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So schwer hat es Vettel bei Ferrari

Ferrari Team 2020

Ferrari Team 2020

Unser Formel-1-Experte Ralf Bach hat sich die Ferrari-Präsentation genau angeschaut und vermutet, dass 2020 schwer wird für Sebastian Vettel

Ferrari rief die Geister der Vergangenheit als Verbündete auf. Das ewig unter Druck stehende Kultteam aus Italien wählte wohl bewusst das antike Teatro Valli in der Reggio Emilia als Geburtstermin des SF1000, der in der Formel-1-Saison den ersten WM-Titel seit 2007 nach Maranello bringen soll. Damals gewann der Finne Kimi Räikkönen die so begehrte Meisterschaft das letzte Mal für die Scuderia.

Nun will Ferrari wieder Geschichte schreiben. Die Zahl 1000 ziert den Namen deshalb, weil die Scuderia seit Gründung der Formel 1 im Jahre 1950 an 991 WM-Rennen teilgenommen hat. Heißt: In dieser Saison wird das Traditionsteam den 1000. GP bestreiten. Im Teatro Valli indes wurde vor 223 Jahren die Tricolore, die italienische Nationalflagge, geboren. Ferrari präsentiert sich als also italienisches Nationalteam, als Stolz aller Tifosi. Gleichberechtigt mit der Squadra Azzura, der italienischen Fußball-Nationalmannschaft. 

Mittendrin und trotzdem irgendwie außen vor wirkte Sebastian Vettel (32), der weiß: Mit pompösen Opernklängen alleine und Geistern der Vergangenheit gewinnt man keine WM gegen die nüchternen Technokraten von Mercedes und die Zeitgeist-Versteher von Red Bull.

Allein: Der Heppenheimer gab sich alle Mühe, bei dem Theater im Theater mitzumachen, aber so ganz gelang es ihm nicht. Er lächelte sein Unwohlsein locker weg, doch seine Körpersprache sprach aus, was sein extrem gespannter Ferrari-Zwirn vermittelte: Der vierfache Weltmeister fühlt sich nicht mehr so wohl bei Ferrari wie einst. Wie 2015 zum Beispiel, als er als neuer Messias nach Italien gekommen und entsprechend hofiert worden war. Als er noch fest im Sattel des springenden Pferds saß und sein damaliger Teamkollege Kimi Räikkönen als edler Steigbügelhalter des Heppenheimers galt.

Vettel weiß: Seine Zeit bei den Italienern neigt sich dem Ende entgegen. Ferrari hat mit Charles Leclerc einen neuen Heilsbringer gefunden, dem die Zukunft gehört. Als Fiat- und Ferrari-Chef John Elkann ihm also die italienische Nationalflagge umhängen wollte, ließ er sie sofort hinter seinem Rücken verschwinden. Dieser kleine Reflex, der nicht dem Drehbuch der Veranstaltung entsprach, war ehrlicher, als das Theater drumherum und er zeigte: Die Flitterwochen mit seiner Jugendliebe Ferrari, die sein Vorbild Michael Schumacher mit fünf WM-Titeln in Folge von 2000 bis 2004 zumindest in der Statistik unsterblich machte, sind längst vorbei.

Vettel weiß: Er gilt als Auslaufmodell in Rot. Ferrari-Liebling Leclerc repräsentiert die Zukunft der Scuderia. Der neue Fünf-Jahres-Vertrag, den Ferrari dem Monegassen vor kurzem offerierte, war nur der letzte Beweis dafür. Für Ferrari ist Vettel ein in die Jahre gekommenes Rennpferd, das viel Geld kostet. Und dem man 2020 noch den Gnadenhof gewährt, wenn er das macht, was Ferrari von ihm verlangt: keinen Ärger und schön für den neuen Top-Jockey Charles Leclerc fahren, der auch noch der Ferrari-Fahrerakademie entspringt – und nicht für viel Geld wie ein Fremdenlegionär von Red Bull weggelockt wurde.

Vettel muss das Jahr jetzt irgendwie herumkriegen. Es wird schwer, Leclerc zu schlagen. Auch, weil der das Team hinter sich hat. Der Heppenheimer muss nun entscheiden: Entweder er kassiert noch mal richtig ab und verabschiedet sich dann aus der Formel 1. Oder er zeigt potentiellen Arbeitgebern wie McLaren oder sogar Mercedes, aus welchem Holz der Sohn eines Zimmermanns geschnitzt ist. Dazu gehört jedem Gegenwind standzuhalten und trotzdem Leistung zu bringen. Es wird alles andere als einfach für den bodenständigen und nicht politischen Hessen. Aber er kann es schaffen. Und das wünsche ich ihm auch.

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