Timo Glock hat in der DTM ein Seuchenjahr hinter sich gebracht. Die letzten fünf Formel-1-Rennen kommentiert er bei Sky.
Timo Glock, wie lautet Ihr Fazit nach Gesamtrang 17 in der ersten Saison der GT3-DTM?
Timo Glock (39): Für mich war es klar, dass es ein Umstieg wird. Generell glaube ich, dass es viele Punkte gab, wo wir nicht gut genug aufgestellt waren. Zu Beginn gab es einige Probleme mit dem Space Drive System (Lenkung ohne mechanische Verbindung; d. Red.). Das haben wir rückblickend hinsichtlich der Integration im BMW M6 einfach unterschätzt. Am Lausitz- und Nürburgring hatten wir einen guten Rennspeed, auch mein 24-Stunden-Rennen in Spa war sehr gut. Das zeigt, dass ich verstehe wie man mit einem GT3 fahren muss. Und ich bin auch überzeugt, dass die Ergebnisse nichts – wie der ein oder andere vielleicht meint – mit dem Alter zu tun haben…
In der Formel 1 ist Fernando Alonso das beste Beispiel dafür, dass man auch mit 40 noch schnell sein kann.
Genau! Ich bin der Erste, der sagt: Jetzt langt‘s, wenn ich merke: Ich bin einfach nicht mehr schnell genug. An dem Punkt bin ich aber auf keinen Fall. Das habe ich in dem ein oder anderen Rennen auch gezeigt.
Würde man das selbst wirklich merken, wenn das Alter im Rennauto zuschlägt?
Ja, auf jeden Fall. Da geht es um die Reaktionszeit oder manche Situationen, die man dann einfach nicht mehr richtig einschätzt. Das merkt man schon sehr gut. Wir hatten einfach ganz viele Wochenenden, die sehr unglücklich waren. Das kenne ich aus 2019, wo es ähnlich schlecht lief. Egal welchen Schritt man macht, man landet am Ende immer im Eimer voller Scheiße.
2019 hat Sie damals sehr mitgenommen. Wie geht es Ihnen nun?
2019 war wirklich schwierig. Aber es gibt dann auch Dinge, aus denen man lernt und die man mitnimmt. Klar würde ich lieber vorne mitfahren, aber dieses Jahr war uns das Glück einfach nicht hold.
Sie sind 2013 aus der Formel 1 in die DTM gekommen, um wieder zu siegen. Wie sehr fehlt Ihnen dieser verflixte DTM-Titel?
Wenn die Voraussetzungen nicht stimmen, kannst du dich auf den Kopf stellen und es bringt nichts. Klar würde ich mich freuen, wenn ich den Titel holen könnte, aber dafür muss einfach alles passen. Die Chance ist im nächsten Jahr mit dem neuen Auto (BMW M4 GT3; d. Red.) deutlich besser. Der M4 ist in allen Bereichen ein Schritt in die richtige Richtung.
Also wollen Sie mit BMW auch 2022 weitermachen?
Ich bin mit BMW in Gesprächen und wir haben beide den Wunsch, dass es weitergeht. Auf welche Art und Weise muss sich noch zeigen.
Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, die ich mir natürlich auch anschaue.
Wie beurteilen Sie grundsätzlich die GT3-DTM?
Es gab ja keine andere Alternative! Klar: Die alten Autos fehlen, die waren aggressiv, anders. Auf der anderen Seite haben wir jetzt viele verschiedene Fabrikate. Wo eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Wie die Zukunft im Motorsport generell aussieht, das ist für mich eh das größere Fragezeichen. Wie kommt zum Beispiel E-Racing bei den Fans an?
Wäre die Elektro-DTM für Sie ein Thema?
Wenn ich dann noch fahre, würde ich es auf jeden Fall ausprobieren. Aber ich muss gestehen: Ich tue mich schwer bei Rennen ohne Sound. Bei alten Formel-1-Autos stehen einem die Haare zu Berge, wenn so ein Geschoss vorbeifährt, Lärm macht und schnell ist. Schnell sind die DTM Electric-Autos dann wahrscheinlich auch, deshalb gehe ich offen an das Thema ran. Aber das Tempo muss dann auch stimmen.
Ihr Freund Sebastian Vettel setzt sich stark für Umweltschutz ein. Wie sehr passt sein Engagement zu dem eines Rennfahrers?
Wir leben zum Glück in einer Gesellschaft, in der jeder seine Meinung äußern kann. Was einem wichtig ist, kann man auch sagen. Man sollte Sebastian also nicht kritisieren, wenn er als öffentliche Person seine Meinung kund tut, sich engagiert und die Menschen aufwecken will. So wie er niemanden kritisieren sollte, der anderer Meinung ist. Man könnte als Rennfahrer natürlich auch sagen: Es ist nicht konsequent, einerseits für Nachhaltigkeit zu plädieren, aber andererseits ein Rennauto im Kreis zu bewegen. Das aber muss jeder für sich selbst entscheiden.
Vettel aber auch Lewis Hamilton setzen sich außerdem für Menschenrechte und Gleichberechtigung ein. Dann fährt die Formel 1 aber in Ländern wie Saudi-Arabien oder Katar. Wie verträgt sich das miteinander?
Auch hier bleibt es jedem selbst überlassen. Ich würde da vielleicht anders agieren und nicht so vorpreschen. Trotzdem verstehe ich den Ansatz, vor allem von Lewis, der natürlich eine Wahnsinns-Reichweite hat und einen anderen Antrieb, da er vieles am eigenen Leib erleben musste.
Hat Sie Vettels Vertragsverlängerung angesichts seiner Kritik an der Formel 1 überrascht?
Noch mal: Es scheint, dass die Werte Sebastians nicht mehr mit denen der Formel 1 übereinstimmen. Ich kann mir vorstellen, dass das den Machern und auch einigen Fans nicht gefällt. Andererseits: Was sollen sie machen? Ihm den Mund verbieten? Sicher nicht. Dafür hat Seb zu viel erreicht.
Vettel wurde ja auch schon mal nachgesagt, er sei zu alt…
Das glaube ich jetzt weniger (lacht). Klar war da in der Vergangenheit der ein oder andere Fehler. Das waren aber einfach äußere Umstände bei Ferrari, die dich einengen, wo du dann nicht mehr so frei im Kopf bist. Ich bin überzeugt, dass er, wenn er das passende Auto hat, auch weiterhin vorne mitfahren kann.
Wie finden Sie das Duell Verstappen vs. Hamilton um den Titel?
Besser geht es nicht. Ich bin sehr gespannt, wer zum Schluss den längeren Atem hat. Wer also die Fehlerquote so gering wie möglich halten kann, denn darauf wird es zum Schluss ankommen – auch für die Teams. Mercedes endlich mal unter Druck von Red Bull zu sehen, hat was. Vorher hatten sie immer ein Polster. Dann kann man sich auch mal einen Fehler leisten. Das können sie jetzt nicht mehr. Ich freue mich, die letzten fünf Rennen bei Sky mitkommentieren zu dürfen.
Inwiefern spürt auch Lewis Hamilton den Druck?
Lewis zeigt nach außen nie, dass er Druck hat. Er versteht es sehr gut, abgeklärt rüberzukommen. Sicher weiß auch er: Wenn er den Helm aufsetzt, kommt’s drauf an. Aber er hat einen Weg gefunden, entspannt und cool zu wirken. Max Verstappen hat das bisher aber auch gut hinbekommen. Er hat für mich einen Riesen-Sprung gemacht, ist viel abgeklärter geworden, viel kontrollierter in vielerlei Hinsicht. Vor zwei Jahren hätte er in einer Situation wie dem Crash in Monza wahrscheinlich noch Lewis‘ Helm aufgemacht und ihm eine reingedonnert. Jetzt lässt er ihn links liegen und denkt sich: Sieh‘ zu, wie du da rauskommst.
Wie mit Vettel sind Sie auch mit Mick Schumacher gut befreundet. Wie beurteilen Sie seine Saison?
Sehr gut. Wenn man zurückschaut, hat er in jeder Serie immer ein Jahr gebraucht, um sich auf ein neues Auto und die Meisterschaft einzustellen. Das ist ihm in der sehr komplexen Formel 1 schnell gelungen. Klar hat er das Auto auch das ein oder andere Mal in die Leitplanke gesetzt, aber das gehört dazu. Sein Auto ist nicht einfach zu fahren, gerade deswegen macht er da einen sehr soliden Job, lässt sich von seinem Teamkollegen Mazepin auch nicht aus der Reserve locken. Er sagt zwar auch seine Meinung, aber immer sehr kontrolliert.
Für Mazepin haben Sie zuletzt aufgrund seiner zu harten Fahrweise eine Sperre gefordert.
Eine Sperre muss es nicht sein, aber es muss jetzt einfach mal eine Konsequenz in Form einer Strafe kommen. Man darf den Speed nicht unterschätzen. Wenn da von hinten einer kommt – wie in Sotschi mit Yuki Tsunoda und offenem DRS – und du machst in letzter Sekunde so einen Move, dann kann es auch schon mal sein, dass der Hintermann aufsteigt und fliegen geht. Das darf einfach nicht passieren.
Rennleiter Michael Masi sagte dagegen, Mazepin würde nicht negativer auffallen als andere.
Ich finde schon, dass er viele Fehler macht. Klar, wenn er sich alleine dreht, tut das niemandem weh, aber es gibt auch Situationen mit blauen Flaggen, die er in meinen Augen nicht gut genug einschätzt. Irgendwann wird das auch mal schief gehen und dann steht man da und sagt: Hätten wir doch nur mal früher reagiert.
Fernando Alonso hat ein recht erfolgreiches Comeback hingelegt. Wie bewerten Sie seine Leistung?
Überragend! Vom ersten Meter war die Herangehensweise typisch Alonso. Nimmt auf nichts Rücksicht, geht einen gnadenlosen Weg. Er war körperlich perfekt vorbereitet und ist mental extrem stark. Er zeigt einfach sehr geile Rennen. Da habe ich größten Respekt vor.
Letzte Frage: Haben Sie die Dokumentation „Schumacher“ auf Netflix schon gesehen?
Ja. Es war sehr emotional. Speziell die letzte Viertelstunde. Ich hatte ja einen sehr guten Draht zu Michael. Da musste ich schon auf die Zähne beißen.
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