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Saudi Arabien wird zu Hamiltons Charaktertest

Lewis Hamilton Credit: LAT/Mercedes

Lewis Hamilton Credit: LAT/Mercedes

Kolumne von Formel-1-Reporter Ralf Bach zu Lewis Hamiltons Verhalten rund um das Rennen in Saudi Arabien

Nach dem eindeutigen politischen Statement von Sebastian Vettel (33) in der Türkei ist jetzt Lewis Hamilton (35) in der Bringschuld. Hintergrund: Vettel fuhr mit einem speziellen Design, das eine klare Botschaft vermitteln sollte. Wo sonst ein schwarz-rot-goldener Schweif in Erinnerung an sein Heimatland den Helm zierte, hatte dieser in Istanbul die Farben eines Regenbogens – das weltweite Symbol für Gleichheit und Gleichbehandlung in jeder Beziehung. Um das noch deutlicher zu machen, zierten den unteren Teil des Helmes Zeichnungen von Männern und Frauen aus allen Regionen der Erde.

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Vettel stellte klar: „Ja, es ist ein Statement. Es gibt Unterschiede beim Aussehen, aber wichtig ist, daraus keinen Unterschied zu machen. Ich will nicht, dass jemand nur auf Grund seines Aussehens von Anfang an in eine Kiste gesteckt wird. Gerade hier in der Türkei wollte ich damit ein Zeichen setzen.“ Hintergrund: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat seit seinem Amtsantritt 2001 systematisch demokratische und rechtsstaatliche Standards immer weiter eingeschränkt. Einschließlich der Pressefreiheit. 

Allein: Den Formel-1-Machern vom US-amerikanischen Rechteinhaber Liberty Media und der Automobilbehörde FIA dürfte es nicht gefallen, dass nach Hamilton nun auch der zweite Leitwolf der Szene politisch wurde. Denn nur nach außen hin geben sich die Manager und Funktionäre liberal. Zwar unterstützen sie Lewis Hamiltons „Black Lives Matter“-Kampagne in der Formel 1 mit dem eigenen Slogan „WeRaceAsOne“. Und doch ruft seine politische Ader immer wieder Diskussionen hervor – wie nach dem GP der Toskana, als Hamilton sich auf dem Siegerpodium weigerte, sein T-Shirt mit der Aufschrift „Sperrt die Polizisten ein, die Breonna Taylor getötet haben“ auszuziehen. Nur aus Angst vor der Außenwirkung ging Hamilton straffrei aus.

Lewis Hamilton Credit: LAT/Mercedes

Besonders auf den Superstar der Szene kommt im nächsten Jahr aber ein schwerer Charaktertest zu. Zumal er am Rande des Türkei-Rennens erneut klarstellte: „Meine Arbeit für Gleichberechtigung in der Welt ist für mich wichtiger als meine sportlichen Erfolge.“

Zur neuen Prüfung wird das erste Formel-1-Rennen, das im November 2021 in Saudi-Arabien stattfinden soll. Amnesty International erhob deshalb schon schwere Vorwürfe: „Die Formel 1 sollte sich bewusst sein, dass ein Saudi-Grand-Prix 2021 Teil eines fortwährenden Plans ist, die katastrophale Menschenrechtssituation reinzuwaschen“, hieß es.

Das Land, das weit steht, wenn es um Verletzung der Menschenrechte geht, überzeugte die F1-Macher aber mit anderen Argumenten. 60 Millionen Dollar soll es, so hört man im Flurfunk, den Saudis wert sein, die Formel 1 als Seelenwaschanlage zu nutzen – pro Jahr. Insgesamt habe der Mehrjahres-Deal einen Wert von 900 Millionen Dollar.

Ich meine: Sollte Hamilton nach seinem siebten WM-Titel weitermachen, dürfte er dort nicht antreten. Er müsste sich sein Idol Muhammad Ali zum Vorbild nehmen. 1967 verweigerte der den Kriegsdienst in Vietnam mit der Begründung: „Kein Vietnamese hat mich jemals Nigger genannt. Ich kämpfe nicht gegen Menschen, die mir nichts getan haben.“ Ali wurde der Titel des Schwergewichtsweltmeisters aberkannt, er riskierte für seine Werte sogar eine Gefängnisstrafe. 

Hamilton erzählte mir einmal: „Ali ist mein Vorbild, er war der größte Sportler. Er verzichtete auf seine Karriere, weil ihm sein Glaube und die Wahrheit wichtiger waren.“ Der Brite muss nun spätestens 2021 beweisen, ob er es genauso ernst meint mit seinen Werten wie sein Vorbild Muhammad Ali. Das dürfte dann spannender werden als der sportliche Verlauf der WM.  

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