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Kanada Kommentar: Verständnis für Vettel

Sebastian Vettel Canada 2019

Kommentar zur Vettel-Strafe

Die überharte Strafe gegen Sebastian Vettel beim Kanada GP erhitzt die Gemüter – zu Recht, wie Reporter Ralf Bach in seinem Kommentar findet.

Was hätten die vier Rennkommissare von Montreal gemacht, wären sie im Alten Testament für den Kampf David gegen Goliath zuständig gewesen? Sie hätten ganz sicher den tapferen David disqualifiziert, weil er gegen den übermächtigen Riesen eine Steinschleuder als Hilfsmittel benutzt hatte.

Das Volk hätte gepfiffen, David die Strafe und damit die ganze Welt nicht mehr verstanden.In Montreal war Sebastian Vettel mit seinem Ferrari der David und beide hatten auf der Strecke den Goliath Mercedes geschlagen. In den sechs Rennen vor dem Großen Preis von Kanada war das noch keinem gelungen. Da sind immer die Goliaths von Mercedes als Erster über die Ziellinie gefahren.

Sebastian Vettel fühlte sich als Sieger, deshalb gingen ihm nach seiner Fünf-Sekunden-Strafe und dem „Sieg, den man ihm gestohlen hat“ die Emotionen durch.

Emotionen! Ist das nicht, was jeder sehen will?Sportler, die ihr Visier herunterlassen. Die ihre Gefühle zeigen. Die sich trauen, anzuecken. Umso befremdender ist es, dass ausgerechnet RTL-Experte Christian Danner kein Verständnis für Vettels Emotionen zeigte.

Ich schließe mich lieber der Meinung ehemaliger Weltmeister an. Die zeigten allesamt Verständnis für Vettel, aber keins für die Kommissare. Für Nigel Mansell war die Entscheidung einfach nur „lächerlich.“

Für Jenson Button war die Strafe „unnötig“. Jacques Villeneuve schüttelte verständnislos den Kopf: „Vettel hatte keine Wahl, er hatte alle Hände voll zu tun, um das Auto auf der Straße zu halten. Lewis sah das, aber anstatt links zu fahren, wählte er die falsche Spur. Selbst schuld.“

Was ihn und mich am meisten ärgert: 2016 in Monaco schnitt Hamilton Daniel Ricciardo nach einer ähnlichen Situation im Duell den Weg ab (s. Video). Allerdings im Gegensatz zu Vettel mit Absicht. Er wurde nicht bestraft…

Villeneuve bringt es auf den Punkt. Die Formel 1 macht sich unglaubwürdig, wenn sie den Davids die Siege wegnimmt und dafür sorgt, dass die Goliaths immer gewinnen. Selbst wenn sie nicht als Erster über die Ziellinie fahren.

Mein Appell an die F1-Macher: Lasst die Helden ihre Kämpfe auf der Strecke austragen und mischt Euch nur im Notfall ein! So wie früher, als der Sport noch ein Sport für echte Männer war. Oder ist Ayrton Senna etwa bestraft worden, als er sich 1990 an Alain Prost rächte und ihn gnadenlos abräumte? Hat man bei René Arnoux und Gilles Villeneuve eingegriffen, als sie sich 1979 in Dijon gegenseitig von der Strecke fuhren?Nein. Das wäre auch unnötig gewesen. Denn damals waren Zweikämpfe noch erwünscht.

Samstag: Ferrari im Aufwind

Nicht immer war Ferrari Mercedes 2019 unterlegen. In Bahrain dominierte Charles Leclerc das Rennen, bis er Probleme mit einem Steuergerät des Antriebs bekam und einen Zylinder verlor. Eigentlich ein gutes Omen. Denn die Streckencharakteristiken von Bahrain und Montreal ähneln sich: viele Geraden, wenig Kurven. Bekannt ist: Geht es geradeaus, ist Ferrari superstark. In den Kurven verlieren die roten Renner dagegen Zeit.

Sebastian Vettel sagt: „Von der Papierform her sollte uns diese Strecke besser liegen. Das größte Fragezeichen ist der Asphalt. Er ist ziemlich glatt hier, und es wird nicht einfach werden, die Reifen zum Arbeiten zu bringen.“

Ferrari bringt keine neuen Teile mit auf die Ile de Notre DameNoch ein Nachteil: Ferrari bringt keine neuen Teile mit auf die Ile de Notre Dame. „Wir wissen, dass wir im Moment nicht konkurrenzfähig sind“, gibt Teamchef Mattia Binotto sogar in der offiziellen Pressekonferenz zu. „In nächster Zeit haben wir auch keine Modifikationen am Auto parat, die an den Problemen etwas signifikant ändern würden, mit denen wir seit Saisonbeginn zu tun haben.“

Alter Frontfluegel. Credit: Ferrari

In Frankreich gibt’s einen neuen Frontflügel mit steileren Flaps, danach plant Ferrari den Bereich rund um die seitlichen Leitbleche und den Unterboden weiterzuentwickeln. Vettel verrät, dass man die Probleme erkannt und Lösungen in der Pipeline habe. „Wir haben verstanden, was der Wagen braucht. Einige Dinge können wir kurzfristig umsetzen, einige vielleicht eher langfristig“, erzählt der Deutsche mit der Geduld und Umsicht eines Projektleiters. „Wir haben einige Ideen, um unsere Lage zu verbessern. Sie klingen verheißungsvoll.“

Mercedes in Kanada

Mercedes dagegen legt schon in Montreal nach. Ein neuer Motor soll zwei Zehntelsekunden pro Runde bringen – eine Zehntel allein deshalb, weil es ein frischer Antrieb ist. Ferrari hatte das erste Motorupdate bereits in Barcelona gebracht. 

Lewis Hamilton glaubt an die Stärke seines Silberpfeils: „Wir sind dieses Jahr besser gerüstet als in der Vergangenheit. Unser Auto ist in den langsamen Kurven deutlich besser geworden.“

Mercedes-Teamchef Toto Wolff erklärt: „Früher haben wir das Auto auf wenig Luftwiderstand und hohe Topspeed-Werte hin gebaut. Mittlerweile haben wir ein Chassis um den Antrieb herum gebaut, das mehr Abtrieb und Luftwiderstand hat. Auf der Geraden sind wir nicht mehr die Schnellsten, aber dies ist der beste Kompromiss.“

Red Bull in Kanada

Red Bull wird sich schwerer tun als in Monte Carlo, als Max Verstappen rundenlang im Windschatten von Lewis Hamilton hing. Weil Honda den Antrieb vor der entscheidenden Vorstandssitzung im Sommer noch nicht voll aufdrehen will, tut sich das Team auf Strecken mit langen Geraden schwer.

Kontinuierlich entwickelt das Team des österreichischen Energy-Drink-Herstellers aber sein Chassis weiter. Teilweise geht es dabei um Details. Nach Kanada brachten die Bullen neue Felgen, die Wirbel erzeugen, mit denen der Luftstrom ums Auto beruhigt wird. Interessant auch Abdeckungen, die die Anlenkpunkte der hinteren oberen Radaufhängung verbergen.

Auch Toro Rosso gibt nach den Plätzen sieben und acht in Monte Carlo Gas. Am STR14 wurden neue Rückspiegel und neue Leitbleche angeschraubt. Die Rückspiegel erinnern mit einem kleinen Flügel an die Version mit dem Schlitz in der Karbonhülle, die Ferrari 2018 eigeführt hatte.

Credit Red Bull

Racing Point versucht indes mehr Abtrieb zu generieren. Sergio Perez mahnt: „Uns fehlt Anpressdruck und wir haben keine Balance.“ Deshalb haben die Techniker einen Schneepflug-Flügel unterhalb der Nase montiert. Als Vorbild dienen McLaren und Mercedes, die entsprechende Varianten schon 2018 gebracht haben.

*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.

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