Die Formel 1 hat 2021 ein neues Werksteam: Aston Martin F1. Die britische James-Bond-Marke wird auch die neue Heimat von Sebastian Vettel.
Nach 61 Jahren kehrt Aston Martin 2021 zurück in die Formel 1. Heute hat Aston Martin den Rennwagen für das Comeback der legendären James-Bond-Marke sowie für das neue Formel-1-Abenteuer von Sebastian Vettel präsentiert: Der Aston Martin-Mercedes AMR21 kommt wie erwartet in grüner Lackierung daher – und lehnt sich wieder stark an den Mercedes des Vorjahres an.
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Bereits seit Ende Januar wird am Chassis mit der Plakette für Nummer eins im Werk in Silverstone geschraubt. Seit August 2020 wird der AMR21 entwickelt. Rund 50 Prozent der Teile aus dem Vorjahr wurden reglement-bedingt übernommen. Unterboden und auch das Monocoque sind neu. Insgesamt besteht ein Formel-1-Auto aus 15000 Komponenten.
„Während die anfängliche Spezifikation des AMR21 nun fertiggestellt ist“, schreibt Aston Martin F1 auf seiner Webseite, „arbeitet das Team bereits an Upgrade-Paketen, die zu Beginn der Saison 2021 erscheinen sollen. Einfach ausgedrückt, die Entwicklung hört nie auf, weshalb (wir) im Januar mit der Arbeit am Auto für 2022 begonnen haben, das die technische Revolution der Formel 1 einleiten soll.“
Aston Martin F1 gibt jedenfalls Vollgas. „Ich denke, dass jeden dazu gebracht hat, seine Aufmerksamkeit für Details zu erhöhen, den Wunsch, sich immer zu verbessern“, sagt Produktionsdirektor Bob Halliwell. „Wir stellen mehr technische Mitarbeiter ein, damit wir uns in allen Bereichen des Unternehmens weiterentwickeln können, aber auf kontrollierte Weise. Aston Martin im Rücken zu haben, ermöglicht es uns, voranzukommen und diese Dinge in die Wege zu leiten. Es ist eine große Veränderung für uns und es ist sehr aufregend.“
Aston Martin hat einen klangvollen Namen – als Nobelmarke, als Fahrzeughersteller für James Bond, als Sportwagen-Ikone. 2021 mischt Aston Martin die Formel 1 auf – nicht zum ersten Mal, aber erstmals sollen auch Erfolge in der Königsklasse des Motorsports her. Dafür hat Lawrence Stroll, Haupteigner der Marke und des Rennstalls Aston Martin, auch den viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel an Bord geholt. Der Fokus liegt voll auf der Formel 1. Das GT-Programm in der Sportwagen-WM hat Aston Martin beendet, das Hypercar-Projekt auf Eis gelegt.
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Es ist nicht der erste Versuch von Aston Martin im Grand-Prix-Sport. Doch bisher war keiner wirklich erfolgreich. Wir riskieren einen Blick in die GP-Geschichte von Aston Martin.
Die ersten GP-Gehversuche von Aston Martin (1913 von Lionel Martin und Robert Bamford gegründet) reichen ins Jahr 1922 zurück – also 28 Jahre vor der Geburtstunde der Formel 1. Bis dahin wurden Grand-Prix-Rennen als Einzelevents und nicht als Weltmeisterschaft ausgefahren.
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Treibende Kraft hinter dem Aston Martin-Projekt 1922: Graf Louis Zborowski. Er verkörpert das Musterbeispiel eines damaligen Rennfahrers: adelige Herkunft (seine Wurzeln gehen auf die Astor-Familie aus Deutschland zurück, die nach Amerika auswanderte und dort durch Pelz- und Immobilienhandel die ersten Multimillionäre hervorbrachte), eine tiefe Leidenschaft für Autos und ein gewisser Mut, sich in das Minenfeld der damaligen Rennen als Fahrer zu wagen.
Die Zeit war für Automobilhersteller schwierig. Der Auto-Boom des frühen 20. Jahrhunderts flachte ab, die wirtschaftliche Situation war nicht besonders gut – und die Entwicklung ging in Siebenmeilenstiefeln rasant voran. Viele Marken konnten dieses Tempo nicht mitgehen und sperrten zu. Aston Martin stand mehrmals kurz davor, aber immer wieder wurde die heutige Traditionsmarke dank Investoren über Wasser gehalten. Einer dieser Investoren war Zborowski. Seine Bedingung: Es sollte ein GP-Rennwagen gebaut werden, den er pilotieren dürfe.
Beim Großen Preis von Frankreich 1922, dem wichtigsten Autorennen des Jahres, war es so weit: Zwei Aston-Martin-Rennwagen gingen auf die Piste, schieden aber schon bald aus – Motorschaden. Zborowski war entmutigt, warf die Rennhandschuhe hin und wechselte zu Mercedes. Aber Aston Martin hat Gefallen an der GP-Idee gefunden. Immer wieder tauchte man bei Rennen auf, aber Erfolge blieben aus. Nach dem englischen Grand Prix 1926 zog die heutige Traditionsmarke frustriert die Reißleine.
1955 sollte Aston Martin in den Grand-Prix-Sport zurückkehren. Dafür heuerte die britische Marke sogar Eberan Eberhorst an – den Erfolgsdesigner der Auto-Union-GP-Boliden der 1930er Jahre. Eberhorst stellte tatsächlich einen Formel-1-Wagen auf die Räder, doch der Konzern entschied sich trotzdem gegen einen Einstieg in die Formel 1: tödliche Unfälle in Serie, horrende Kosten, großes Risiko für Niederlagen. Immerhin fuhr das Auto ein nicht zur WM zählendes Formel-1-Rennen in Silverstone 1957 – unter privaten Einsatz von Geoff Richardson, der sich das Auto gekauft und einen Jaguar-Motor eingebaut hatte. Erfolgreich war er damit aber nicht.
In der Sportwagenszene feierte Aston Martin dagegen mit den DBR1 bis 3 einen kometenhaften Aufstieg – gekrönt 1959 mit dem Sieg beim 24-Stundenrennen von Le Mans, mit Roy Salvadori und Carroll Shelby am Steuer.
Jetzt wollte man es auch wieder im GP-Sport versuchen. Doch Le Mans war für Hersteller damals wesentlich wichtiger und so kochte das GP-Projekt auf Sparflamme. Die Einstellung, dass man es mit Garagistenteams wie Lotus und Cooper doch locker aufnehmen könne erwies sich aber als Fehleinschätzung.
Der erste Fehler war bereits das Aufschieben des Formel-1-Projekts auf 1959. Eigentlich war das Debüt für 1958 geplant. Der Aston Martin DBR4 leitete sich zum größten Teil vom Le-Mans-Rennwagen ab: Die Struktur des Gitterrohrahmens, die Bauart der Radaufhängung – vieles übernahm man einfach. An sich war das keine schlechte Idee. Doch Aston Martin verpasste, dass sich in der Formel 1 gerade eine Revolution abspielte: Die Umstellung vom Frontmotor zum Mittelmotorkonzept. Plötzlich saß der Fahrer nicht mehr hinter dem Motor, sondern davor – was fahrtechnische Vorteile brachte. Aston Martin baute seinen 2,5-Liter-Reihensechszylinder aber noch vorne ein – und war damit hoffnungslos unterlegen. Obwohl die Leistung des Motors mit 250 PS gar nicht so schlecht war.
Doch mit dem Mittelmotorkonzept konnten kleine Teams wie Cooper und Lotus viel kompaktere und leichtere Autos bauen. Der Aston Martin DBR4 brachte 636 Kilogramm auf die Waage – das sind 140 Kilo mehr als beispielsweise der Lotus-Rennwagen.
Das Debüt beim nicht zur WM zählenden Rennen International Trophy in Silverstone 1959 verlief gar nicht so schlecht: Salvadori stand auf Pole-Position und wurde hinter dem späteren Weltmeister Jack Brabham (Cooper-Climax) Zweiter. Aber in der WM tauchte das Team nur vier Mal auf – und kam nie über sechste Plätze hinaus. Damals gab es dafür noch nicht einmal WM-Punkte und schon gar keinen Applaus aus dem Konzern. 1960 wurde das Projekt nach einem letzten Rennen mit dem DBR5 in Silverstone daher beendet – eine Blamage für Aston Martin.
Teamchef John Wyer, in der Sportwagenszene mit Aston Martin, Ford und Porsche einer der erfolgreichsten Le-Mans-Teambosse aller Zeiten, bilanzierte den Formel-1-Flitzer von Aston Martin so: „1958 hätte er Rennen gewinnen können, 1959 war er eine sterbende Ente, 1960 ein stinkender Fisch.“
Fast 50 Jahre nach dem letzten Formel-1-Rennen von Aston Martin, zeigte die britische Marke 2009 plötzlich wieder Interesse an der Formel 1. Federführend war David Richards, zuvor Formel-1-Teamchef bei Benetton und BAR. Er wollte sein Team Prodrive in die Formel 1 bringen – mit Aston Martin als Partner. Über Prodrive liefen auch die GT-Einsätze von Aston Martin. Aber Prodrive erhielt vom Automobilweltverband FIA keinen Startplatz, das Projekt war damit gestorben.
2018 kam Aston Martin als Titelsponsor von Red Bull zurück in die Formel 1. Für elf Millionen Euro im Jahr klebte das Logo von Aston Martin bis Ende 2020 auf dem Fahrzeug. Doch weder mit dem Chassis noch mit dem Motor hatte Aston irgendetwas zu tun.
Das wird sich auch 2021 nicht ändern. Aston Martin tritt aber offiziell wieder als Werksteam an. Das Chassis baut der bisherige Rennstall Racing Point, die Motoren kommen von Mercedes. Racing Point und Aston Martin haben den gleichen Haupteigentümer: Lawrence Stroll.
Die Basis des Rennstalls in Silverstone hat Eddie Jordan mit dem Formel-1-Einstieg 1991 gelegt. Über die Zwischenstationen Midland, Spyker, Force India und Racing Point wird das Team 2021 Aston Martin heißen. 30 Jahre nachdem Michael Schumacher im Jordan sein Formel-1-Debüt gab (wie der Aston Martin 2021 ein grünes Auto), wird Sebastian Vettel für das Team fahren – als neunter Deutscher (nach den beiden Schumis, Heinz-Harald Frentzen, Nick Heidfeld, Timo Glock, Markus Winkelhock, Adrian Sutil und Nico Hülkenberg).
Aston Martin F1 fährt dabei mit einer Lizenz des Sportwagenherstellers, bei dem Lawrence Stroll ebenfalls Großaktionär ist.
5 Rennen
0 Punkte
3 Fahrer (Roy Salvadori 5 Rennen, Carroll Shelby 4, Maurice Trintignant 1)
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