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Wendlinger: „So was verfolgt dich ewig“

Frentzen Schumacher

Frentzen, Schumacher und Wendlinger bildeten das Mercedes-Juniorteam. In Singapur 2012 trafen sie sich wieder. Copyright: Mercedes

Der Österreicher Karl Wendlinger (46) fuhr in den Jahren 1990 und 1991 an der Seite von Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen im Mercedes-Juniorteam. Der Kuftsteiner schaffte ebenso wie Schumacher und Frentzen den Sprung in die Formel 1. Ein schwerer Unfall beim Training in Monaco 1994 beendete seine Formel-1-Karriere. Mit schweren Kopfverletzungen lag Wendlinger fast drei Wochen im Koma. Heute fährt er wieder Rennen und ist einer der ORF-Experten für die Formel 1

Herr Wendlinger, was macht ein ehemaliger Formel-1-Pilot heute?

Seit drei Jahren bin ich bei AMG-Mercedes unter Vertrag als Markenbotschafter, Rennfahrer und Instruktor beim Fahrsicherheitstraining. Weil ich nebenbei noch etwas Zeit hatte, hat es sich ergeben, dass ich 2014 für drei Rennen für das Österreichische Fernsehen Co-Kommentator bei der Formel 1 war.

Ist die Umstellung schwierig? Früher wurde man selbst interviewt, jetzt muss man selbst Fragen stellen…

Mit dem Urteilen über andere Fahrer halte ich mich zurück. Gerade weil ich ja selber mal gefahren bin. Man weiß ja nie, warum irgendetwas passiert, außer es ist ganz was Offensichtliches. Aber sonst versuche ich meine Meinung über gewisse Dinge als sogenannter Experte wiederzugeben.

Warten Sie auf Hinweise des Moderators oder schalten Sie selbst mit ein?

Wir sind immer „on air“, beide. Ich kann immer etwas sagen. Und es wird auch immer gehört. Aber Ernst Hausleitner macht in der Regel die Hauptmoderation.

Sie haben früher eher wenig geredet. Jetzt aber ist genau das Gegenteil gefragt…

…es auch hier so, dass man erst was sagen soll, wenn es Sinn macht. Permanent reden gehört sicher nicht dazu. Für die Unterhaltung ist Ernst da. Ich mehr für das Fachmännische.

Wendiger und Hausleiter im ORF. Foto: Privat

Wie objektiv sind Sie in Bezug auf Fahrer?

Ich versuche die Kommentatoren-Tätigkeit schon objektiv zu machen. Aber ich habe in den letzten Jahren auch immer erwähnt, dass ich die Leistungen vom Sebastian Vettel sehr, sehr gut finde. Nicht, weil er das beste Auto gehabt hat, sondern weil er fehlerlos und konstant das Beste rausgeholt hat. Das habe ich dann schon gesagt, weil man ja immer wieder leichte Häme gegen ihn gehört hat.

Wie sehen Sie in Österreich die Dominanz von Mercedes dieses Jahr in der Formel 1?

Es gibt in Österreich sicher viele Red Bull-Fans. Aber da sind wir uns alle einig: Mercedes hat 2014 die beste Arbeit gemacht. Und durch Toto Wolff und Niki Lauda hat Mercedes mit Sicherheit auch in Österreich einige Fans.

Sie hatten 1994 in Monaco einen schweren Unfall, lagen viele Tage im Koma. Wie geht man dann zum Beispiel mit einem schweren Unfall wie dem von Jules Bianchi in Suzuka um?

Den Bianchi-Unfall habe ich zuhause angeschaut. Und dann ist man so betroffen wie alle anderen auch. Aber das Unfall-Video, das ja herumgegeistert ist im Internet, wollte ich nicht sehen.

Erinnern Sie sich noch an Ihre Zeit im Krankenhaus?

Meine Erinnerung ist begrenzt. Ich muss mich hauptsächlich auf das verlassen, was man mir berichtet hat. Zunächst war ich zwar wach, aber nicht richtig anwesend. Irgendwann habe ich mal mitbekommen, dass ich in einem Krankenhaus bin. Da war ich aber schon zehn Tage wieder wach. Am Anfang war mein Erinnerungsvermögen eingeschränkt, meine Konzentration war schlecht. Mit der guten Arbeit in Innsbruck ist das täglich besser geworden. Die Ärzte sagte damals, ich sei ein medizinisches Wunder, so schwer waren meine Verletzungen. Aber, klar, so ein Ereignis, das verfolgt dich ewig. Das ist jetzt 20 Jahre her und ich rede immer noch drüber.

Wie fanden Sie zurück ins Leben?

Schritt für Schritt. Ich weiß noch, wie man mir das Frühstück reichte und mich später fragte, was ich gegessen habe. Von fünf Sachen konnte ich mich nur an zwei erinnern. Später bekam ich spezielle Reha um meine Konzentration zu verbessern. Damit hatte ich bei meiner Rückkehr ins Formel-1-Auto extreme Probleme. Ich war in Gedanken meist woanders, aber nicht im Cockpit.

Verfolgen Sie auch, dass sie damals Mercedes-Junior neben mit Michael Schumacher waren? Gerade jetzt, wo er ja auch mit einer Hirnverletzung kämpft?

Nein, jetzt überhaupt nicht mehr. Kurz nachdem er den Skiunfall hatte, hat das Telefon viel geläutet. Aber ich habe nicht abgehoben.

Warum nicht?

Weil ich wusste, um was es geht. Und weil es nichts zu sagen gegeben hat. Ich hab nur ein Interview gegeben, fürs österreichische Fernsehen. Im Interview ist mir erst richtig bewusst geworden, dass er schwer verletzt ist. Hätte ich vorher die Schwere seiner Verletzungen abwägen können, hätte ich das Interview gar nicht gegeben. Weil man nichts sagen kann außer zu spekulieren.

Zurück zu Ihrem Job in der Kommentatorenkabine. Gab es mal eine lustige Situation, bei der Sie sich total verhaspelt haben?

Ja, es gab da ein Überseerennen, bei dem es bei uns in der Kabine schon dunkel war, in Europa aber noch mitten im Tag. Ernst sagt, redet, macht, tut und schaut zu mir rüber und sagt gute Nacht nach Österreich. Und ich sage: Ja, hallo gute Nacht! Und da haben sie natürlich alle gelacht. Seitdem höre ich immer wieder „Hallo gute Nacht aus Wien“.

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