getyourguide

Grosser Preis von China 2019: Die Analyse

F1 Chinese Grand Prix 2019 Post Race PC

Mercedes feiert im dritten Rennen der Saison den dritten Doppelsieg. Das gab es in der Formel 1 zuletzt 1992 für das damals überlegene Williams-Team. Hier gibt es die Ergebnisse.

Die Renn-Analyse

Valtteri Bottas haderte nach dem Rennen mit seiner Pole Position vom Samstag: „Für mich lief es heute enttäuschend. Das Problem begann schon in der Aufwärmrunde. Vor meiner Startbox war eine dicke weiße Linie (die Start- und Ziellinie; d. Red.), bereits beim Vorstart hatte ich dort durchdrehende Räder“, erklärt Bottas. Die Hoffnungen des Finnen, dass es mit aufgewärmten Reifen beim Rennstart besser wird, erfüllen sich nicht. „Ich hatte wieder Wheelspin, dadurch habe ich zu viel Zeit und entscheidende Meter verloren. Da hat mich Lewis gekriegt.“

Bitter für Bottas: Seine starke Pole vom Samstag wird ihm damit zum Verhängnis. Eine Chance zum Konter bietet sich dem bis dato WM-Führenden nicht mehr. „Im ersten Stint war unsere Pace gleich, aber mit der schmutzigen Luft hinter Lewis konnte ich ihm nicht folgen“, sagt Bottas.

Credit: Mercedes

Auch Hamilton, der nach dem Sieg nun sechs Punkte vor seinem Teamkollegen die WM anführt, räumt ein: „Der Start hat heute den Unterschied gemacht. Danach war das Rennen eigentlich schon Geschichte. Als ich erstmal vorne war, hatte ich die Kontrolle.“

Extralob gibt es dafür von Ex-Rivale Nico Rosberg. „Im Training ist er noch etwas demotiviert. Wenn’s aber drauf ankommt, kommt Lewis zurück und haut einen raus“, zeigt sich der Deutsche beeindruckt.

Und Ferrari?

Ferrari hat zwei Grundprobleme. Das ist schon nach dem dritten Saisonrennen in China klar geworden. Erstens: Der SF 90H funktioniert nur dann optimal, wenn er perfekte Rahmenbedingungen hat. Zweitens: Mit dem jungen Charles Leclerc (20) hat sich die Scuderia einen Teamkollegen für Sebastian Vettel ins Haus geholt, der schon im dritten Rennen kein Lehrling mehr sein will, sondern Meister.Er begehrt auf, unterwirft sich nur widerwillig der Teamentscheidung, den in Shanghaivermeintlich schnelleren Vettel vorbei zu lassen. Fest steht: Die Harmonie im Team ist schon nach dem dritten Rennen nicht mehr rosarot. Dunkle, schwarze Stimmungswolken zogen in China auf und die könnten bald zum stürmischen Gewitter werden.

Kommen wir zum Auto. Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer (67) glaubt die Probleme des Ferrari zu erkennen. Der Schweizer zu ABMS und F1 Insider: „Ferrari hat im Vergleich zu Mercedes ein Auto gebaut, das weniger Abtrieb hat. Damit hast du zwar einen Vorteil auf den Geraden, aber einen Nachteil besonders in langsamen und mittelschnellen Kurven. Ferrari braucht deshalb entweder hohe Asphalttemperaturen wie in Bahrain oder einen extrem rauen Streckenbelag wie in Barcelona, um die Reifen ins optimale Arbeitsfenster zu bekommen. Deshalb waren sie in Spanien beim Wintertest so stark und auch in Bahrain überlegen. Nicht aber in Melbourne oder jetzt in China.“

Surer weiter: „Dort rutschte das Auto zu viel, die Reifen entwickelten zu wenig Grip und bauten deshalb zu schnell ab. Wenn es in Baku in 14 Tagen ebenfalls kühler ist, dann sehe ich dort auch schwarz für die Roten. Denn der Stadtkurs hat viel zu viele langsame Kurven, wo sie entscheidende Zeit verlieren werden. Ferrari muss für die Zukunft sein Konzept eventuell überdenken, denn ich bin nicht sicher, um es genug Rennen geben wird, die genau ins Ferrari-Schema passen.“


Charles Leclerc war nicht happy mit der Teamorder. Credit: Ferrari

Sebastian Vettel und Teamchef Mattia Binotto (49) geben Surer zum Teil recht. „Wir verlieren die Zeit in den Kurven“, sagt der Deutsche, „da ist Mercedes im Moment viel stärker.“ Und Binotto erklärt: „Wir müssen erst mal zuhause in Maranello die Daten studieren, um zu wissen, warum wir in China zu langsam waren. Aber Shanghai war ein Rennen, man muss an die ganze Saison denken. Ich denke, die Kräfteverhältnisse können sich Wochenende für Wochenende verschieben.“Das zweite Problem ist vielleicht sogar schwieriger zu lösen. Der interne Kampf zwischen Altmeister Vettel und dem aufstrebenden Ferrari-Youngster Leclerc droht schon bald zum erbitterten Stallduell zu werden. Grund: Leclerc muckt jetzt schon auf und will sich nicht mit der ihm eigentlich zugedachten Helferrolle für den vierfachen Weltmeister abfinden. Das wurde in China mehr als deutlich. Schon während des Rennens bezweifelte der Monegasse, dass der wegen eines verlorenen Starts direkt hinter ihm fahrende Vettel wirklich schneller war und stellte die Entscheidung der Box teils ironisch infrage, den Deutschen vorbeizulassen.

Er wirkte auch nach dem Rennen noch verärgert. „Bevor ich etwas Unüberlegtes sage, will ich mir erst mal die Daten anschauen“, gab er vielsagend mit versteinertem Blick zu Protokoll. „Ich muss das komplette Bild verstehen und mit den Ingenieuren sprechen, um die Entscheidung zu verstehen. Ich bin mir sicher, dass es eine Erklärung dafür gibt.“Mit bloßem Auge aber zu erkennen: Vettel hing seinem Teamkollegen rundenlang im Getriebe und ruinierte sich die Reifen. Klar, dass er nach dem Platztausch keinen großen Vorsprung mehr rausfahren konnte. Perfekt durchgezogen hätte die Stallorder demnach früher kommen müssen.Vettel selbst sagt: „Ich hing im ersten Stint hinter Charles fest, hab mit Sicherheit meine Reifen nicht schonen können. Dann habe ich mich zunächst schwergetan, die Pace zu gehen, die ich konnte.“

Fest steht: Leclerc verlor durch die Ferrari-Strategie den vierten Platz an Red Bulls Max Verstappen. Die Konkurrenz profitierte also schon in China vom Teamscharmützel. „Sagen wir mal so“, erklärt Red-Bull-Chefberater Helmut Marko (75) gegenüber ABMS, „Ferrari hat nicht so glücklich agiert. Es war jedenfalls zu unserem Vorteil.“Binotto steht aber zu der Entscheidung. „Charles hat das Recht enttäuscht zu sein, ich verstehe seine Gefühle. Aber Seb war schneller und wir mussten ihm einfach die Möglichkeit geben, den Mercedes besser zu folgen. Das nächste Mal könnte es auch eine Entscheidung geben, die zum Vorteil für Charles ist.“

Was Leclerc vergisst: In Melbourne und China war Vettel grundsätzlich in allen Sitzungen der schnellere Ferrari-Pilot. Nur in Bahrain war es Leclerc, der dominierte.Allein: Für die Zuschauer bietet das Ferrari-Duell eine Menge Zündstoff. „Es wird immer eng werden zwischen den beiden“, stellt Ex-Ferrari-Pilot Gerhard Berger (59) schmunzelnd fest, „da können wir uns auf ein spannendes Stallduell freuen.“Der Tiroler rät aber Ferrari, nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Berger zu ABMS: „Fakt ist, dass sie in Bahrain überlegen waren und zumindest Bottas in China in Reichweite war. Nur Hamilton fuhr in einer anderen Liga. Ferrari muss jetzt cool bleiben und ruhig weiterarbeiten. Dafür ist Binotto auch genau der richtige Mann. Und wenn es stimmt, dass Ferrari höhere Temperaturen braucht, dann könnten sie im Sommer, wo es meistens heiß wird, Vorteile haben.“ null

Fahrer Stand

POSDRIVERPOINTS
1Lewis Hamilton68
2Valtteri Bottas62
3Max Verstappen39
4Sebastian Vettel37
5Charles Leclerc36
6Pierre Gasly13
7Kimi Raikkonen12
8Lando Norris8
9Kevin Magnussen8
10Nico Hulkenberg6
11Daniel Ricciardo6
12Sergio Perez5
13Alexander Albon3
14Lance Stroll2
15Daniil Kvyat1
16Antonio Giovinazzi0
17Romain Grosjean0
18Carlos Sainz Jr.0
19George Russell0
20Robert Kubica0

Konstrukteurswertung

POSCONSTRUCTORPOINTS
1Mercedes130
2Ferrari73
3Red Bull/Honda52
4Renault12
5Alfa Romeo/Ferrari12
6Haas/Ferrari8
7McLaren/Renault8
8Racing Point/Mercedes7
9Toro Rosso/Honda4
10Williams/Mercedes0

Qualifying-Analyse:

Die Formel 1 2019 bleibt auch nach dem Qualifying in Shanghai sogar für die Topmanager der Topteams ein Rätsel. Red Bulls Chefberater Dr. Helmut Marko kann sich die neue Stärke von Mercedes in China nach dem schwächeren Wochenende in Bahrain nicht erklären. Marko zu ABMS: „Im dritten Sektor haben sie uns eine halbe Sekunde gegeben.

Das hat was mit schierer Kraft beim Beschleunigen zu tun. Mercedes muss wieder etwas am Motor gefunden haben.“ Damit widerspricht er Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der in Bahrain einen extremen Powervorteil von Ferrari festgestellt hat.

Fest steht: Der Verfolgungswahn in der Formel 1 ist im Moment extrem ausgeprägt. Was auch Marko bemerkt: „Es herrscht im Fahrerlager große Anspannung. Jeder ist extrem gereizt und nervös. Wahrscheinlich, weil niemand die wahren Kräfteverhältnisse am Ende endgültig einordnen kann.“


Das Duell Rot gegen Silber geht im Rennen weiter… Credit: ABMS

Wenigstens in dieser Beziehung gibt Wolff Marko recht. Trotz Doppelpole von seinen Piloten Valtteri Bottas und Lewis Hamilton traut er dem Frieden noch nicht. „Es wird kein Spaziergang für uns. Ich denke, fünf Fahrer können am Sonntag gewinnen.“

Wen er meint: Seine beiden Fahrer, beide Ferrari-Piloten und Red Bulls Max Verstappen. Es ist kein Zufall, dass nur diese Fünf das Rennen unter den Top Ten mit den Mediumreifen beginnen. Alle anderen aus dieser Gruppe müssen mit den Soft-Reifen starten, die schneller abbauen.

Für Sebastian Vettel gibt es zumindest eine gute Nachricht. Nach der deftigen Niederlage gegen seinen Teamkollegen Charles Leclerc in Bahrain war er wie beim Auftakt in Melbourne wieder schneller.

Für die fast vier Zehntel Rückstand gegenüber Mercedes könnte es eine Erklärung geben. Ferrari wählte eine Abstimmung, die im Rennen einen Geschwindigkeitsvorteil auf der circa einen Kilometer langen Geraden ergibt.

Mercedes wählte mehr Abtrieb, um in den Kurven schneller zu sein. Die Zahlen belegen: Im Qualifying war Vettel beim Topspeed bis zu zehn Kilometer schneller als die Silberpfeile – die wiederum holten ihren Rückstand in den Kurven besonders im zweiten Sektor mehr als auf.

Wer im Rennen dadurch einen Vorteil hat, ist völlig offen. Mercedes muss versuchen, nicht nur den Start zu gewinnen, sondern bis zur dritten Runde, ab der DRS freigegeben wird, Ferrari aus dem Sekunden-Fenster zu halten, in dem der Heckflügel heruntergeklappt werden darf. Ansonsten werden sie die Flucht nach vorne antreten müssen, um Vettel und Leclerc hinter sich zu halten. „Es gibt mehrere Optionen, Mercedes im Rennen unter Druck zu setzen“, hofft deshalb der Heppenheimer.

Was den Umgang mit den Reifen betrifft, gaben die Long Runs am Freitag noch keinen endgültigen Aufschluss. Mercedes, Red Bull und Ferrari waren da auf Augenhöhe. Spannung für Sonntag ist garantiert.

*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.

F1-Insider folgen

Verwandte Artikel

Die mobile Version verlassen