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Held der Arbeit

F1 Frederik af Petersens

Es gibt sie noch die Helden in der Formel 1, zum Glück. Die Aufrechten, Mutigen, Tapferen, die nichts fürchten. Am Allerwenigsten anzuecken. Ich meine aber weder die Fahrer in Budapest, noch die Teamchefs oder andere Manager der motorsportlichen Königsklasse. Ich rede von meinem Kollegen Frederik af Petersens. Af Petersens ist ein schwedischer Edelmann, wohnt schon lange in Koblenz und schreibt noch länger über die Formel 1. Er teilte in den 70ern sein Zimmer mit Schwedens Formel-1-Pilot Gunnar Nilsson, der später an Hodenkrebs starb. Er sah in Monza 1978 seinen „Blutsbruder“ Ronnie Peterson sterben. Kurz: Af Petersens hat schon viel gesehen und erlebt. Auf mich wirkt er wie ein weiser Indianerhäuptling, der die Dinge philosophisch betrachtet ohne Philosoph zu sein. Also jemand, den man sich als großen Bruder oder Vater wünscht.

In der offiziellen Pressekonferenz am Freitag hielt er uns allen den Spiegel vor. Seine Frage war ebenso richtig wie simpel: „Aserbaidschan steht im nächsten Jahr auf dem Rennkalender. Es ist ein neues Rennen in einem Land, in dem es keine Pressefreiheit gibt, Mitglieder der Opposition verhaftet werden, Menschen verschwinden. Ist es richtig, dort zu fahren?“ Toro Rosso-Teamchef Franz Tost antwortete darauf. Hier die Hauptaussage: „Dies ist absolut richtig, weil Formel 1 Sport ist, keine Politik. Wir wollen Leute unterhalten. Wenn wir uns über Missstände in Ländern Gedanken machen würden, dann hätten wir Probleme mit China, mit Russland oder sogar Brasilien. Unsere Aufgabe aber ist es, unsere Show zu machen und unseren Sport zu präsentieren.“

Af Petersens war mit der Antwort nicht zufrieden und hakte nach: „Was die Formel 1 dann aber macht, ist nichts anderes als eine Diktatur zu unterstützen. Für die European Games in der Hauptstadt Baku vor einigen Wochen wurde Journalisten aus Deutschland und England das Visa verweigert. Wir würden Sie reagieren, wenn das auch einem Formel-1-Berichterstatter passieren würde?“

Jetzt meldete sich Christian Horner zu Wort, der zweite Vertreter des Red-Bull-Konzerns. Selbstgefällig lächelnd wurde der Brite zynisch: „Es würde unsere Pressekonferenzen verkürzen, also wäre das gar keine schlechte Sache.“

Red-Bull-Kollege Tost legte nach: „Es muss Gründe geben, warum Visas verweigert werden. Ich kenne den Hintergrund nicht. Mich interessiert das nicht. Wir werden dorthin gehen und unser Rennen fahren. So ist das. Es ist Euer Problem, wie Ihr das Visa bekommt.“

Ich weiß nicht, ob auch Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz die Meinung seiner beiden Teamchefs teilt. Aber haben Horner und Tost nicht die Red-Bull-Philosophie, die zum großen Teil auf die Freiheit des Individuums basiert und zielt, mit Füßen getreten? Haben sie nicht die Werte des Geldgebers verraten? Blindes Folgen und Ignoranz ist doch wohl eher nicht die Nachricht, mit der Freidenker Mateschitz seine Dosen an die Menschheit bringen will.

Man war bequem geworden und hat sich an die Halbgötter mit verschiedener Teamkleidung im Fahrerlager gewöhnt. Man hatte sich damit abgefunden, dass man in der Formel-1-Szene, die ja selbst eine Diktatur ist, keine Worte erwarten kann, die sie selbst in Frage stellen könnte. Das ist schlimm genug. Am schlimmsten sind aber die Kollegen af Petersens, die ihn mitleidig betrachten, weil er die Frechheit hatte, überhaupt kritische Fragen zu stellen. Die hinter seinem Rücken reden, mit dem Finger auf ihn zeigen. Die ihre Luxusreisen weiter genießen wollen, ihre Hotels, ihre Einladungen und damit in der Tat Diktaturen – auch die eigene in der Formel 1 – weiter stärken. Die af Petersens Weg nicht mitgehen wollen, sondern ihn am liebsten aus ihrem goldenen Käfig entfernen würden. Ich will nicht dazugehören. Deshalb Danke, Herr af Petersens, dass Sie mir gezeigt haben, wofür Journalisten hauptsächlich da sind. Sie sind für mich der Held von Budapest, ein wahrer Held der Arbeit.

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