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Mercedes W11: Das UFO aus einer anderen Welt

Mercedes Formel 1 Barcelona Test

Mercedes Formel 1 Barcelona Test. Credit: Mercedes

Formel-1-Reporter Ralf Bach schreibt in seiner Kolumne über das spektakuläre Lenkungs-System von Mercedes

Stellen Sie sich vor: Sie glauben gut vorbereitet in den Krieg zu ziehen und dann stellen sie beim ersten Manöver fest: Die Konkurrenz hat eine neue Wunderwaffe, von der man vorher keine Ahnung hatte.

Man ist wie gelähmt, mit dem beschleichenden Gefühl, die Schlacht schon verloren zu haben, bevor sie überhaupt losgeht.

So ging es Ferrari, Red-Bull und Co. Als sie am Donnerstag beim Test in Barcelona das erste Mal die Onboard-Aufnahmen von Lewis Hamilton sehen konnten, standen sie gleichermaßen fasziniert und ungläubig vor den Bildschirmen. Der Brite zog sein Lenkrad plötzlich wie ein Jet-Pilot beim Starten nach hinten und drückte es in der Bremsphase wieder nach vorne. Gleichzeitig änderte sich vorne die Stellung der Vorderräder.

Was war DAS?

Ein Ding aus einer anderen Welt. DAS stand in den Gesichtern geschrieben. Wenig später erklärten die Silberpfeil-Bauer, was die anderen wie ein UFO (Unbekanntes Fahr-Objekt) betrachteten. Das Ding aus einer anderen Welt hatte einen Namen: DAS oder Dual Axis-Steering.

Heißt: Per Lenkrad können die Piloten während der Fahrt Spur und/oder Sturz (das ist irgendwie immer noch nicht ganz klar) verstellen und damit auch die Auflageflächen der Reifen.

Es dauerte nicht lange, da löste Skepsis das Erstaunen ab. Red Bull glaubt immer noch nicht an die Legalität des Systems. Es erinnere zu sehr in der Funktionsweise einer verbotenen aktiven Radaufhängung.

Besonders beim Einlenken in engen Kurven hätte Mercedes durch das System einen extremen Vorteil – weil die Vorderreifen immer im optimalen Temperaturfenster seien und so das kaum zu unterbindende, lästige Untersteuern verhindern. Ferrari wolle beim Saisonauftakt in Melbourne Protest einlegen, dem sich die Österreicher anschließen würden, heißt es.

Sowohl für Mercedes als auch die FIA aber ist das UFO legal. Die FIA verbietet ein System der besonderen Mercedes-Art erst ab 2021 – indem sie den Lenkradparagraphen genau definieren. 2020 gibt es in der Formulierung noch ein Schlupfloch, das Mercedes genial ausnutzte. 

Allein: Formel 1 ist auch immer noch innovative Ingenieurskunst, in der die Daniel Düsentriebs der Königsklasse belohnt werden sollten, wenn sie trotz gleich bleibendem Reglement einen Stein der Weisen finden.

Haas-Teamchef Günter Steiner spricht mir aus dem Herzen, wenn er sagt: „Diese besondere Erfindergabe gehört zur DNA der Formel 1. Das ist doch das, was wir alle sehen wollen. Natürlich können sich kleinere Teams wie wir uns die Entwicklung solcher Systeme nicht leisten. Wer weiß, wie viel Leute auch in Stuttgart daran gearbeitet haben. Aber das ist nicht verboten.“

Allein: Ich glaube nicht, dass Mercedes sein UFO überhaupt braucht, um zu gewinnen. Für mich setzten die Silberpfeile auch ein politisches Zeichen.

Hauptsächlich in Richtung Ferrari. Hintergrund: 2019 kam die Scuderia immer wieder ins Visier der Regelhüter, weil ihr Antriebsstrang in der verbotenen roten Zone des Reglements gearbeitet haben soll – und nicht im legalen Graubereich wie das Daimler-DAS.

Frei nach dem Motto: Fordert uns nicht heraus, sonst wecken wir den Technikriesen, der in uns schlummert.

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