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GP Australien im Rückspiegel: Vettel darf sich als Sieger fühlen

Die Silberpfeile und Vettels Ferrari im Parc Fermée von Australien. Copyright: F1-

Die Silberpfeile und Vettels Ferrari im Parc Fermée von Australien. Copyright: F1-insider.com

Meine Kolumne zum Auftakt der Formel 1-Saison 2015 beim Großen Preis von Australien

Wie ein Sieger durfte sich Sebastian Vettel trotz seines dritten Platzes bei seinem Debütrennen für Ferrari fühlen. „Das war das absolute Maximum,“ strahlte der Heppenheimer mir ins Gesicht, bevor er den Heimflug nach Europa antrat, „mehr war nicht drin. Jetzt geht es darum, auf diesem positiven Ergebnis aufzubauen und den Abstand zu Mercedes zu verkürzen. Der ist mit 34 Sekunden Rückstand immer noch enorm. Aber wir werden sie noch kriegen, das verspreche ich.“

Fest steht: Vettel ist schon beim ersten Rennen mehr als angekommen bei der Mythos-Marke aus Maranello. Er fühlt sich wohl im Tream und gibt das Vertrauen, das die Italiener ihm schenken, mit extremen Arbeitseinsatz und Euphorie zurück. Am Samstagabend verliess er erst um 23.20 Uhr die Rennstrecke. Drei Stunden und 20 Minuten später als er musste. Bei Teamkollege Räikkönen öffnete sich bereits um 20 Uhr das Ausgangstor zum Fahrerlager und der Finne verschwand in Richtung Hotel in der Innenstadt. Kurz davor war das letzte Pflichtmeeting mit den Technikern beendet worden.

Doch nicht nur ans Sportliche denkt Vettel bei seinem neuen Arbeitgeber. Auf dem Podium bedankte er sich auf italienisch bei den Tifosi. Und wenn er sagt, er fände es schade, dass Räikkönen das Ziel nicht gesehen hätte, klingt das mehr wie das Bekenntnis eines Mannschaftssportlers als das eines Einzelkämpfers. „Wir wissen“, sich auf den Ausfall seines Teamkollegen beziehend, „dass es noch viel Verbesserungsbedarf gibt.“

BILDERGALERIE: DIE FERRARI-BOX KURZ VORM RENNSTART

Das Rennen ist schnell erzählt. Vorne drehten die beiden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg einsam ihre Runden. Das Team sorgte dabei dafür, dass der Deutsche seinem Teamkollegen nie zu nahe kam, um ihn unter Druck zu setzen – und so die wahre Pace der Silberpfeile zu offenbaren. Nie betrug der Abstand zwischen Hamilton und Rosberg mehr als vier Sekunden – nie weniger als eine. Am Ende wurde der Brite locker mit 1,3 Sekunden Vorsprung vor Rosberg abgewunken. Der knappe Abstand täuschte. Hamiltons Sieg war nie gefährdet.

Der Weltmeister ist dabei locker wie nie. Auf dem Podium flachste er mit Zeremonienmeister Arnold Schwarzenegger herum. Der Dominator zu dem Terminator: „Was ist hier los? Ich dachte, Du bist viel größer!“ Zu mir sagte er zum Abschied: „Dein Jim-Morrison-Shirt ist cool. Aber gestern das war noch cooler!“ Da trug ich Jimi Hendrix auf der Brust. Das hatte sich Hamilton gemerkt. Und das zeigt: Bei all dem Stress hat er immer noch Zeit fürs Unwesentliche. Das nennt man totale Kontrolle über sich, die Situation und den Gegner. Nico Rosberg muss sich nicht nur für das nächste Rennen in Malaysia neue Taktiken überlegen, um Hamilton zu schlagen. Doch was macht man, wenn man selbst das Maximum gegeben hat und das nicht gereicht hat?

Red Bull wurde mit einem Ausfall von Daniil Kwjat und einer Überrundung von Daniel Ricciardo meiner Meinung nach unter Wert geschlagen. Der aktuelle Antrieb war schwächer und unzuverlässiger als der vom letzten Rennen 2014 – und als der von den Testfahrten in Barcelona. Wie F1-insider.com erfuhr, soll Renault extreme Probleme mit den veralteten Prüfständen und Simulatoren in Viry-Chatillon haben. Die Daten stimmen jedenfalls nicht mit denen in der Realität überein. Folge: Die Fahrbarkeit war bei der intern gross angekündigten Ausbaustufe in  Australien ganz anders als erwartet – und damit einfach nur schlecht. Dazu kam: Nach jedem Motorwechsel muss die komplizierte Elektronik erst wieder an den neuen V6-Turbo-Hybrid abgestimmt werden. Das kostete nach dem Schaden von Daniel Ricciardo nach nur 50 gefahrenen Trainingskilometern (Rekord für Red Bull-Renault!) wertvolle Trainingszeit und war kaum aufzuholen. Red Bull wird sich jetzt wieder noch stärker einmischen in die Entwicklung der Elektronik und Motorsoftware. Die Prüfstände bei AVL in Graz dürften zur Ausweichstation für die modernisierungsbedürftigen Testbänke in Frankreich werden. Und der neue Frontflügel mit noch kurzer Nase soll endgültig in Malaysia debütieren. Bis dahin ist genügend Zeit das Teil für den zweiten Crashtest haltbar zu bekommen…

BILDERGALERIE: SEBASTIANS VETTEL KURZ VORM RENNSTART

 

Neben Mercedes und Vettel gab es noch einen dritten Sieger in Australien. Das Sauber-Team und stellvertretend für die Schweizer Teamchefin Monisha Kaltenborn. Nach dem Hin-und-Her um den Gerichtsfall des Holländers Giedo van der Garde, der sich in Australien per Gerichtsbeschluss in den Sauber klagen wollte, sah man der tapferen Österreicherin mit den indischen Wurzeln an, was der fünfte Platz von Formel-1-Neuling Felipe Nasr und der achte Platz vom schwedischen Teamkollegen Marcus Ericsson für die Moral bedeuteten. Kaltenborn hatte die Nacht zum Samstag nicht geschlafen, um in letzter Sekunde eine Einigung mit dem klagenden Holländer zu erzielen – damit der Einsatz ihrer beiden Autos zum Rennen sicher gestellt werden konnte. Van der Garde drohte vorher mit Pfändung und sogar mit Haftstrafe für die Teamchefin. Kaltenborn sagte mit Tränen in den Augen nach dem Rennen: „Ich muss zugeben, dass das Ergebnis mehr als eine Erleichterung war.“ Wenigstens im Fall von Sauber hat die Formel noch für ein Happy-End gesorgt.

Denn ansonsten war der Große Preis von Australien der Höhepunkt der Serie aus Pleiten, Pech und Pannen. 15 Autos standen am Ende nur noch in der Startaufstellung. Das gab es seit dem GP von den USA 2005 in Indianapolis nicht mehr.  In Melbourne spiegelte die Startaufstellung das Grundproblem der heutigen Formel 1 wieder. Es gibt mittlerweile eine Zweiklassengesellschaft: Mercedes, Ferrari, McLaren Honda, Red-Bull und deren Tochterteam Toro Rosso können aus dem Füllhorn schöpfen. Der Rest kämpft nur ums Überleben.

Manor-Marussia flog mit Autos nach Melbourne, die mehr Ähnlichkeit mit Seifenkeisten hatten als mit modernen Formel-1-Autos. Die Briten schafften es noch nicht einmal, an einem Training teilzunehmen – geschweige denn am Rennen. Eines der beiden Autos soll meinen Informationen zufolge sogar ein älteres Showcar gewesen sein, nur eben neu lackiert. Man redete sich mit Softwareproblemen raus. Doch in Wahrheit war nie geplant, dass Manor überhaupt in Melbourne fährt. Einziges Ziel des insolventen Teams: Die 40 Millionen Dollar Preisgeld einsacken, die man nur bekommt, wenn man auch im Folgejahr an der Formel 1 teilnimmt. Ich hatte von Anfang an kritisch über dieses Vorhaben berichtet, wurde dafür aber selbst kritisiert. Und nun? Die Formel 1 muss sich etwas einfallen lassen.

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