mal dabei: Der neue Ferrari-Allmächtige Sergio Marchionne.

Und das erste, was Marchionne machte: Niki Lauda, den Ferrari-Helden, der es gewohnt ist, dass man ihm überall, wo er hinkommt den roten Teppich ausrollt, zu fragen, was er hier überhaupt wolle. Schließlich sei Mercedes in Person von Toto Wolff ja vertreten. Er solle bitte den Raum verlassen. Lauda, so berichtete man mir glaubhaft, sei die Majestätsbeleidung bitter aufgestossen. Er sei geschockt und aufgewühlt zugleich gewesen und wollte beleidigt das Meeting verlassen. Erst Ecclestone und Todt, die mit Engelszungen auf Marchionne einredeten, konnten Gnade beim Ferrari-Chef erreichen. Lauda durfte, so wurde mir vermittelt, „um Gottes Willen“ im Zimmer bleiben. Enzo Ferrari hätte keinen besseren Auftritt hinlegen können. Für mich steht fest: Mit Marchionne hat Ferrari endlich den Nachfolger des großen Enzo gefunden.

Marchionne vereinigt das, was Enzo Ferrari ausgezeichnet hatte. Die Mischung aus großen Emotionen, Leidenschaft und Pathos auf der einen Seite – und fast menschenverachtende Entscheidungen auf der anderen. Einerseits entsorgte Marchionne seinen Vorgänger Luca di Montezemolo, der in Italien Kultstatus erreicht hatte, innerhalb eines Tages. Er schmiss Teamchef Marco Mattiachi nach nur sieben Monaten wieder hinaus und schickte dessen Nachfolger Maurizio Arrivabene schon zum letzten Rennen in die Wüste nach Abu Dhabi, ohne dass Mattiacci auch nur den Hauch einer Ahnung hatte.

Andererseits schrieb Marchionne am 24. November, also kurz nach dem Saisonfinale, einen Brandbrief von vier Seiten an alle Mitarbeiter der Scuderia. De Sprache war emotional, pathetisch und kämpferisch. Besser hätte auch der alte Enzo das nicht machen können. Nur dass der seine Briefe immer mit violetter Tinte schrieb. Marchionne, der Enzo der Neuzeit, wählte dem Zeitgeist ensprechend eine Version, die aus einem Laptop gespuckt wurde. Das aber war der einzige Unterschied. Für mich jedenfalls steht fest: Enzo Ferrari ist in Form von Sergio Marchionne wieder zurückgekehrt. Es wurde auch höchste Zeit, dass in Maranello der alte Geist wieder da ist. Denn, wie gesagt: Wenn schon hinterherfahren, dann aber bitte mit Stil!

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