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Ferrari-Krise: Im Fußball wäre der Trainer schon weg

Credit: Ferrari

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Teamchef Mattia Binotto ist ein wichtiger Teil der Ferrari-Problematik. Ein Kommentar von Bianca Garloff

Es ist ein Albtraum in Rot, aus dem Ferrari einfach nicht erwacht. So schlecht habe ich die Scuderia in meiner Zeit in der Formel 1 noch nie gesehen. Als Journalistin nicht und auch nicht als blutjunger Schumi-Fan. 

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In mein Gedächtnis hat sich eine Szene beim GP Italien 1995 in Monza eingebrannt. Damals wurde eine abgerissene Inboard-Kamera zur nationalen Katastrophe. Ein Kabel hatte sich um Jean Alesis rechtes Hinterrad gewickelt und zwang den Franzosen zur Aufgabe. Nachdem sie zuvor wie ein Geschoss auch Gerhard Bergers roten Renner lahmgelegt hatte. Doppelausfall im Heimatland der Tifosi. Schlimmer noch: Alesi und Berger lagen damals auf den Plätzen eins und zwei!

Einen Doppelausfall hatte die Scuderia zuletzt auch in Spielberg zu beklagen. Allein: Von der Doppelführung ist sie heutzutage meilenweit entfernt. 

1996, ein Jahr nach dem Monza-Fiasko, beschimpfte die BILD-Zeitung Michael Schumachers ersten Ferrari F310 als „rote Gurke“. Damit allerdings hat der spätere Rekordchampion immerhin noch drei Rennen gewonnen. Und: Mit Teamchef Jean Todt war eine ordnende Hand an Bord. Es war klar: Der Franzose und sein Star-Pilot brauchten nur noch etwas Zeit, bis Ferrari endgültig den Angriff auf den Titel wagen könnte. Schon 1997 sollte es soweit sein.

Credit: F1 TV

Die Situation anno 2020 ist damit nicht zu vergleichen. Sie ist viel schlimmer. Und: Der aktuelle Teamchef Mattia Binotto (50) scheint anders als Todt damals nicht in der Lage, die Kehrtwende einzuläuten.

Dabei hat er 2019 den Job mit großen Vorschusslorbeeren angetreten. Ein Jahr lang wirkte der Italiener mit der Harry-Potter-Brille wie ein unbekümmerter Student, der sich gerade seinen Kindheitstraum erfüllt hat. Er sollte den intern umstrittenen Zigarettenmanager Maurizio Arrivabene ablösen. Alles sollte besser werden: Auto, Stimmung, Ergebnisse. Mittlerweile hat Binotto seinen Zauber verloren. Und daran ist er selbst schuld. Denn dem Italiener sind vier schwerwiegende Fehler unterlaufen. 

Erstens: Mit der vermeintlichen Schummelei beim Motor ist er übers Ziel hinausgeschossen. Der rote Antrieb war 2019 so überlegen, dass der Konkurrenz schnell klar war: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Bereits beim Saisonfinale in Abu Dhabi waren die Rivalen stinksauer auf den Ferrari-Rennleiter, der in ihren Augen ohne Rücksicht auf Verluste die Grenzen der Legalität überschritten hatte. Es folgte der geheime Deal mit der FIA, der die Konkurrenz endgültig auf die Palme brachte.

Zweitens: Binotto ist zu viel König im eigenen Reich. Der ehemalige Technikchef trägt auch als Teamchef weiter die Verantwortung für die Technikabteilung bei Ferrari. Er konnte sich nie dazu durchringen, Verantwortung abzugeben, die Capos der einzelnen Abteilungen auch öffentlich zu stärken oder sich einen Unterstützer an die Seite zu stellen. Doch Binottos One-Man-Show führte zu Kompetenzwirrwarr. Das wiederum zu einem lahmenden Ackergaul statt eines stattlichen Rennpferds. 

Drittens: Im Winter spielte der Italiener offenbar ganz bewusst falsches Spiel mit Sebastian Vettel. Erst gaukelte er dem Deutschen vor, den Vertrag verlängern zu wollen – dann sagte er ihm ab, ohne überhaupt ein Angebot vorgelegt zu haben. Die Kehrtwende machte Vettel öffentlich – seitdem ist Binotto der Buh-Mann. Ein Vorgang, der zeigt: Auch in der Formel 1 sind Integrität und Ehrlichkeit gefragt. 

Viertens: Mit Sebastian Vettel und Charles Leclerc hat Binotto zwei Piloten auf Augenhöhe im Team. Zwei, die etwas beweisen wollen. Das erfordert intensives Management der beiden Fahrer, Vertrauen, viele Gespräche. Dass Vettel und Leclerc nach Brasilien 2019 nun schon ein zweites Mal kollidiert sind, spricht nicht gerade für Binottos Fähigkeiten die Heißsporne zu zügeln. 

Bleibt die Frage, wie lange Ferrari die Fehler des Teamchefs noch akzeptiert. Im Fußball wäre der Trainer schon längst weg.

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