Lewis Hamilton sorgt im sechsten Rennen für den sechsten Saisonsieg der Silberpfeile – danach steht bei Mercedes natürlich alles im Zeichen Niki Laudas.
Ist es nur ein Eindruck, der täuscht? Oder ist es wirklich so, dass für die Mercedes-Protagonisten die schwerste Zeit an einem Rennwochenende in diesem Jahr jene zwei Stunden nach einem Rennen sind, in denen sie erklären müssen, warum sie nur mit viel Glück gewonnen haben und ihre scheinbare Überlegenheit gar nicht vorhanden ist?
In Monaco jedenfalls gaben sich sowohl Sieger Lewis Hamilton als auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff alle Mühe, genau das zu vermitteln.„Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Rennen gewinnen könnte“, wollte der Brite allen weißmachen.
Grund: Das Team hätte ihm beim Boxenstopp während der frühen Safety-Car-Phase mit den Medium-Reifen die falsche Mischung an den Silberpfeil geschraubt. Seine direkten Gegner Sebastian Vettel, Max Verstappen und Teamkollege Valtteri Bottas wären mit der harten Mischung klar im Vorteil gewesen.
Mercedes ist auch im Fürstentum nicht zu bremsen„Ich wusste schon nach wenigen Runden, dass ich nie bis zum Ende fahren konnte“, so Hamilton, „es sei denn, ich musste sie behandeln wie rohe Eier.“ Das tat der fünffache Weltmeister auch – mit dem Ergebnis, dass er pro Runde circa zwei Sekunden langsamer fuhr, als er hätte können.
Im Nachhinein sagt Hamilton: „Mit so desolaten Reifen bin ich seit Schanghai 2007 nicht mehr gefahren.“ Damals bauten seine Reifen so stark ab, dass er mit seinem McLaren-Mercedes im Kiesbett der Boxeneinfahrt landete, so den Sieg und später die Weltmeisterschaft verlor.
Ein weiterer Stopp wäre für Hamilton aber nicht in Frage gekommen: „Ich habe in Monaco schon einmal ein Rennen verloren, weil ich unnötigerweise in die Box kam. Heute schwor ich mir: Ich fahre zu Ende und gewinne oder es gibt einen Crash.“Dabei lieferte der Brite wieder einmal eine fahrerische Meisterleistung ab. 66 Runden hielt er dem ständigen Druck von Red Bull-Pilot Max Verstappen stand und machte nicht den kleinsten Fehler.
Seine Fahrt erinnerte an die seines Idols Ayrton Senna, der damals den wesentlich schnelleren Williams von Nigel Mansell souverän hinter sich hielt.Allein: Ob der Sieg wirklich am „silbernen“ Faden hing, bleibt dahingestellt.
Grund: Wann immer Hamilton mehr PS brauchte, drehte er am Powerknopf – und hielt sich so immer wieder den drängelnden Verstappen vom Leibe.Toto Wolff gab sich ebenfalls extreme Mühe, die absolute Überlegenheit seiner Autos zu vertuschen. „Wir haben Lewis den falschen Reifen gegeben. Aber es war eine Meisterleistung, wie er damit umging. Niki Lauda hätte seine wahre Freude an ihm gehabt.“
Hamilton feierte seinen Triumph im SchwimmbeckenDie Frage, was passieren muss, damit Mercedes nicht alle Saisonrennen gewinnt, zauberte ein verlegenes Lächeln auf seine Lippen.
Verlegen aber deshalb, weil er selbst ganz offensichtlich nicht ernsthaft an seine Antwort zu glauben konnte. „Wir gehen jetzt nach Kanada, da war Ferrari 2018 extrem stark.“Allein die letzte Frage und Wolffs Antwort zeugten davon, dass Mercedes schon zu diesem frühen Stadium der Saison mit dem neuen Rekord liebäugelt: Nämlich tatsächlich bei allen 21 Grand-Prix-Rennen als Sieger über die Ziellinie zu fahren.
Was hätte Niki Lauda heute gesagt, wurde der Wiener gefragt. Die Antwort, die er mit einem schelmischen Lachen gab, war entlarvend. „Ihr Wichser, warum habt Ihr nicht wieder einen Doppelsieg geschafft?“ Die WM-Wertung sagt eigentlich alles. Hamilton führt nach sechs von 21 Rennen mit 137 Punkten.
Zweiter ist Teamkollege Bottas mit 120 Zählern. Sebastian Vettel und Max Verstappen liegen bereits 55 und 59 Punkte zurück. Noch deutlicher fällt der Vergleich in der Konstruktionswertung aus. Dort führt Mercedes gegenüber Ferrari mit 257 zu 139 Zählern. Fest steht: Hoffnung auf Spannung kann die Sprache der Zahlen nicht vermitteln.Sie wollen die Formel 1 live, mit allen Trainings und ohne Werbeunterbrechung sehen?
*This article was first published in German at autobild.de/motorsport.