Ferrari erlebt die schlechteste Formel-1-Sason seit 40 Jahren. Doch es kommt noch dicker: Wahrscheinlich wird Ferrari Jahre brauchen, um wieder nach vorn zu kommen.
Was für ein rasanter Fall: Letztes Jahr sicherte sich Charles Leclerc beim Belgien-GP für Ferrari noch seinen ersten Sieg in der Formel 1. Ein Jahr später war Ferrari nur noch im Hinterbänklerfeld anzutreffen, kämpfte mit Alfa Romeo, Haas und Williams um die letzten Plätze. Ein solches Debakel erlebte Ferrari zuletzt 1980.
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Der Zeitpunkt dieser Pleite ist äußerst ungünstig: Ausgerechnet in diesem Jahr fährt die Formel 1 gleich drei Rennen in Italien. Ausgerechnet in diesem Jahr wird Ferrari seinen 1000. Grand Prix absolvieren.
Doch noch viel besorgniserregender ist die Tatsache, dass Ferrari wohl noch über Jahre hinweg Rückstand auf die Spitze haben wird. So schnell der Fall auch kam, das Zurückkämpfen an die Spitze könnte Jahre dauern – darauf zumindest stimmt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto die Ferrari-Fans in einer Videokonferenz ein: „Wie lange es dauert? Ich schätze, wenn wir auf die ganzen Siegeszyklen verschiedener Teams zurückblicken, dann hat das immer Jahre gedauert. Es gibt in der Formel 1 keine Wundermittel. Geduld und Stabilität sind erforderlich.“
Ferrari hat außerdem das Problem, dass die Entwicklungen weitgehend eingeschränkt sind. Darauf haben sich die Teams mit der Formel 1 und der FIA vor Beginn der Saison geeinigt – um einen finanziellen Kollaps im Zuge der Corona-Krise zu verhindern.
Binotto erklärt: „Die Motorentwicklung ist für dieses Jahr eingefroren. Daran können wir nichts ändern. Wir entwickeln für die kommende Saison, die Versuche auf den Prüfständen schreiten gut voran.“
Seit die FIA mit einigen Technischen Direktiven das Motor-Reglement präzisiert hat, ist Ferrari im PS-Rückstand – was Gerüchte über mögliche Tricksereien neue Nahrung geben. Für 2021 darf Ferrari einen neuen Motor bauen, dann aber dürfen die meisten der 41 Motorkomponenten pro Jahr bis 2023 nur noch einmal verändert werden. Das betrifft auch Teile wie Zylinderköpfe oder Gehäuse. 2024 und 2025 wird die Motorentwicklung komplett eingefroren. Erst 2026 kommt dann ein neues Motor-Reglement.
Doch Ferrari hat nicht nur beim Motor Nachholbedarf. Ex-Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn erklärt im AvD Motorsport-Magazin: „Beim Chassis gab es schon im vergangenen Jahr Schwachpunkte. Da hat man offenbar nicht in die richtige Richtung entwickelt. Somit haben sie ein Gesamtpaket, das nicht konkurrenzfähig sein kann. 2014 begann die Dominanz von Mercedes. Die anderen konnten zwar aufschließen, die Lücke aber nicht schließen. Man hat schon in den vergangenen Jahren gemerkt, dass Ferrari da nicht vom Fleck kommt.“
Die Entwicklungs-Beschränkungen beim Chassis sind noch gravierender als beim Motor. Generell gilt: Die Autos der Saison 2020 müssen auch 2021 zum Einsatz kommen. Entwicklungen sind nur an der Aerodynamik erlaubt. Das Chassis, das in 77 Bereiche aufgeteilt ist, ist in 40 Punkten homologiert. Beim Rest dürfen Veränderungen vorgenommen werden – aber nur sehr beschränkt. Jedes Team hat zwei so genannte Token, also Gutscheine. Je nach Bedeutung eines Bauteils kann entweder ein größeres Teil im Wert von zwei Token oder zwei kleinere im Wert von jeweils einem Token verändert werden. Das legt Ferrari natürlich gewisse Fesseln an.
Mattia Binotto weiß: „Um 2021 einen Fortschritt zu erreichen, müssen wir zunächst verstehen, wo in diesem Jahr die Schwächen liegen. Wir haben ein Fahrzeug, das vor allem an geschwundener Motorleistung leidet. Das trifft auf alle zu, aber auf uns im besonderen Maße. Im vergangenen Jahr konnten wir die Schwächen des Chassis dank des bärenstarken Motors kaschieren, aber das geht jetzt nicht mehr.“
Binotto denkt schon jetzt vor allem an die Saison 2022: „Die Fahrzeugentwicklung ist für 2021 eingeschränkt. Was können wir also tun? Wir konzentrieren uns auf die Zukunft, auf 2021, aber vor allem auf 2022, wenn ganz neue Rennwagen kommen“, so der Ferrari-Teamchef.
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