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Formel 1 braucht Typen wie Steiner

Gunther Steiner Australia

Nach heftiger Kritik an einem Rennkommissar kommt Haas-Teamchef Günther Steiner mit einer Geldstrafe davon. Gut so, findet Ralf Bach in seiner Kolumne.

Eigentlich war der stürmische Freitag von Suzuka wie ein Ritterschlag für Haas-Teamchef Günther Steiner (54). Mitten in den Drohgebärden von Taifun Hagibis, der auf die japanische Küste zuflog und die verängstigten Funktionäre veranlasste, aus Sicherheitsgründen den gesamten Samstag zu canceln (einschließlich des Formel-1-Qualifyings), bestellten die Funktionäre des allmächtigen Automobilverbandes FIA den Südtiroler dennoch zu einem Straftribunal ein.Grund: Der emotionale Steiner hatte beim Rennen zuvor in Sotschi einen ihrer Schiedsrichter heftig über Funk beschimpft. Seinem Piloten Kevin Magnussen funkte er durch, hörbar für alle, auch für die FIA-Verbandsleute:

„Wenn wir keinen dummen, idiotischen Kommissar gehabt hätten, wären wir Achter. Du weißt, wer dieser Kommissar ist. Du kennst ihn. Es ist jedes Mal das gleiche. Er wird einfach nicht mehr intelligenter.“

Gemeint war der italienische Ex-Rennfahrer Emanuele Pirro (57), der im Fahrerlager im Gespräch zwar immer nett lächelt, in seiner Funktion als Schiedsrichter aber allzu gern umso heftiger den Scharfrichter spielt.

Was war passiert: Magnussen hatte eine Pylone angeblich falsch umfahren, als er nach einem kleinem Ausflug zurück auf die Strecke fuhr. Er gefährdete niemanden, einen Vorteil hatte er durch die unfreiwillige Aktion auch nicht. Trotzdem entschied Pirro eine eine 5-Sekunden-Strafe für den Dänen, der ihn von Platz 8 auf Platz 9 fallen ließ.

Das brachte Steiner auf die Palme. Der strenge Automobilverband, dessen Präsident Jean Todt sich als Führer einer Institution sieht, die er intern gerne mit der englischen Monarchie vergleicht, wollte jetzt ein hartes Exempel statuieren für die Majestätsbeleidigung. Denn Todt nimmt Kritik an seinem Verband persönlich.

Credit: Haas

Die Drohgebärden im Vorfeld waren heftig. Von einer Sperre Steiners war da die Rede, sogar von Punktabzug des Teams. Am Ende musste Steiner, der vorher mehr zur Erklärung denn zur Entschuldigung feststellte, im Eifer des Gefechts könnten halt schon mal Emotionen fliegen, 7500 Dollar Strafe bezahlen.

Dazu muss man wissen: In der Formel-1-Welt ist das gar nichts. Dort verschlingt jede als PR-Termin getarnte Abendeinladung mehr Geld.Wie ich Steiner kenne, musste er in sich hineinlächeln. Der kauzige Querdenker, der immer Klartext redet und nicht zu den kritiklosen Ja-Sagern gehört, welche als Ansammlung von ICH AGs mit großer Mehrheit die hermetisch abgeriegelte Luxusoase Paddock City bevölkern, hatte ohne Absicht mit der milden Strafe die Scheinwelt von FIA und Genossen bloßgestellt.

Wie so oft. Denn seit er mit der Netflix-Formel-1-Dokumentation „Drive to survive“ zum Kultstar wurde, den die Fans wegen seiner Flüche und Emotionen lieben, weil er so ist wie sie selbst, ist er zum Wertobjekt besonders der amerikanischen Chefvermarkter von Liberty geworden.Denn, die wissen: Steiner muss nicht nur plötzlich zahlreiche Autogramme schreiben und in Restaurants irgendwo auf der Welt zu Selfies herhalten – sie wissen auch: Nicht wegen der Stewarts, nicht wegen der Ja-Sager, nicht wegen den meisten Fahrer:

Wegen Typen wie Steiner mit dem eisernen Kreuz interessieren sich seit der Netflix-Doku immer mehr Menschen für die Formel 1.Mehr Fans bedeuten am Ende der Kette mehr Einnahmen. Um etwas anderes als den Profit geht es den Amerikanern nicht. Warum sollten sie sonst planen, 2020 mit Live-Wetten während der Rennen auch ins Glücksspiel einzusteigen? Denn dort gibt es den großen Gewinn. Image ist egal.

Steiner kennt seinen Wert. Er lächelt ironisch, wenn er sagt: „Eigentlich müssten sie (Liberty; d. Red.) mir Geld bezahlen. Aber ich bin eben so wie ich bin. Ich bin kein Schauspieler, der sich verstellt. Wenn ich was denke, muss es raus. Aber, ja, die Doku ist nicht gerade etwas, was meine Tochter anschauen sollte. Andererseits erziehen wir sie, dass sie immer treu zu ihren Werten stehen soll. Was anderes mache ich auch nicht. Schafe, die nur den anderen hinterherrennen, sehen doch nichts anderes als deren Ärsche.“

Dass er nicht nur ehrlich redet, sondern auch an Werte wie Gerechtigkeit glaubt, davon konnte sich Britta Röske, die heutige PR-Lady von Deutschlands Superstar Sebastian Vettel, ein ganz persönliches Bild machen.

Röske, 2005 als Novizin beim gerade neu gegründeten Red-Bull-Team aktiv, wurde von einer Kollegin gemobbt. Sie stand kurz vor der Kündigung. Steiner, obwohl damals als Technischer Direktor eigentlich nicht für Personalfragen des in Milton Keynes beheimateten Teams zuständig, mischte sich ein.

Aus Prinzip der Gerechtigkeit wegen. Schnell waren Gut und Böse entlarvt. Die Böse musste gehen. Röske konnte bleiben und landete später bei Vettel.Steiner mag Nonkonformisten, mag Menschen, die gegen den Strom schwimmen, mag Diskussionen und geht ergo keiner aus dem Weg. Deshalb will er vorneweg marschieren, seinen eigenen Weg gehen. Auch wenn es mal unangenehm wird.

„Ich respektiere es, wenn Leute mit mir diskutieren – das will ich sogar. Ich möchte keine Ja-Sager“, erklärt sich Steiner. „Um einen ehrlichen Dialog zu starten, muss ich der Ehrliche sein.“ Und, wie gesagt: Für die US-Vermarkter ist diese Einstellung sogar eine Dollardruck-Maschine.

*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.

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