F1-Sportchef Ross Brawn will die Formel 1 seriöser machen und keine dubiosen Geschäftsleute mehr in der Königsklasse des Automobilsports haben. Doch immer wieder öffnet der Motorsport seine Türen für zwielichtige Geschäftsmänner. Und Frauen.
Eine Sache steht bei Ross Brawn (65) mit ganz oben auf der Liste, seit er 2017 das Angebot von Formel-1-Vermarkter Liberty annahm, als Sportchef die Königsklasse des Automobilsports zu führen. „Ich will keine Gauner mehr in der Formel 1 sehen“, war das Credo des ehemaligen Technikchefs von Ferrari, „davon hat es schon genug gegeben. Motorsport und hier speziell die Formel 1 verleitet dazu, schnelles Geld zu machen. Und nicht jeder versucht das dann auf seriöse Weise. Der Sport erlitt bei jedem einzelne der Fälle einen immensen Imageschaden. Das soll nicht mehr vorkommen.“
Brawn hat schon zu viel erlebt, als dass er schwarze Schafe nicht gleich erkennen kann. Der Brite scannt in Zukunft Personen persönlich, die mit Versprechungen und angeblichen Millionen auf dem Konto einen Fuß in die Formel 1 bekommen wollen.
Zwielichtige Gestalten wie Jean-Pierre van Rossem darf es nicht mehr geben. Der Belgier, der mit seiner Firma Moneytron ein Modell entwickelt hatte, das angeblich die Entwicklung die Börse vorhersagen konnte, kaufte sich 1989 das Onyx-Formel-1-Team, um für seine Firma zu werben. Fast fiel sogar Porsche auf ihn herein und wollte die Motoren liefern. Doch Moneytron entpuppte sich als Windei. Zwei Jahre später gab es das Onyx-Team nicht mehr. Van Rossem wurde 1991 in Belgien wegen Betrugs zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Ein weiteres Beispiel: 1999 tauchte wie aus dem Nichts ein angeblicher Adeliger aus Nigeria im Formel-1-Zirkus auf. Prinz Malik Abo versprach dem Arrows-Team ein Investment von 125 Millionen Dollar und damit eine goldene Zukunft. Mit dubiosen Bankbürgschaften kaufte er sich beim britischen Team ein. Geld floss aber nie. Als es ums Eingemachte ging, tauchte Prinz Malik ab. Arrows erholte sich nie mehr davon und musste 2002 schließen. Sechs Jahre später stand Malik in den USA vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, Gelder veruntreut zu haben, die zur Förderung eines jungen NASCAR-Piloten bereitgestellt waren. Aus Mangel an Beweisen wurde er zwar freigesprochen, doch er konnte das Gefängnis erst verlassen, als eine unbekannte Person die 35.000 Dollar Kaution für Malik aufgebracht hatte.
Auch die angesehene DTM ist vor Skandalen nicht gefeit. Am 24. Januar gab das Schweizer R-Motorsport-Team (das von einem renommierten Chirurgen geführt wird) bekannt , dass man sich nach nur einem Jahr wieder aus der weltweit anerkannten Tourenwagenserie zurückziehen werde. Begründung: Man habe eine Neubewertung des eigenen Motorsport-Programms vorgenommen, bei dem die DTM keine Rolle mehr spiele. Das sorgte unter anderem bei den Mitkonkurrenten von Audi und BMW für hochgezogene Augenbrauen.
Denn: Konzerne verabschieden im Herbst des Vorjahres ihre Programme, nicht aber knapp zwei Monate vor Beginn einer Meisterschaft. Auch dass die fünf Aston Martin Vantage, die das Team 2019 für die DTM bauen ließ, in der High-Tech-Rennschmiede von HWA in Affalterbach stehen, hinterlässt ein Geschmäckle. Hintergrund: HWA hatte die Motoren für das Schweizer Team gebaut und die Autos entwickelt gewartet. Doch vor dem letzten Saisonrennen in Hockenheim im Oktober kündigte die in der Szene anerkannte Firma von Hans-Werner Aufrecht die Zusammenarbeit mit den Schweizern wieder auf. Mittlerweile ist auch bekannt, warum: Als börsennotiertes Unternehmen musste HWA im Geschäftsbericht öffentlich mitteilen, dass R-Motorsport sie auf eine zweistelligen Millionenbetrag hat sitzen lassen.
Doch damit nicht genug. Sogar der ganz kleine Motorsport bietet offene Türen vor Betrügereien. Der Fall von Emily di Comberti sprengt dabei jeden Rahmen. Di Comberti war früher ein Mann und hieß Jean-Patrick Guy Phillipe Mourenon. Die Mourenon-Combertis sind eine reiche monegassische Familiendynastie, die hohes Ansehen im Fürstentum genießt.
Di Combertis Vater Jean-Phillipe Mourenon beispielsweise gehört in Monaco die Generalagentur des Versicherungsriesen Generali. Mourenon senior gehört seit Jahren zur High-Society des Spielerparadieses an der Côte d’Azur. Wer Familienmitglieder des Mourenon-Clans trifft, sollte vor diesem Hintergrund also keine Zweifel an der Seriosität von Unterhaltungen haben.
Diese hatte auch Ex-Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn nicht, als Emily di Comberti ihr im Herbst 2017 den Vorschlag machte, sich bei einem Formel-4-Team zu engagieren, das sie in der Nähe des spanischen Formel-1-Kurses vor den Toren Barcelonas zu gründen gedachte. Di Comberti präsentierte der erfahrenen Motorsportmanagerin einen Businessplan mit Bezahlfahrern, der Sinn machte – vor allen Dingen, weil die anfallenden Kosten vom Vermögen des Mourenon-Clans mehr als gedeckt schienen.
Was sie nicht wissen konnte: Dass Emily di Comberti nicht nur wegen ihrer Geschlechtsumwandlung bei der konservativen Mourenon-Dynastie als schwarzes Schaf der Familie galt. Des guten Rufs wegen – und um den Namen Generali zu schützen – wurden die Eskapaden und Delikte der Femme Fatale aber immer wieder unter den Teppich gekehrt.
So kam es, dass im Januar 2018 KDC Racing mit einem Grundkapital von 300.000 Euro gegründet wurde. Monisha Kaltenborn sollte ihre Erfahrung einbringen und sich um den Aufbau des Teams kümmern. Außer eines Beraterhonorars sollte sie 50 Prozent Anteile am Team und weitere Vergütungen bekommen. Kaltenborn stellte das Team auf die Beine. Alles lief nach Plan, KDC nahm wie erwartet ab dem ersten Rennen an der italienischen Formel-4-Meisterschaft teil und fuhr wenig später Punkte und sogar Podestplätze ein.
Zudem trat das Team auch bei den Auftaktrennen zur ADAC-Formel-4-Meisterschaft in Deutschland an. Danach aber hakte es: Di Comberti zwackte Gelder ab, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren, den sie abwechselnd in den Metropolen Barcelona, London und der französischen Riviera pflegte. Mittlerweile schuldete sie den Teammitgliedern Gehälter und andere Aufwendungen. Auch Kaltenborn wartete auf ihr Honorar – und die versprochenen Anteile.
Di Comberti aber war untergetaucht. Auch ein britischer Konkursverwalter versuchte vergebens, die Dame aus der Mourenon-Di Comberti-Dynastie zu fassen.
Was fest steht: Emily di Comberti muss jetzt mit rechtlicher Verfolgung rechnen, auch in Monaco. Ob ihre Familie, deren guter Ruf dort auf dem Spiel steht, ihre Hände weiter in Unschuld waschen kann, wird sich dann zeigen.