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Porsche: „Die Formel 1 ist eine attraktive Bühne, aber…“

Porsche Sean Bull Design Thomas Laudenbach

Credit: Montage; Porsche; Sean Bull Design

In Daytona hat Porsche seinen neuen 963 auf Herz und Nieren getestet. F1-Insider.com traf im Mekka des US-Motorsports Porsche-Sportchef Thomas Laudenbach. Unsere Themen: Sportwagen, Formel 1, Formel E und DTM

Herr Laudenbach, Sie bringen gerade den neuen 936 zur Rennreife. Fühlen Sie sich dabei ein bisschen auch wie der Vater eines neugeborenen Babys? 
Thomas Laudenbach (lacht): Der 963 ist zwar jetzt schon etwas länger auf den Rädern, aber es ist doch immer wieder superspannend. Es ist ein neues Auto und ich glaube sogar, wir haben damit die Chance auf eine neue Ära im Langstreckensport. Ich freue mich drauf, habe aber auch Respekt davor und weiß, dass da noch viele Hürden zu nehmen sind.

Wie wichtig ist das Projekt grundsätzlich für Porsche? 
Wenn man in die Historie schaut, ist der Langstreckensport ein Teil von Porsche. Das heißt nicht, das wir nicht auch andere Dinge tun, aber der Langstreckensport ist unser Zuhause und Le Mans wird oft als „unser Wohnzimmer“ bezeichnet. Insofern ist es sicherlich ein besonderes Projekt, weil es wieder zurück in die Top-Klasse der Langstrecke geht. Und weil wir an etwas anknüpfen, was schon einmal da war: die Zeit der Porsche 956 und 962. Wir sind derzeit der einzige Hersteller, der Kundenautos anbietet. Auf diese Kombination sind wir stolz, auch wenn es uns das Leben nicht einfacher macht.

Thomas Laudenbach, Leiter Porsche Motorsport

Alle schauen auf den 100. Geburtstag der 24 Stunden von Le Mans. Porsche jagt den 20. Sieg. Sie spüren den Druck?
Druck hat man immer im Motorsport. Wir machen das nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil uns dieser Sport einen Mehrwert für das Unternehmen und die Marke bieten soll. Die Erwartungshaltung in unserem Haus ist auch sehr klar. Die wird eindeutig formuliert.

Wie?
Man erwartet von uns Siege. Das ist unser Anspruch als Marke Porsche. Wir fahren sicher nicht irgendwo mit, nur um dabei zu sein. Dass das nicht so einfach wird, ist aber auch klar. Zum einen gibt es viele Wettbewerber, von denen viele Erfahrung in Le Mans haben. Wir haben ein neues Reglement. Wir haben zum ersten Mal in der WEC eine Balance of Performance in der Top-Klasse. Man muss ein Auto haben, das unter allen Bedingungen gut funktioniert. Man darf im Rennen keine Fehler machen – auch taktisch nicht. Das sind ganz viele Kleinigkeiten, die am Schluss entscheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Seriensieger geben wird.

Hier in Daytona werden die Hypercars (LMH) nicht fahren. Sind die Ziele damit in der IMSA noch höher gesteckt?
Nein. Grundsätzlich haben wir den Anspruch, in beiden Serien erfolgreich zu sein, um Siege mitzufahren und sie auch zu erringen. 
Wir sind nicht so arrogant zu glauben: Wir kommen hier hin und fahren alles in Grund und Boden. Aber als Ziel haben wir ganz klar in beiden Serien das Gleiche.

Porsche 963. Credit: Porsche

Welche sind die größten Herausforderungen? Das Chassis kommt ja von Multimatic, Elektromaschine und Getriebe sind Einheitsbauteile. 
Die Herausforderungen sind grundsätzlich erstmal so, wie in jedem anderen Fahrzeugprojekt auch. Der Entwicklungsablauf ist sicher besonders, weil man als einen der Partner einen Chassis-Hersteller hat, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten. Die Einheitsbauteile nehmen uns Entwicklungsarbeit ab,  machen es aber auch komplexer, weil man mehr beteiligte Partner hat. Das ist eine Herausforderung, zu der wir voll und ganz stehen, denn Motorsport muss auch finanziell nachhaltig sein. Jetzt kommen wir in die Phase, in der wir schauen müssen, dass das Auto perfekt wird. Das wird schon sportlich bis Daytona. Und da muss man ehrlich sein: Ich bin nicht ganz zufrieden, wo wir zeitlich stehen. Wenn ich mir einen idealen Entwicklungsablauf anschaue, wäre ich zum jetzigen Zeitpunkt gerne weiter gewesen.

Im Motorsport geht es immer auch im technische Innovationen und Nachhaltigkeit. Wie passt da das LMDh-Konzept rein?
Es ist wichtig, dass wir einen Hybridantrieb haben. Daraus können wir viel lernen, auch wenn die E-Maschine eine Einheitsbauteil ist. Bei der Integration von Steuerungstechnik, Software, Kühlung und aller Bauteile lernt man immer noch viel. Ganz grundsätzlich gilt aus Porsche-Sicht: Wir arbeiten in der Serie mit Verbrennern, mit Elektroantrieben und mit Hybrid-Antrieben. Deshalb muss man den Beitrag in Bezug auf Innovationen immer in der Summe sehen. Wir arbeiten entsprechend mit drei Säulen. Wir engagieren uns im GT-Sport und unseren Markenpokalen mit Verbrennungsmotoren, in der Formel E mit rein elektrischem Antrieb und eben hier mit einem Hybrid. Und dadurch, dass wir im Entwicklungszentrum integriert sind, haben wir einen automatischen Austausch zwischen Ingenieuren, die an Straßenautos arbeiten und denen, die an Rennwagen arbeiten.

Sie haben die Formel E angesprochen. Dort startet Mitte Januar in Mexiko die neue Saison. Ist auch da der Titel in Ihrer vierte Saison als Werksteam das Ziel?
Wir sind mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden.  Wir haben einen höheren Anspruch, und dem wollen wir im kommenden Jahr auch gerecht werden. Wir gehen natürlich in jedes Rennwochenende, um zu gewinnen. Das war noch nie anders. Aber wir sind auch realistisch. Die Formel E ist ein unheimlich enger Wettbewerb. Natürlich wollen wir Rennen gewinnen. Aber wir wollen uns auch regelmäßig in den Punkterängen platzieren, damit wir um die Meisterschaft mitfahren können, denn das ist der Schlüssel in dieser Serie. Das ist uns in der letzten Saison nur in der 1. Hälfte gelungen. Das muss also besser werden.

Porsche 99X electric. Credit: Porsche

Welchen Stellenwert hat die Formel E für Porsche?
Wenn man Motorsport betreibt – und das wurde bei Porsche nie in Frage gestellt – muss er eine Relevanz haben. Und da bin ich wieder bei unseren drei Säulen. Grundsätzlich gibt es weder national noch international eine Rennserie, die vollelektrisch auf diesem Niveau Rennen fährt. Deshalb antworte ich mit „sehr wichtig“. Ansonsten würde man diese Säule nicht bedienen. Porsche hat einen Fahrplan kommuniziert. Der lautet: In 2025 möchten wir gerne rund 50 Prozent unserer Fahrzeuge mit einem elektrischen Antrieb ausliefern, für 2030 haben wir die Ambition, diesen Anteil auf bis zu 80 Prozent zu steigern. Wenn man dies als Strategie des Unternehmens sieht, und gleichzeitig Motorsport als relevant betrachtet, dann wäre es schwierig zu sagen: E-Motorsport ignoriere ich. Da muss ich auch zurück zur IAA 2021 blicken. Auf der wichtigsten deutschen Automobilmesse stand mit unserem Mission R die Vision eines vollelektrischen Kunden-Rennfahrzeugs als Flaggschiff. Das war ein starkes Statement.

Wie interessiert waren sie angesichts dessen an der Entwicklung der Elektro-DTM?
Grundsätzlich schauen wir uns bei Porsche jede Aktivität an, die E-Mobilität in den Motorsport bringen will. Das gilt für das, was die SRO gerade macht, was die FIA in Sachen E-GT unternimmt und eben auch die E-DTM. Aber ich tue mich schwer damit, beispielsweise mit einem solchen Einheitsauto zu fahren. Das habe ich klar kommuniziert. Wir sind ja bereits in Serien engagiert, wo die technischen Freiheiten stark eingeschränkt sind. Aber nur noch einen Aufkleber aufs Auto zu kleben, das kann ich mir für Porsche nicht vorstellen.

Die klassische DTM wird vom ADAC übernommen. Wie bewerten Sie diese Veränderung nach Ihrem ersten Sieg in der Serie?
Zunächst einmal: Es gibt nicht viele Rennen, wo ich nach einem Sieg gleich einen Anruf aus der obersten  Etage bekomme. Das hat einfach Spaß gemacht und natürlich freuen wir uns über Siege im Kundensport. Zur Zukunft: Ich finde es toll, dass wir dank der Übernahme durch den ADAC eine starke GT-Veranstaltung bekommen. Die Kombination aus Sprintrennen für den Nachwuchs in der GT4, der neuen DTM Endurance nach GT Masters-Vorbild und der DTM als Spitze des deutschen GT-Sports gefällt mir sehr.

Zum Schluss zur Königsklasse: Wie traurig waren Sie, als Red Bull die anstehende Kooperation gecancelt hat?
Da gibt es nichts weiter zu sagen (lacht). Das Thema ist einfach nicht zustande gekommen.

Ist das Thema Formel 1 für Porsche nun komplett vom Tisch?
Die Tatsache, dass die Zusammenarbeit mit Red Bull nicht zustande gekommen ist, heißt ja nicht, dass die Formel 1 nicht trotzdem interessant ist. Wichtig ist, dass es passt. Wenn das nicht der Fall ist, dann lieber gar nicht. Die Bühne Formel 1 ist jedenfalls sehr attraktiv. Deshalb haben wir unseren Vertrag für den Porsche Supercup als Markenpokal im Umfeld der Formel 1 auch gerade um acht Jahre verlängert.

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