Privates Porsche-Team Jota baut schnell mal neues Auto auf und wird Achter bei den 24h Le Mans 2024.
Unter den Top-Ten bei der 92. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans befanden sich auch zwei privat eingesetzte Porsche 963 des Jota-Teams. Besonders die Story um die achtplatzierte Startnummer 12 beweist, welch geradezu übermenschlichen Kräfte ein Start beim Langstreckenklassiker freisetzen kann.
Am Donnerstagabend vor der 24- Stunden-Schlacht war die Welt nicht mehr in Ordnung – nicht jedenfalls beim britischen Jota-Team. Zwei Minuten vor dem Ende des finalen Feien Trainings war Callum Ilott im Jota-Porsche in der schnellen Rechts-Links-Kombination nach dem berühmten Dunlop-Bogen äußerst unglücklich in die Leitplanken geknallt.
Die Ursache für den Crash entpuppte sich als Banaliltät: „Auf meinem Dashboard bekam ich eine Alarmmeldung, vermutlich wegen einer Überspannung des Hybridsystems – so, wie sie manchmal beim Überfahren von Bodenwellen oder Kerbs auftreten können“, erklärte der 24-jährige Engländer, „aber in diesen sehr schnellen Biegungen sollte man nicht seine Augen von der Fahrbahn nehmen.“
Was sich als kleiner Nasenstüber darstellte, erwies sich bei näherer Betrachtung plötzlich als großes Wiederaufbau-Projekt: „Das Monocoque hatte im Bereich der Radaufhängung vorne rechts Risse. Ein Tausch blieb uns nicht erspart“, sagte Jota-Teamdirektor Dieter Gass.
Sofort wurde ein brandneues Chassis bei Porsche besorgt. „Urs Kuratle (Projektleiter Porsche; d. Red.) war uns sehr, sehr hilfreich“, betonte Gass die große Unterstützung des Werkssport-Direktors von Porsche.
Nun begann ein Wiederaufbau der Nummer 12, wie er nur mit Top-Mechanikern zu stemmen ist. Tag und Nacht schuftete eine ganze Traube von Spitzenkönnern ihres Fachs an dem LMDh-Gerät. Das Team der beiden britischen Motorsport-Unternehmer Sam Hignett und David Clark hatte dabei einen fixen Termin im Auge: Zum Freitagabend um 20.00 Uhr erlaubten die Sportkommissare Jota Sport einen Sonder-Roll-out.
Aber nicht auf der Rennstrecke – sondern auf dem unmittelbar neben der Piste benachbarten Flugfeld, wo schon die Düsenjets wohlhabender Teambesitzer und großer Unternehmer parkten. Ilott prüfte alle Funktionen, die Mechaniker die Dichtigkeit von Öl- und Wasserleitungen.
Als der frisch folierte 963 am Samstag um 13.30 Uhr in die Startaufstellung gefahren wurde, „hatten wir seit 62 Stunden keinen Schlaf gehabt“, betonte ein Jota-Mechaniker mit Ringen unter den Augen, so groß wie die Leibesfülle des Michelin-Männchens. Gab es eine medizinische Kontrolle der taffen Truppe? „Wir haben nur unsere beiden Physiotherapeuten, die sich um uns gekümmert haben, wen wir sie brauchten“, sagte der Mechaniker.
Aber da war noch Vincenzo Tota, Teamarzt im Werksteam von Porsche. Der quirlige Italiener stand mit medizinischer Erstversorgung bereit für eventuelle Notfälle. „Bei dieser extremen Belastung schaltet der Körper einfach ab. Das einzige, was da noch hilft, ist Power Napping“, erläuterte Tota. Aber der Dottore wurde auch in den folgenden langen Rennstunden zum Glück nicht gebraucht.
Statt Sieges-Champagner floss in der Jota-Box am Sonntagabend das Feierabendbier in Strömen. Die Stimmung war ausgelassen. Jota Sport brachte seine beiden Porsche 963 unter die Top Ten, in der gleichen Runde wie der siegreiche Ferrari: Startnummer 38 auf Platz neun, die wiederauferstandene Nummer 12 auf Platz acht. Das bedeutete Doppelsieg in der Privatteam-Wertung. „Im Endeffekt ist es eigentlich unglaublich, was das Team geleistet hat, indem es das Auto von in zwei Tagen von Null aufgebaut hat“, zeigte sich Teamdirektor Gass ergriffen vom starken Gefühl tiefster innerer Zufriedenheit. „Wir sind nur fünf Mal auf dem Flugplatz rauf und runter gefahren, hatten eine Viertelstunde Warm-up. Und dann fahren wir die 24 Stunden in dieser Regenschlacht bei schwierigsten Bedingungen wirklich ohne das geringste Problem.“
Gass schüttelte geradezu ungläubig seinen Kopf: „Und genau das zeugt von der sagenhaften Qualität dieser Menschen hier bei Jota. Aber auch von der Qualität des Autos.“
Soviel Einsatz-Qualität dürfte sich für die beiden Jota-Chefs Clark und Hignett in der kommenden Saison auszahlen, wenn Jota den Hersteller wechseln wird – und zum Werksteam avanciert: Statt Chip Ganassi Racing werden dann die Engländer aus dem Städtchen Tunbridge Wells den Einsatz der Cadillac übernehmen.
Autor: G. Coltello
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