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Berger: Wenn Hamilton perfekt fährt…

Hamilton vor Rosberg in Ungarn. Copyright: Mercedes

Hamilton vor Rosberg in Ungarn. Copyright: Mercedes

Ex-Ferrari-Star und Formel-1-Insider Gerhard Berger analysiert im Interview die erste Hälfte der Formel-1-Saison 2015. Von Hamilton bis Honda…

Herr Berger: Wir haben Saisonhalbzeit in der Formel 1 WM 2015. Ist Mercedes dominanter, als sie zugeben wollen?
Gerhard Berger (55): Keine Frage, sie sind sehr dominant. Das fängt mit dem komplexen Motor an, der allen anderen weit überlegen ist. Es hat sich gezeigt, welches Potenzial ein Premiumhersteller wie Mercedes mit dieser Art von Antriebssträngen hat. Und Mercedes war – im Gegensatz zu Renault etwa – auch bereit, das notwendige Budget auszugeben. Zudem hat man sich nicht auf dem besten Motor ausgeruht, sondern auch ein sehr, sehr gutes Auto gebaut. Und: Mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg hat man zwei absolute Spitzenfahrer.

Ist Rosberg näher an Hamilton dran als 2014?
Es ist ähnlich. Lewis hat einen kleinen Vorsprung, aber der reicht nicht aus, um sich auch nur die kleinsten Fehler zu erlauben. Nico ist in Ungarn kein gutes Rennen gefahren. Aber insgesamt scheint er sich im Vergleich zum schwachen Saisonstart wieder gefangen zu haben. Besonders in Österreich hat man das gesehen. Dort hat er aus eigener Kraft gewonnen und nicht nur, weil Lewis etwas geschwächelt hat. Wenn Lewis perfekt fährt, wird er die Nase vorne haben. Wenn nicht, dreht Nico das Duell zu seinen Gunsten um.

Bei aller Dominanz: Darf Mercedes so auf der Konkurrenz herumhacken, wie Niki Lauda es nach Silverstone machte, à la: „Was kann Mercedes dafür, wenn die bei Ferrari nur mit Spaghetti rumschmeißen und ihr Auto nicht richtig auf die Straße stellen?“
Das finde ich nicht okay. Aber Niki hat das entweder im Spaß gesagt oder aus irgendeiner Emotion heraus. Denn fest steht: Ferrari hat in Ungarn die richtige Antwort gegeben und über den Winter einen wesentlich größeren Schritt gemacht, als ich oder ein anderer ihnen zugetraut hätte. Das trifft auch auf den neuen Teamchef Maurizio Arrivabene zu, der einen viel besseren Job macht, als jeder gedacht hätte. Klar, es ist noch ein weiter Weg zu Mercedes. Aber man muss bedenken, von wo sie kamen.

Inwiefern hat Sebastian Vettel mit den Fortschritten zu tun?
Er hat seine gründliche Arbeitsweise, die auch Michael Schumacher hatte, zu Ferrari gebracht und das tut Ferrari gut. Er versucht seine Emotionen zu unterdrücken und immer sachlich zu bleiben. Das bringt das Team letztendlich nach vorne. Und wenn er die Chance wittert, aufs Podium fahren zu können oder sogar zu gewinnen, dann schlägt er fehlerlos und erbarmungslos zu. Das war bei den Siegen in Malaysia und Ungarn oder bei seinem dritten Platz in Silverstone. Das wiederum gibt Ferrari eine gewisse Dynamik.

Was ist in dieser Saison noch möglich? Man hat den Eindruck, dass das Traditionsteam Williams teilweise nah dran ist an Ferrari und sogar an Mercedes.
Ja, technisch ist Williams stark. Aber Sebastian Vettel macht da den Unterschied. Vom Gesamtpaket her, also von der Summe Technik und Fahrer, ist Ferrari weit vor Williams. Hauptsächlich durch Vettel. Ich behaupte, dass Williams mit einem Vettel schon ein Rennen gewonnen hätte.

Wie das?
Erst einmal finde ich es beeindruckend, wie Claire Williams, die Tochter von Teamgründer Sir Frank, wieder ein Spitzenteam aus ihrer Mannschaft gemacht hat. Aber das mit dem „Gewinnen wollen“ müssen sie noch lernen. In Silverstone hätte man Bottas, der klar schneller war als Massa, freie Fahrt geben müssen. Dann hätte man Siegchancen sogar gegen die Mercedes gehabt. Ein Vettel hätte sich in dieser Situation anders als Bottas doch gar nicht um den Boxenfunk gekümmert, sondern seine Siegchance gesehen und ergriffen.

Wie beurteilen Sie Kimi Räikkönen?
Er ist schwer einzuordnen. Sebastian hat die Nase vorne. Aber was Kimi so sympathisch macht: Er ist kein Politiker, sondern versucht in Ruhe seine Hausaufgaben so gut wie möglich zu machen. Deshalb sind beide zusammen eine gute Fahrerkombination.

Soll Ferrari ihn also 2016 behalten?
Das ist Ferraris Entscheidung. Irgendwann müssen sie einen Jungen nachziehen. Es kommt darauf an, wann sich die ideale Gelegenheit ergibt. Die ist vielleicht noch nicht da.

Die Enttäuschungen sind Red Bull und McLaren-Honda. Woran liegt das?
Red Bull hat ein Antriebsproblem. Und die Schwierigkeiten, die Renault hat, liegen hauptsächlich in der Bereitschaft, genügend Budget in die Hand zu nehmen.

Und McLaren-Honda?
Honda hat sicher die Formel 1, wie sie heute ist, unterschätzt. Das liegt aber auch an McLaren. Ich glaube nicht, dass ihr Chassis so gut ist, wie sie immer behaupten. Aber Honda hat eine große Sportkultur und wird im Gegensatz zu Renault auch die Gelder in die Hand nehmen, die man braucht.

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