Sebastian Vettel ist trotz Platz zwei in Bahrain zufrieden: Er sieht Ferrari wiedererstarkt und freut sich für Teamkollege Charles Leclerc. Darf Charles aber gewinnin?
Bei Ferrari zieht man in diesem Jahr an einem Strang… Eigentlich kann Sebastian Vettel nach diesem Qualifying nicht zufrieden sein mit Platz zwei. Trotzdem gratuliert er seinem Teamkollegen Charles Leclerc zu dessen erster Poleposition. Vettel: „Schon bei den Wintertests war er ein guter Junge – jetzt ist er mit der Pole-Positon in der Tasche zum Mann geworden! Es freut mich für ihn, das ist eine große Leistung.“
Der Deutsche gibt zu: „Natürlich schaut man zuerst auf sich und mit ich bin nicht 100 Prozent zufrieden, wie es heute für mich gelaufen ist. Aber das muss man an einem Tag wie heute beiseiteschieben, wenn jemand seine erste Pole holt. Er hat alle fair und square geschlagen – inklusive mir! Chapeau!“
Vettel weiß, dass ein langes Rennen auf die Piloten wartet – mit mehreren Chancen, an Leclerc vorbei zu kommen. „Wichtig ist deshalb, dass wir ein Auto haben, mit dem wir kämpfen können“, sagt er. „Ich gehe davon aus, dass der Abstand zu Mercedes im Rennen noch kleiner wird und auch Red Bull ein Wörtchen mitreden kann.
Die größte Herausforderung werden die Reifen und sicherzustellen, dass man zu jeder Zeit der einzelnen Stints genügend Speed hat.“Der Heppenheimer räumt ein, dass er mit dem Auto noch nicht ganz so happy ist wie Leclerc. Trotzdem schickt er Grüße nach Maranello: „Wenn man sieht, wie sehr wir uns seit Australien verbessert haben, ist das eine großartige Teamleistung.“
Einen kurzen Schreckmoment musste Vettel am Abend in Bahrain noch überstehen. Weil er in Q1 zu langsam zurück in die Box gefahren war, musste er zu den Rennkommissaren. Eine Strafe gab’s nicht. Vettel klärte die Herren auf, dass er sich einen heftigen Bremsplatten eingefangen hatte und wegen der Vibrationen gemächlich fahren machen musste.
Leclerc happy: „Das Auto war Wahnsinn. Im letzten Rennen war ich nicht zufrieden mit meinem Quali-Ergebnis, deshalb habe ich versucht, mich zu verbessern und habe das geschafft.“ Dann lobt er auch seinen Teamkollegen. „Seb ist ein unglaublicher Fahrer. Ich habe schon viel von ihm gelernt und werde noch viel lernen. Aber heute bin ich happy, dass ich vor ihm stehe.“
Vettel hat auf Rang zwei knapp drei Zehntelsekunden Rückstand – ist daran aber nicht alleine schuld. Ferrari hat den Deutschen in die Bredouille gebracht, weil sie ihn im zweiten Qualifying-Abschnitt mitten in den Verkehr geschickt haben. Folge: Der Deutsche muss noch einmal raus und einen frischen Reifensatz opfern. Der fehlte ihm dann in der finalen Quali-Runde. Deshalb hat er da nur einen Schuss.
RTL-Experte Nico Rosberg: „Ferrari hat Vettels Strategie vermasselt. Das war ein Fehler des Teams. So ist es natürlich schwer für ihn gegen Leclerc. Mercedes hat vorgemacht wie es geht, sie haben sich nicht in solche Probleme gebracht.“
Vettel gibt zu: „Natürlich hat das mein Qualifying beeinflusst. Im zweiten Sektor war ich etwas vorsichtig, weil ich ja erst mal eine Zeit setzen musste. Das Wichtigste ist aber: Wir haben einen guten Job gemacht mit dem Auto und sind wieder vorne.“
Was ein Unterschied zu vergangenem Jahr. Jetzt sitzt mit Ferrari-Teamchef Mattia Binotto (49) ein Boss vor den Mikrofonen der Weltpresse, der jede Frage beantwortet und Klartext redet. Der locker vom Hocker plaudert, mit lässiger Beinhaltung, der mehr schlendert als er geht. Immer mit einem hintergründigen Grinsen im Gesicht und einer Körpersprache, die einen willkommen heißt.
Dabei wirkt das Mikrofon wie sein Freund. Mit seinem Vorgänger Maurizio Arrivabene war das im letzten Jahr noch anders. Da gab es viele pathetische Worte, aber am Ende stocherte man immer noch im Nebel. Er wirkte stets angespannt, voll unter Strom stehend und statt einer einladenden Körpersprache sendete er Zeichen von Abwehr und „Ihr geht mir alle auf die Nerven“.
Überträgt man die klar strukturierte Rede und die souveräne Ausstrahlung Binottos auf die Situation und Struktur des Ferrari-Teams der Binottoschen Zeitrechnung, so kann das nur heißen: Herrschte im letzten Jahr noch Chaos und Unsicherheit bei Ferrari, so sind mit dem neuen Boss Plan und Ruhe eingekehrt.
Binotto warnt vor zu viel Euphorie, wenn sie nicht angebracht ist und dementiert Krisen, wenn es keine gibt. Wie das Ferrari-Scheitern in Australien. „Ich habe in den letzten Tagen viele Spekulationen im Internet gelesen, die Ferrari betreffen. Das meiste ist nicht wahr“, schmunzelt er in Bahrain. „Wir hatten in Melbourne beispielsweise keine Kühlprobleme oder andere Schwierigkeiten mit dem Motor. Unser Ergebnis dort war die Summe aus allem. Aus der speziellen Charakteristik des Kurses in Melbourne, dem Setup, dem Umgang mit den Reifen. Daran haben wir hart gearbeitet und auch Lösungen der Probleme gefunden.“
Also: Probleme ja, aber von KRISE keine Spur. Umgekehrt dämpfte er nach dem scheinbar überlegenen Ferrari-Vorsprung die zu hohen Erwartungen nach dem ersten Trainingstag. „Wir sind ein anderes Motorprogramm gefahren als die Gegner, deshalb wissen wir, dass es sehr eng wird. Aber wir fahren unser Programm, um das Maximum rauszuholen, wenn es zählt. Und dann muss man sehen, für welches Ergebnis das Maximale reicht.“
Soviel geändert habe sich dabei gar nicht im Vergleich zum letzten Jahr, als er nur Technikchef war. „Am Anfang muss ich mit meinen Leuten dafür sorgen, dass das Auto funktioniert, schnell ist und die Fahrer sich mit ihm wohl fühlen“, erklärt der neue Teamchef. „Aber was anders ist: Im Gegensatz zu 2018 bin ich jetzt auch für die Fahrer verantwortlich. Ich muss sie managen. Dafür war ich im vergangenen Jahr noch nicht zuständig.“
Sein Grinsen sagt ganz klar: Lest zwischen den Zeilen und Ihr wisst, was ich meine. Hintergrund: Als in Monza Ex-Teamchef Arrivabene Kimi Räikkönen gegen Sebastian Vettelfahren ließ, obwohl nur noch der Deutsche nur noch die WM gewinnen konnte, eskalierte die Situation.
ABMS und F1 Insider erfuhr: Binotto drohte mit Abschied, wenn Arrivabene nach dieser krassen Fehlentscheidung Teamchef bliebe. Mehr noch: Binotto stellte sogar die Weiterentwicklung des aktuellen Autos ein und konzentrierte sich voll auf die Entwicklung des SF90 für 2019. Genau deshalb legte Binotto jetzt auch fest, dass Sebastian Vettel der Fahrer ist, der im WM-Kampf unterstützt wird. Und nicht der blutjunge Teamkollege Charles Leclerc.
Darum sei es auch „keine schwierige Entscheidung“ gewesen, den Nichtangriffspakt in Melbourne auszurufen, erklärt Binotto: „Wie wir mit solchen Situationen umgehen, ist den Fahrern schon vor dem Rennen klar. Sebastian lag vorne, es waren noch zehn Runden zu fahren. Da wollten wir kein Risiko eingehen. Wir halten das für die richtige Herangehensweise. Beiden Fahrern ist das bewusst.“Das heiße nicht, dass Leclerc eine Nummer zwei im klassischen Sinne sei. „Wir verbieten Charles nicht auf Pole zu fahren oder ein Rennen anzuführen“, relativiert der Italiener. Wichtig sei allerdings: „Ich muss sicherstellen, dass sich die beiden nicht bekämpfen.“ Denn so verlor Ferrari 2019 den Titel…
Sonntag:
16.15 Uhr: Vorberichte, das Rennen, Analysen und Interviews auf Sky Sport 1 HD und Sky Sport UHD
*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.