Williams-Pilot Valtteri Bottas (25) gilt als potenzieller Weltmeister. Er ist bei Ferrari im Gespräch und auch bei Mercedes. Im 360-Grad-Interview für AUTO BILD MOTORSPORT nahmen wir ihn Kreuzverhör zu seiner Zukunft.
Herr Bottas, hätten Sie geglaubt, dass es in diesem Jahr so schwierig wird, die inoffizielle finnische Formel-1-Meisterschaft zu gewinnen?
Bottas (lächelt): Na ja, es ist eng derzeit zwischen Kimi Räikkönen und mir. Eigentlich interessiert mich das aber nicht. Er ist für mich ein Rivale wie jeder andere – auch wenn Ferrari derzeit unser Hauptgegner ist.
Können Sie Vettel und Räikkönen in diesem Jahr denn noch mal richtig gefährlich werden?
In Spielberg war Ferrari noch stärker. Ohne den Fehler bei Vettels Boxenstopp wäre Sebastian Dritter geworden, nicht Felipe (Massa, Bottas’ Teamkollege; d. Red.). Aber wir werden weiterkämpfen.
Sie sind ein typischer Finne: ruhig, cool, gelassen. Auch im Auto?
Ich habe in meinem ersten Jahr bei Williams Geduld gelernt. Das Auto war nicht so gut, aber der Erfolg kommt nur dann, wenn man es eben nicht mit der Brechstange versucht. Ich versuche mich immer weiterzuentwickeln und nicht stehen zu bleiben.
Inwiefern?
Selbst im vergangenen Jahr, als es gut lief, habe ich viel gelernt. An der Spitze ist die Luft extrem dünn, der Wettbewerb viel enger. Du darfst dir keinen Fehler erlauben, musst lernen mit dem Druck umzugehen und immer zu performen. Wenn du einen Fehler machst, wirst du härter bestraft als im Mittelfeld. Der Punktverlust ist umso größer. Meine Herangehensweise hat sich aber auch in diesem Jahr nicht geändert. Ich versuche trotzdem, alles aus dem Auto herauszuholen.
Die Formel 1 steckt in der Krise. Was würden Sie ändern?
Ich finde, die Formel 1 wird derzeit viel zu schlechtgeredet. Ich genieße das Fahren immer noch. Natürlich ist es anders als noch vor zehn Jahren, aber es macht mir zumindest immer noch Spaß. Ich denke demnach nicht, dass irgendwas total schiefläuft.
Sind Sie mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem Sie sich nach einem Top-Team umschauen?
Natürlich denke ich über meine Zukunft nach. Aber das Beste ist es, sich hundertprozentig auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Der Rest ergibt sich, wenn ich meinen Job gut mache. Ich habe gute Leute hinter mir, die sich darüber ihren Kopf zerbrechen.
Zum Beispiel Doppelweltmeister Mika Häkkinen. Wie wurde er zu Ihrem Manager?
2008 rief er mich an und wollte mir in meiner Karriere helfen. Das war schon komisch. Der Typ, den ich immer verfolgt hatte, will mich fördern. Aber auch Toto Wolff hat mir ein Angebot gemacht. Ich konnte mich nicht entscheiden und habe die beiden einfach zusammengebracht.
Was haben Sie sich von ihm abgeschaut?
Die Zielstrebigkeit. Er hat sich für etwas entschieden und dann hart daran gearbeitet, sein Ziel zu erreichen. Er hat nie aufgegeben, auch nach seinem schweren Unfall nicht. Außerdem seine mentale Stärke. Er war ein cleverer Rennfahrer.
Man hört, Williams würde eine Option für 2016 auf Sie ziehen. Aber auch Ferrari sei sehr interessiert.
(Schmunzelt) Sorry, aber über Vertragsdetails kann ich nicht sprechen.
Okay, fragen wir anders: Würden Sie sich bereit fühlen für ein Top-Team?
Für mich gibt es derzeit drei Top-Teams. Williams gehört dazu, dann die Roten und Mercedes. Wenn man in den nächsten Jahren Weltmeister werden will, muss man für eines dieser drei Teams fahren. Was wirklich passiert, weiß auch ich nicht. Mein Ziel ist es, die WM zu gewinnen. Wenn das mit Williams möglich ist, gerne! Ab einem bestimmten Punkt geht das Leben aber auch weiter und …
… dann muss man an sich selbst denken. Richtig?
Vielleicht. Ich mache mir da aber keinen Druck.
Trotzdem muss es sich doch gut anfühlen, dass Sie mit Teams wie Ferrari und Mercedes in Verbindung gebracht werden. Immerhin war Ihr Vater ein großer Ferrari-Fan. Ihre Hunde hießen deshalb auch Rubens (nach Barrichello; d. Red.) und René (Arnoux).
Stimmt! Natürlich ist es schmeichelhaft mit solchen Teams in Verbindung gebracht zu werden. Aber ich muss Sie enttäuschen: Ich hatte nie ein Traumteam. Für mich ist das mit dem schnellsten Auto am attraktivsten.
Würden Sie sich einen Teamkollegen wie Vettel oder Hamilton antun?
Ich fühle mich für jeden Teamkollegen stark genug, auch wenn ich noch lerne. Die Messlatte sind diejenigen mit viel Erfahrung: Fernando Alonso und Lewis Hamilton. Kimi ist gut, Sebastian mit seinen vier WM-Titeln trotz seiner Jugend natürlich auch.
Warum ist Erfahrung so wichtig? Immerhin fährt mittlerweile schon ein 17-Jähriger Formel 1.
Es sind die Details, die den Unterschied machen. Und je länger du in der Formel 1 bist, desto mehr Situationen hast du schon einmal durchlebt. Du weißt dann schneller, wie du jetzt am besten reagieren musst.
Es würde Sie auch nicht stören, wenn Sie derjenige wären, der Kimi Räikkönens Formel-1-Karriere beendet?
(Lächelt hintergründig) Da äußere ich mich jetzt besser nicht zu. Nur so viel – wie Häkkinen schon gesagt hat: If you want to win, you need a Finn! (übersetzt: Wenn du gewinnen willst, brauchst du einen Finnen; d. Red.)