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Michael Schumacher: Wie ich mit ihm erwachsen wurde

Michael Schumacher und Ralf Bach. Credit: Auto Bild

Michael Schumacher und Ralf Bach. Credit: Auto Bild

Heute, am 3. Januar 2021, wird Michael Schumacher 52 Jahre alt. Anlässlich seines Geburtstages erinnert sich Formel-1-Reporter und F1-Insider.com-Chefredakteur Ralf Bach an seine Erlebnisse mit dem Rekordchampion. Persönliche Anekdoten und spannende Geheimnisse.

Am Anfang war das Feuer. Es loderte in seinen Augen. Schon damals verdichtete sich sein Blick zu engen Schlitzen, wenn er vom Motorsport redete. Vom Fahren einer Kurve, die er in manchmal bis zu fünf Abschnitte teilte, vom Bremsen, Beschleunigen, vom Überholen. Schon damals wusste er von seinen besonderen Fähigkeiten.

Damals war 1988. Da lernte ich Michael Schumacher kennen. Ich war blutjunger Redakteur in Köln, Fachgebiet Motorsport. In der Nähe gab es zwei vielversprechende Talente. Michael Schumacher aus Kerpen und Heinz-Harald Frentzen aus Mönchengladbach. Schon damals glaubte Schumi an seine Fähigkeiten.

Aus den ersten Interviewterminen wurde langsam Freundschaft. Ich begleitete die beiden zu Formel-3-Rennen oder zu den Tests im Mercedes-Junior-Team. Sie fuhren mit mir zu Reifentests oder zu Limousinen-Vergleichsfahrten nach Hockenheim und beeindruckten mit atemberaubendem Fahrgefühl.

Wie der F1-Insider mit Schumi um die Ecken zog

Wir zogen zusammen mit Corinna, spätere Frau Schumacher, aber da noch mit Frentzen liiert, um die Ecken. Mal in der Kölner Waldlust, wo Schumi bei Marianne-Rosenberg-Liedern willenlos tanzte, während ich dort vergeblich nach Stones-Songs fragte. Mal aßen wir Pizza im Junkersdorfer „Birkenhof“, mal feierten wir Geburtstag, mal hingen wir auf der Kartbahn in Kerpen ab.

Oder wir trafen uns in der Aachener Straße mit den damaligen Toyota-Technikern Karl-Heinz Goldstein und Norbert Kreyer. Auf Goldsteins schwarzem Ledersofa philosophierten wir, wie es wäre, wenn Michael und Heinz mal in der Formel 1 fahren würden. Schumi war damals schon sehr selbstbewusst. Außer Senna müssten sich alle warm anziehen, meinte er.

Dann ging alles ganz schnell. Bei seinem ersten Formel-1-Rennen in Spa lungerten wir noch zusammen im Bus von Heinz-Haralds Formel-3000-Team herum – Corinna brachte den Kaffee, Michael verpasste eine Jordan-Pressekonferenz. Wenig später war er mit Corinna zusammen. Ich konnte zwischen Heinz-Harald und Michael nicht mehr vermitteln.

Als Michael zum Weltstar aufstieg, war eine normale Freundschaft nicht mehr möglich – Michael wurde schneller berühmt als erwachsen. Die Formel 1 mit ihrer Schnelllebigkeit ließ dem jungen Kerl einfach keine Zeit zur Reflektion. Wahrscheinlich deshalb waren unsere Standpunkte in der Beurteilung verschiedener Situationen deshalb so verschieden.

Die Kollision mit Hill 1994, der Crash mit Villeneuve 1997, der peinliche, selbst herbeigeführte Unfall mit 50 km/h in der Rascasse in Monaco 2006. Kritik ließ Michael nicht mehr gelten: „Entweder Du bist für mich oder gegen mich.“

Im privaten Rahmen konnte er die Fehler aber zugeben. Bei einer ADAC-Feier im Dezember 1994 in München saß ich neben ihm am Tisch. Ich war immer noch sauer, dass er einen Monat zuvor auf so unwürdige Weise seinen ersten Titel holte. Kurz: Er ist dem armen Damon Hill einfach in die Kiste gefahren. Leise erklärte er mir: „Ich sah in Sekundenbruchteilen den Titel verschwinden!“

Damit war die Sache für mich vergessen. Denn die anderen Alphatiere in der Formel 1 wären in diesem Moment vom gleichen Instinkt gelenkt worden.

Im Mai 1999 outete er sich das nächste Mal. Wir trafen uns zu Testfahrten von Ferrari in Mugello. Der Motor ging hoch, wir hatten viel Zeit. Ich machte damals ein Interview für den „Stern“. Ein Thema war: „Was man im Leben bereut.“ Er sagte sofort: „Wie ich mich nach der Kollision mit Villeneuve verhalten habe.

Es war falsch, aber es gab auch niemanden damals, der den Mut hatte, mir einfach zu sagen: „Geh jetzt raus und entschuldige Dich!“ Er wollte, dass die Aussage Teil des Interviews wird. Das war für mich mutiger als mit 300 Sachen 50 Meter vor einer Kurve zu bremsen.

Wenig später hatte er seinen schweren Unfall in Silverstone. Die Bremse des Ferraris funktionierte nicht mehr. Er schlug mit 190 Stundenkilometern in den Reifenstapel ein. Sein rechtes Schienbein brach. „Ich dachte wirklich für eine kurze Zeit, ich würde sterben“, verriet er mir, „Ich war der Meinung, mein Herz bleibt stehen.“ Als er wieder bei Sinnen war, noch auf der Trage, sagte er zum damaligen Formel-1-Arzt Sid Watkins. „Ruf bitte Corinna an und sag ihr, mir geht es gut.“

Zwei Wochen später präsentierte RTL Schumacher mit Gipsbein vor dem GP von Deutschland in Hockenheim. Er saß auf einem Sofa in seinem Garten in der Schweiz und grüßte seine Kollegen. Das Ganze lief nicht nur auf RTL, sondern auch auf der Riesenleinwand im Motodrom – alle Formel-1-Fahrer, die schon startbereit und höchst fokussiert in ihren Autos saßen, konnten in überdimensionaler Größe Michael sehen. Er stand, ungewollt, aber wahr, wieder mal weit über ihnen.

Einen Tag später fragte er mich, wie ich den Auftritt gefunden hätte. Ich sagte: „Für Deine Kollegen nicht gut. Aber das war das Problem von RTL und Hockenheim.“ Er verstand meine Einwände, sagte nur: „Ich komme bald zurück. Ich will sogar in zwei Wochen in Ungarn fahren!“

Ich war verwirrt: „Mit einem Schienbeinbruch – wie soll das gehen?“ Er antwortete: „Ross Brawn (damaliger Ferrari-Technikchef, d. Red.) will ein Auto bauen mit Handgas und Bremse am Lenkrad.“ Ich war baff. „Ist das zum Schreiben?“ „Ja, mach ruhig. Sind doch gute Nachrichten. Aber von mir hast Du sie nicht!“

Ich war damals Formel-1-Berichterstatter bei der „Welt“ und schrieb den Bericht. Es gab Riesenaufregung, weil „Bild“ am gleichen Tag mit dem Karrierende Schumachers aufmachen wollte. In der „Welt“ stand aber genau das Gegenteil. „Bild“, fast schon gedruckt, änderte die Schlagzeile.

Darum war Ferrari-Chef Jean Todt fassungslos

Ferrari-Chef Jean Todt war fassungslos, weil geheime Interna von Ferrari nach außen gedrungen waren. Er rief mich sogar zuhause an und wollte wissen, wer mir davon erzählte. Nur er, Ross Brawn, Chefmechaniker Nigel Stepney und Michael wussten von der Idee. „War es Ross?“, fragte er. „Nein“, sagte ich. „War es Nigel?“ Wieder verneinte ich.

Nach Michael fragte er nicht mehr. Deshalb musste ich nicht lügen. Aus dem geheimen Ferrari-Plan wurde aber nichts. Michael ließ sich mit dem Comeback Zeit. Erst beim vorletzten Rennen in Malaysia stieg er wieder ein.

Nach dem Saison-Finale gab es eine spontane Party im Motorhome von Ecclestone-Wirt Karl-Heinz Zimmermann. Michael wollte, dass ich dazukomme. Es ging wild zu. Michael (mit Kapitänsmütze) zerriss mir mein T-Shirt, ich schüttete ihm dafür einen Eimer Wasser über den Kopf.

Schumi war entspannt und richtig gut drauf. Obwohl Teamkollege Eddie Irvine gerade den Titel an Mika Häkkinen verloren hatte. Doch ich konnte Michaels Laune nur zu gut verstehen. Er hatte die ganz Aufbauarbeit für Ferrari geleistet. Er war erleichtert, dass Irvine nicht die Früchte seiner Arbeit ernten konnte.

Italienische Papparazzi machten heimlich Fotos und verkauften sie in die ganze Welt. Motto: „Wie kann Schumacher so feiern, obwohl Ferrari gerade den Titel verloren hatte?“ Sogar „Bild“ druckte eine Seite davon. Im Mittelpunkt: mein zerrissenes T-Shirt.

Das Jahr 2000 war sehr intensiv. Wir beredeten viel Privates, er vertraute mir total. So merkwürdig sich das auch anhört: Ich ihm auch. Im Sommer lud er mich in die Schweiz ein. Zum Kicken und Abhängen. Er besorgte mir einen Spielerpass, dass ich an einem Punktspiel bei seinem damaligen Verein, dem FC Echterdingen, mit teilnehmen konnte. Wir verloren hoch.

Vorher zeigte er mir die Gegend. Die Sightseeingtour fand im Ferrari statt. Er fuhr eher langsam, sehr vorsichtig. „Dort wohnt Alain Prost.“ Er zeigte mir das Haus der französischen Lichtgestalt. „Dort hinten kannst Du den Mont Blanc erkennen. Da gehe ich öfters Skifahren. Das Skigebiet ist ein Traum.“

Fußball mit Michael Schumacher

Nach dem Spiel redeten wir über alte und neue Zeiten, er brutzelte am Herd Nürnberger Bratwürste. Hier in seinem Haus, in seiner Trutzburg, konnte Michael sein wahres Gesicht zeigen. Das vom liebevollen, bescheidenen Familienvater, der keinerlei Luxus braucht und nur in Frieden mit der Familie und seinen Hunden leben will.

Erst wenn er das Visier herunterklappt und 18.000 Umdrehungen im Rücken spürt, kann er zum Werwolf werden.

Das letzte Rennen in Suzuka 2000 beendete unsere Freundschaft. Der erste Titelgewinn mit Ferrari machte Schumacher zum Weltstar und zum Helden der Formel-1-Geschichte unter Dauerbeobachtung. Niemand entkommt so etwas, ohne Konsequenzen zu ziehen, und Michael fühlte die Zeit gekommen, unser Verhältnis zueinander neu zu ordnen. Wir blieben beruflich in Kontakt. Bis er sich 2012 endgültig aus der Formel 1 zurückzog.

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