Formel 1: Ferrari

Vieles spricht dafür, dass Ferrari den Ende dieses Jahres auslaufenden Vertrag mit dem Franzosen als Formel-1-Teamchef nicht verlängern wird.
Wer die italienischen Medienverhältnisse kennt, weiß: Ferrari-Teamchef Fred Vasseur (57) taumelt nicht nur – vorm GP Österreich wankt er wie ein Kapitän einer Luxusyacht, die in einen Sturm von Orkanstärke geraten ist.
Vielleicht reagierte der Franzose gerade deshalb so dünnhäutig bei der Pressekonferenz beim Grand Prix von Kanada vor zwei Wochen. Er verteidigte sein Team, warf den Medien vor, mit Absicht Unruhe ins Team zu bringen.
Doch es waren keine der zahllosen F1-Seiten, die im Netz spekulieren. Ausgerechnet die Corriere della Seraund die Gazzetta dello Sport berichteten fast zeitgleich, dass Vasseurs Tage (sein Vertrag läuft Ende dieses Jahres aus) und die einiger anderer hochrangiger Ferrari-Mitarbeiter gezählt seien – und dass Fiat-Chef sowie Ferrari-Präsident John Elkann bereits Nachfolger suche.
Dazu muss man wissen: Fiat ist einer der Hauptaktionäre der RCS Mediagroup, die unter anderem die Corriere della Sera und die Gazzetta herausgibt – und damit auch Einfluss auf deren Berichterstattung hat.
Ungünstig für Vasseur und seine Presseberater: Spekulationen über Personalien bei Ferrari werden in diesen Medien nicht einfach so gedruckt – sie erscheinen erst, wenn die Fiat-Pressestelle oder sogar Elkann selbst grünes Licht gegeben haben.
Beispiel: Als der Autor dieser Geschichte beim letzten Rennen 2014 in Abu Dhabi schrieb, dass nicht nur der damalige Teamchef Marco Mattiacci abgelöst, sondern auch Marlboro-Manager Maurizio Arrivabene sein Nachfolger werde, druckten Corriere und Gazzetta die Story erst nach Rücksprache mit Fiat-Verantwortlichen, die alles bestätigt hatten.
Ein unübersehbares Zeichen auch: Derjenige, der mit wenigen Worten alle Spekulationen hätte beenden können, schwieg – zumindest in Bezug auf die Gerüchte um Vasseur. Der Chef von allem sonnte sich lieber im Le-Mans-Erfolg. Dort feierte Ferrari den dritten Sieg in Folge beim 24-Stunden-Klassiker.
John Elkann fand euphorische Worte für den Triumph – inklusive Projektleiter Antonello Coletta: „Heute ist ein großer Sieg für Ferrari, für alle, die dort arbeiten, für alle seine Leute. Ferrari hat durch Zusammenarbeit gewonnen und gezeigt, wie Einigkeit zu außergewöhnlichen Ergebnissen führt. Le Mans ist ein besonderer Moment für alle, die den Motorsport lieben, und was erreicht wurde, ist wahrhaft heroisch. Dreimal in Folge in Le Mans zu gewinnen, ist eine historische Leistung, die uns stolz macht und unserem Gründer Enzo Ferrari Ehre erweist.“
Für Vasseur müssten auch deshalb alle Alarmglocken schrillen – denn ausgerechnet der von Elkann so hochgelobte Coletta wird in den Fiat-Zeitungen bereits als potenzieller Nachfolger gehandelt.
Die Experten sind sich einig: Vasseur hat ein Problem. Franz Tost (69), der als ehemaliger Toro-Rosso-Teamchef die italienische Medienlandschaft gut kennt, vermutet bei Sport1: „Ich kann mir gut vorstellen, dass Vasseur unter Druck steht. Spekulationen helfen nie. Aber bei Ferrari muss man ständig damit leben. Was mir zu denken gibt: Dass John Elkann nichts zu den Spekulationen sagt.“
Ex-Formel-1-Pilot Ralf Schumacher (49) steht derweil hinter Vasseur. Der heutige Sky-Experte zu Sport1: „Fred ist ein guter Mann, aber auch er braucht Zeit. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Auch Jean Todt stand am Anfang seiner Karriere kurz vor dem Rauswurf. Dann setzte sich mein Bruder vehement für ihn ein – und Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hörte auf Michael. Zum Glück: Hätte er das nicht getan, sähe die Formel-1-Geschichte heute anders aus.“
Der Unterschied zu damals: Zwar sprechen sich die heutigen Piloten Lewis Hamilton und Charles Leclerc für Vasseurs Verbleib aus – aber beide haben längst nicht den Einfluss auf die Entscheidungsträger, den einst ein Michael Schumacher hatte.
Die Zahlen geben Schumacher recht: Erfolgreichster Teamchef der Ferrari-Geschichte ist bis heute Jean Todt. Der spätere FIA-Präsident war von 1993 bis 2007 bei Ferrari – in dieser Zeit holte das Team sechs Fahrertitel (fünf mit Schumacher, einen mit Räikkönen) und sieben Konstrukteurs-Titel.
Todt war jedoch eine Ausnahme. Im Schnitt liegt die Haltbarkeitsdauer eines Ferrari-Teamchefs bei nur drei Jahren. „Das ist zu kurz, um wirklich etwas Großes aufzubauen“, sagt Ralf Schumacher.
Ex-Formel-1-Boss Bernie Ecclestone (94) ergänzt bei Sport1: „Ferrari brauchte fünf Jahre mit Michael Schumacher, McLaren unter Hakkinen ebenso, Red Bull auch – bevor Vettel 2010 den ersten Titel holte. Fünf Jahre sollte man einer Teamführung schon zugestehen.“
Doch Ferrari hat ein weiteres Problem: Hochrangige Techniker trauen der Befehlskette nicht. Design-Guru Adrian Newey etwa zog Aston Martin Ferrari vor – auch deshalb, weil ihm Elkann nicht die sportliche Gesamtverantwortung geben wollte, die Newey als Basis für zukünftige Titel ansah.
Fest steht: Vasseur scheint bald schon Geschichte bei Ferrari zu sein. Beim Österreich-GP wird genau hingeschaut – vor allem auf seinen Umgang mit den Medien.
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