getyourguide

Mercedes vs. Ferrari: Kampf der Konzepte

Hamilton vor Vettel in China. Copyright: Mercedes

Hamilton vor Vettel in China. Copyright: Mercedes

Mercedes ist vorn, Ferrari ist auf Schlagdistanz und Red Bull wieder da. Das ist das Fazit nach dem ersten Traingstag beim Grand Prix der Formel 1 von China.

Fest steht jetzt schon: Die Überlegenheit von Mercedes schwankt von Strecke zu Strecke. Auf einer schnellen Runde ist der Silberpfeil überall unschlagbar, auf die Renndistanz gesehen nicht unbedingt. Grund: Mercedes ist mit dem neuen Auto in die Motorfalle geraten. Soll heissen: Die Silberpfeil-Techniker haben unterschätzt, dass Ferrari über den Winter den gewaltigen PS-Rückstand aufholen könnte.

Deshalb wurde der W06 „in seiner DNA auf extrem Abtrieb konstruiert“, wie Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zugibt. Folge: Extrem schnelle Kurvengeschwindigkeiten sind möglich, die gehen allerdings auf Kosten der Höchstgeschwindigkeit. Das Problem dabei: Speziell die Italiener haben nicht nur 80 PS-Rückstand für diese Saison auf die Hälfte verkürzt – der Ferrari-Motor ist zudem wesentlich fahrbarer geworden. Dazu kommt: Chefdesigner James Allison ging genau den entgegengesetzten Weg wie sein Kollege Aldo Costa von Mercedes. Der Ferrari SF-15T ist zwar in den Kurven nicht so schnell wie der Mercedes, hat aber in der Höchstgeschwindigkeit gleichgezogen – weil er von Hause aus  einen besseren CW-Wert hat als der Silberpfeil.

Die Folge: Der Ferrari bringt die Reifen grundsätzlich langsamer auf Betriebstemperatur, dafür halten sie aber länger. Besonders die Hinterreifen stellen bei Mercedes eine Problemzone da. Auf Strecken wie Bahrain, Kanada, Barcelona oder Monte Carlo muss Mercedes damit rechnen, dass Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen grundsätzlich einen Stopp weniger machen können als Lewis Hamilton und Nico Rosberg. In Malaysia vor zwei Wochen kam noch die extrem hohe Streckentemperatur dazu. Ab 45 Grad auf dem Asphalt wird es für Mercedes kritisch. Der extrem hohe Reifenverschleiß der Silberpfeile und der damit verbundene Boxenstopp mehr war dort der Schlüssel zu Vettels Sieg.

Es gibt noch eine Tendenz: Je weicher die Reifenmischung ist, desto besser für Ferrari. Während Mercedes sich von der härteren Mischung zur nächst weicheren auf eine Runde gesehen nur um 0,7 Sekunden steigern kann, können die Ferraris im Durchschnitt 1,7 Sekunden zulegen. Das ist besonders fürs Qualifying ein wichtiger Aspekt.

In China hat Ferrari allerdings unter normalen Umständen keine Siegchance gegen Mercedes. Der Rückstand fürs Qualifying wird bei knapp einer Sekunde liegen, so die Hochrechnungen aus dem Freitagstraining. Auch im Renntrim war der Mercedes deutlich (bis zu 0,5 Sekunden/Runde) schneller, weil die Reifen diesmal hielten. Deshalb kann es nur Ferraris Ziel sein, direkt hinter den Mercedes ins Ziel zu kommen, um dann in Bahrain und Barcelona wieder auf Sieg zu fahren.

Allerdings: In China könnte Red Bull den Ferrari-Plan stören. Denn trotz eines immensen Rückstandes von 80 PS auf Seiten des Red-Bull-Partners Renault, hinterließ besonders Daniel Ricciardo einen bärenstarken Eindruck. Besonders im Rennen könnte der Australier eine Gefahr für die beiden Ferraris werden. Grund: Der Red Bull kann vermutlich am längsten mit den Softreifen fahren. Was ein großer Vorteil ist, denn die weichere der beiden Mischungen wird in China im Rennen zu zwei Dritteln benutzt – mit ihnen kann man den entscheidenden Vorteil herausfahren.

Den extremen Aufwärtstrend bestätigt auch Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko zu F1-insider.com: „Besonders die Long-Run-Zeiten geben Grund optimistisch zu sein. Dazu kommt: Wir haben einige neue Teile am Auto, die auf Anhieb funktionierten.“ Vorrausetzung für einen Podiumsplatz sei aber ein Platz unter den ersten Fünf im Qualifying. Sonst verliere man zuviel Zeit im Verkehr. Die drittbeste Zeit Ricciardos im zweiten Freitagtraining jedenfalls zeigt, dass dieses Ziel realistisch ist.

Nico Rosberg und Sebastian Vettel müssen jedenfalls gewarnt sein. Beide haben ihre schnellste Runde auf weichen Reifen „nicht zusammenbekommen“. Wenn das in der Qualifikation erneut passiert, starten sie ganz schnell mal nur von Rang fünf. Und dann sind die Siegchancen theoretisch gleich null – auch für Rosberg.

Hier die Aussagen der Protagonisten vom Freitagstraining:

Lewis Hamilton (Mercedes/P1): „Im Vergleich zum Freitag in Malaysia haben wir uns heute definitiv gesteigert. Es war gut, beide Sessions zu fahren – jetzt bin ich in einer stärkeren Position. Das Team hat unglaublich gut gearbeitet, um einige Verbesserungen für das Auto zu finden. Die Balance ist viel besser als beim letzten Rennen und es fühlte sich insgesamt richtig gut an. Ich weiß nicht genau, wie lange ich auf jeder Reifenmischung gefahren bin, aber es fühlte sich auf den längeren als auch den kürzeren Runs gut an. Die Prime-Reifen fühlten sich nicht ganz so gut wie die Options an, aber ich muss erst die Daten analysieren, um zu sehen, wo wir im Vergleich zu den anderen liegen. Es war ziemlich eng zwischen Ferrari und uns. Sie sehen genauso schnell aus wie beim letzten Mal. Auch Nico war schnell. Uns erwartet also ein Kampf. Ich habe das Gefühl, dass ich einige Verbesserungen machen muss. Ich glaube aber, dass wir die Pace haben, um vorne zu bleiben.“ 

Nico Rosberg (Mercedes/P5):Es scheint, als ob wir auf einer Runde sehr schnell sind. Leider habe ich meine Runde auf den weicheren Reifen nicht zusammenbekommen. Ich probierte in der letzten Kurve eine andere Linie über das Gras aus – das stellte sich als nicht sehr schnell heraus! Klarerweise war das nicht ideal und kostete mich eine gute Runde. Aber Lewis hat gezeigt, welche Pace im Auto steckt. Für den Long Run müssen wir erst die Daten analysieren, um zu sehen, wo wir stehen, aber Ferrari scheint wieder sehr stark zu sein. Am Vormittag habe ich einen neuen Frontflügel getestet und wir haben viele Daten gesammelt. Somit war es ein sehr nützliches Training für uns. Jetzt erwartet uns eine lange Nacht mit den Ingenieuren, um das beste Setup für das Rennen am Sonntag zu finden.“ 

Sebastian Vettel (Ferrari/P4):  Heute war ein normaler Tag – mit einem kleinen Dreher… Die Lücke zu Mercedes ist sehr groß, deswegen ist es unser Ziel, uns direkt hinter Mercedes einzureihen. Ob wir mit ihnen um die Pole kämpfen werden? Man darf nicht vergessen, dass die Strecke hier ganz anders ist als in Malaysia, es ist viel kälter. Wichtig ist, dass wir nun auf uns selbst schauen und unsere Hausarbeiten für morgen machen. Ich denke, wir können noch einiges verbessern, um dann so dicht wie  möglich an den Mercedes dran zu sein, aber vorbeizuziehen ist schwer. Was die Reifen betrifft, hatte ich den Eindruck, dass alle mit den weichen, als auch mit den härteren Reifen gut zurechtkamen, aber ich schaue mir die Details gleich im Meeting an.

F1-Insider folgen

Verwandte Artikel

Die mobile Version verlassen