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Vettel aufgepasst! Schumis Ferrari-Jahre

Schumacher im Ferrari 1996. Copyright: Ferrari

Michael Schumacher konnte sich sogar zehn Jahre später noch genau daran erinnern: Es war im Spätherbst 1995. Es stand fest, dass er 1996 für Ferrari fährt. Rennleiter Jean Todt hatte ihn eingeladen, schon mal in der Fabrik in Maranello vorbeizuschauen. Allerdings stand der deutsche Weltmeister noch bei Benetton unter Vertrag. Und daher wurde sein Einstandsbesuch geheim gehalten.

Schumacher rückte zu nächtlicher Stunde an, es war mucksmäuschenstill in Maranello. Dünne Nebelschwaden zogen über die Felder, im Ort waren die Bürgersteige hochgeklappt. Bis dahin hatte sich Michael Schumacher nicht mit dem Mythos befasst, der Ferrari umgibt: „Es war für mich eigentlich bloß ein Rennstall wie jeder andere“, erinnerte er sich. Als aber plötzlich die dunklen Mauern auftauchten, die das Fabrikgelände abschirmen, er schließlich das gelbe Gebäude sah, die Residenz von Enzo Ferrari, vermochte sich selbst Schumacher der Faszination nicht länger zu entziehen. „Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Mein Gott, dachte ich, du fährst jetzt Ferrari.“ 

Der Geist von Enzo Ferrari war allgegenwärtig. Und der Erwartungsdruck enorm. „Schumacher ist pro Runde eine Sekunde schneller als alle anderen“, so hatte Luca di Montezemolo, der Präsident der Scuderia, die Verpflichtung des Deutschen gerechtfertigt, dem man in Italien bis dato das Temperament eines Computers nachsagte. Seit Ende 1991 hatte der Fiat-Konzern jährlich über 100 Millionen Mark investiert, um Ferraris Symbol, das springende Pferd, wieder auf die Beine zu stellen. Doch die roten Renner lahmten beharrlich.

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Also musste Schumacher her. Viele prophezeiten ihm ein ungeheures Chaos, doch schon nach wenigen Wochen gewann die Nummer eins der Branche die Gewissheit, dass der Wechsel zu Ferrari die richtige Entscheidung war, „meine größte Herausforderung“, wie er selbst sagte. „Wir zogen sofort alle an einem Strang. Noch nie in meiner Laufbahn habe ich so intensiv gearbeitet, noch nie bin ich später von der Rennstrecke ins Hotel gekommen, noch nie hat das alles so viel Spaß gemacht.“

Die Verteidigung seines WM-Titels freilich war auf Anhieb nicht drin, das wusste Michael Schumacher von vornherein. „Wir hatten ein neues Auto, erstmals mit einem Zehnzylindermotor, dazu die jüngste Mechanikertruppe in der Formel 1 – die Strukturen mussten erst reifen, die Saison war nur zum Lernen da.“ Womit niemand rechnen konnte: Gleich in seinem ersten Ferrari-Jahr gelangen Schumacher drei Siege, er wurde mit 59 Punkten Dritter des Fahrer-Championats, hinter den beiden Williams-Lenkern Damon Hill und Jacques Villeneuve. Der Fortschritt war jedenfalls immens und wurde in der Ferrari-Heimat gefeiert wie ein Triumph. 

Vergleich Schumacher-Vettel, 1996-2015. Copyright: Twitter

Schumachers größter Erfolg aber war die Tatsache, heißblütige Tifosi von seinen Qualitäten überzeugt zu haben. „In Imola, beim ersten Rennen auf europäischem Boden, gab es noch mehr Plakate mit den Namen meiner Vorgänger Alesi und Berger drauf“, so Schumacher, „im September in Monza hat sich das Bild schon gewandelt. Da wusste ich, dass ich es geschafft hatte“. Seit dem Rennen in Monaco verband ihn mit Jean Todt überdies eine Freundschaft – ein bedeutender Faktor für den weiteren Aufstieg. Schumacher: „Durch einen dummen Fehler habe ich dort den möglichen Sieg schon in der ersten Runde weggeschmissen. Ich entschuldigte mich dafür bei Jean. Doch der nahm mich in den Arm und sagte, dass ein Rennfahrer Fehler machen dürfe. Das hat mich beeindruckt.“

Nach Michael Schumachers erster Triumphfahrt bei strömendem Regen in Barcelona küsste ihn Todt wie einen Sohn, was den Freudentaumel noch verstärkte. „Ich vergaß, dass ich durchgefroren war bis auf die Haut. Es war einfach erhebend“, so der Kerpener, dessen Beziehung zum direkten Vorgesetzten sich aber vor allem in schlechten Zeiten vertiefte. So stellte sich Schumacher nach drei Ausfällen infolge technischer Defekte in Kanada, Frankreich und England, als die italienische Presse bereits den Kopf von Todt forderte, demonstrativ vor den kleinen Franzosen, mit den Worten: „Nur mit Todt oder ohne mich.“ 

Sein Sieg in Monza wurde zum emotionalen Höhepunkt der Saison. „Das war unbeschreiblich“, so Schumacher, „und für mich der geeignete Anlass, bekannt zu geben, dass Corinna und ich Eltern werden.“ Mehr war nicht nötig: Italien lag ihm zu Füßen. Und eine vollmundige Ankündigung („Ich hole den Titel, den habe ich an Hill nur ausgeliehen“) schien nur noch wie eine Draufgabe – ohne wissen zu können, 1997 seine bislang bitterste Niederlage einstecken zu müssen.

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