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Pulverfass Red Bull: „Verstappen wie Schumacher“

Formel 1 Sergio Perez Max Verstappen Red Bull Aserbaidschan GP Baku 2023

Sergio Perez und Max Verstappen. Credit: Red Bull Content Pool

Durch Red Bulls Dominanz läuft alles auf einen WM-Zweikampf Perez vs. Verstappen hinaus. In Baku demonstriert der Weltmeister, wie kurz seine Zündschnur gerade ist.

Nein, Baku war wahrlich nicht das Wochenende des Max Verstappen: Auch in zwei Qualifyings schafft es der Weltmeister nicht, seinen Pole-Fluch auf dem Stadtkurs zu brechen. Im Sprintrennen am Samstag gerät er mit George Russell aneinander, wird nur Dritter. Immerhin der Grand Prix am Sonntag verläuft zunächst planmäßig, Verstappen geht früh in Führung – dann aber spuckt ihm auch hier das Safety-Car in die Suppe: Am Ende reicht es so nur zu Platz zwei hinter Sergio Perez.

Ausgerechnet der Teamkollege schlägt Verstappen und macht den WM-Kampf der überlegenen Red Bulls damit wieder spannend! Nur noch sechs Punkte trennen die beiden Stallgefährten nach dem vierten Lauf einer Weltmeisterschaft, die ob der dominanten Pace des RB19 wohl ein teaminterner Zweikampf werden dürfte.

„Das Gute ist, um Platz drei (in der WM; d. Red.) kämpfen Alonso, Leclerc und die Mercedes-Piloten. Da gibt es ein ewiges Hin und Her, dadurch ist unser Vorsprung recht gut“, weiß auch Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko, der seine Piloten entsprechend frei fahren lässt: „Es sind noch 19 Rennen, deshalb denken wir auch an keinerlei Teamorder“, bestätigt der Grazer.

Sergio Perez. Credit: Red Bull Content Pool

Doch wie lange kann das gutgehen? Spätestens seit dem Brasilien GP letztes Jahr scheinen die Bande zwischen Verstappen und Perez zerschnitten. „Es ist offensichtlich, dass sich die Verstappen-Seite einen neuen Teamkollegen wünscht, diese Gerüchte höre ich überall“, verrät Sky-Experte Ralf Schumacher. Ein offenes Geheimnis im Fahrerlager: Verstappen hätte lieber wieder Kumpel Daniel Ricciardo an seiner Seite, Red Bull hat den Australier 2023 zurückgeholt und bereits als dritten Fahrer in Stellung gebracht.

Perez fährt nur noch für sich selbst

Diese Konstellation hat allerdings noch einen anderen Effekt: „Perez weiß, dass seine Zeit bei Red Bull ablaufen wird. Deshalb wird er jetzt egoistischer“, urteilt Schumacher. „Er kämpft um seine Chance, vorne mitzugeigen, Siege einzufahren und ein Wörtchen um den Titel mitzureden.“ Das Management der Fahrer wird unter diesen Umständen zum Drahtseilakt. Noch scheinen die Red-Bull-Verantwortlichen die Situation unter Kontrolle zu haben: Was aber, wenn es auf der Strecke mal kracht zwischen den Teamrivalen?

Auffällig ist in Baku jedenfalls, wie sehr Verstappen nach dem für ihn unglücklich gelaufenen Grand Prix am Sonntag gute Miene zum bösen Spiel macht und das hervorragende Teamresultat und -klima lobt. Dass der Druck jedoch auch am Niederländer nicht spurlos vorbeigeht und wie seine wahre Gemütslage aussieht, wenn er nicht so nett sein muss wie zum Teamkollegen, bekommt am Samstag George Russell zu spüren: Am Briten lässt Verstappen seinen ganzen Frust über den vermurksten Sprint aus, beschimpft ihn im Parc fermé sogar als „Dummkopf“.

Sergio Perez. Credit: F1/Twitter

Für die hitzköpfige Reaktion kassiert Verstappen allerdings selbst eine Schelte von einem anderen Weltmeister: „Max ist ein schlechter Verlierer und ein Sturkopf“, schüttelt Damon Hill den Kopf. Dem Champion von 1996 missfällt vor allem der Ton des Niederländers: „Es gab schon einige interessante Kommentare von Max dieses Wochenende. Aber dieses Mindset konnte man auch bei Leuten wie Michael Schumacher oder Ayrton Senna sehen: Es gibt Fahrer, die einfach nicht akzeptieren können, dass sie irgendeinen Anteil an etwas haben, das passiert ist.“

Hill übt Kritik an Hitzkopf Verstappen

Bei Hill, 1994 Teamkollege von Senna und Rivale von Schumi, kommen dabei vor allem Erinnerungen an das kontroverse WM-Finale desselben Jahres in Adelaide hoch, das Schumacher damals mit einem Rempler gegen den Briten für sich entschied – und die Frage, ob diese Form von Rücksichtslosigkeit und übersteigertem Selbstverständnis vielleicht sogar zum Charakterzug eines großen Champions gehört?

„Ich weiß nicht, vielleicht bin ich deshalb auch kein großer Champion“, lacht Hill, „aber offenbar muss man diese Einstellung haben: ‚Ich bin im Recht, alle anderen liegen komplett falsch.‘ Ich persönlich stimme da jedoch nicht zu, weil man nicht immer alles richtig machen kann. Manchmal muss man auch danebenliegen.“ Geht es nach Hill, war Letzteres bei Verstappen in Baku gleich mehrmals der Fall: Macht der Ärger über den aufmüpfigen Teamkollegen und den fehlenden Nummer-1-Status, wie ihn Schumacher zum Beispiel bei Ferrari genoss, Verstappen blind vor Wut?

Hill jedenfalls findet: „Max ist hier das ganze Wochenende lang von der Rolle gewesen. Im Sprint ist er unter seinen Möglichkeiten gefahren, hinzu kommt diese ständige Kritik am neuen Format. Außerdem spricht er immer wieder davon, nicht länger fahren zu wollen als bis 30. Ich finde das alles etwas merkwürdig. Wieso redet er jetzt darüber, wo er gerade auf der Jagd nach seinem dritten Titel am Stück ist?“

Damon Hill. Credit: Sky Sports

Kurios: Am Sonntag treffen Hill und Verstappen dann auch ganz direkt aufeinander, der Brite führt die obligatorischen Siegerinterviews nach dem Rennen. Von Verstappens Rumpelstilzchen-Attitüde des Vortags ist dabei zwar nichts mehr zu merken, das Gespräch handeln beide aber trotzdem lieber kühl, kurz und professionell ab.

Immerhin: Eine letzte versteckte Rückendeckung aus seinem eigenen Team gibt es für Verstappen vor dem Abflug aus Aserbaidschan dann doch noch. Angesprochen auf die WM-Chancen seiner Fahrer, kommentiert Red-Bull-Berater Marko: „Beide unsere Piloten sind top, haben jeweils ihre Stärken: Sergio auf Stadtkursen und Max auf konventionellen Strecken…“

Heißt übersetzt: Bei Red Bull rechnet man intern damit, dass sich Verstappen wie schon in den Vorjahren über die Länge der Saison klar durchsetzt, sich das Stallduell dadurch ganz elegant von alleine löst. Denn konventionelle Strecken gibt es im 23 Rennen umfassenden F1-Kalender schließlich 15 Stück, Stadtkurse gerade einmal deren acht.

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Formel 1 Grand Prix von Aserbaidschan
Ergebnis

1. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull 1:32:42,436 Std.
2. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull +2,137 Sek.
3. Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari +21,217
4. Fernando Alonso (Spanien) – Aston Martin +22,024
5. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari +45,491
6. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes +46,145
7. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin +51,617
8. George Russell (Großbritannien) – Mercedes +1:14,240 Min.
9. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren +1:20,376
10. Yuki Tsunoda (Japan) – Alpha Tauri +1:23,862
11. Oscar Piastri (Australien) – McLaren +1:26,501
12. Alexander Albon (Thailand) – Williams +1:28,623
13. Kevin Magnussen (Dänemark) – Haas +1:29,729
14. Pierre Gasly (Frankreich) – Alpine +1:31,332
15. Esteban Ocon (Frankreich) – Alpine +1:37,794
16. Logan Sargeant (USA) – Williams +1:40,943
17. Nico Hülkenberg (Emmerich) – Haas + 1 Rd.
18. Valtteri Bottas (Finnland) – Alfa Romeo + 1 Rd.

Ausfälle:
Nyck de Vries (Niederlande) – Alpha Tauri (10. Rd.)
Zhou Guanyu (China) – Alfa Romeo (37. Rd.)

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