Letzter Teil unserer Corona-Serie: Grüße aus Quarantäna. Diesmal: Ex-Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn in der Schweiz
Monisha Kaltenborn (48) beobachtete schon immer gerne Menschen und deutete ihre Verhaltensweisen. Nicht nur zu Zeiten, als sie das Sauber-Team nach dem unerwarteten Ausstieg von BMW Ende 2009 bis 2017 durch finanziell schweres Fahrwasser führte.
Die messerscharfe Analyse half ihr, das Team in jenen schweren Zeiten am Leben zu halten. Die Krankheit mit Namen „Geldmangel“, mit der damals hauptsächlich das Sauber-Team zu kämpfen hatte, entsprang keinem Mikroorganismus, sondern hatte ihren Ursprung im BMW-Ausstieg, der zu langwierigen und schweren Nebenwirkungen führte.
Es ist also kein Wunder, dass es ihr auch im Moment nicht schwer fällt, ruhig durch die kollektive Krise zu steuern, die das Corona-Virus weltweit ausgelöst hat. Statt wie damals die gefräßigen Hyänen und Haie im Fahrerlager, beobachtet sie jetzt ihre normalen Mitmenschen in der Schweiz. Und kommt zu der Erkenntnis: „Ich habe das Gefühl, dass die Leute hier sehr diszipliniert vorgehen angesichts der Beschränkungen, die der Bundesrat erlassen hat. Es herrscht Vorsicht, aber es gibt keinerlei Panik. Die Regale in den Supermärkten sind gefüllt wie immer, mit Ausnahme von Toilettenpapier.“
Grundsätzlich herrsche, so die Wahl-Züricherin, „aber in der Schweiz das Gefühl, dass die Politiker vernünftig mit der extrem schwierigen Situation umgehen und die Verhältnismäßigkeit bewahrt wurde. Es ging zum Beispiel ganz schnell, dass kleine Unternehmen auf unkompliziertem Weg Privatkredite bekamen, um die schwere Zeit zu überstehen. Die Banken wurden dafür von der Politik in die Pflicht genommen. Wichtig ist: Die Wirtschaft steht hier nicht ganz still.“
Zwar seien die nicht dringend notwendigen Geschäfte geschlossen, zwar gäbe man von oben die Anweisungen, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten, „aber es gibt keine grundsätzliche Ausgangssperre, Büros können mit einer Minimalanzahl von Mitarbeitern geöffnet bleiben. Dabei müssen die Sicherheitsbestimmungen wie der notwendige Abstand immer eingehalten werden.“
Die studierte Juristin arbeitet im Moment als Geschäftsführerin bei “Racing Unleashed”, einer Firma, die High-Tech-Rennsimulatoren produziert und vermarktet. In ihrem Büro in Cham vor den Toren der Schweizer Wirtschaftsmetropole ist sie jeden Tag. „Hauptsächlich führe ich im Moment nur Videokonferenzen, Telefongespräche und kommuniziere mit Mails. Fest steht zweifelsfrei: Ohne Internet wäre der wirtschaftliche Schaden wesentlich größer, das Leben würde völlig lahm liegen.“
Das beziehe sich ebenso aufs Privatleben. Da die Schulen geschlossen sind, wurde das Klassenzimmer ihrer Kinder – beide im Teenager-Alter – kurzerhand nach Hause verlegt. Kaltenborn: „Sie haben jeden Tag normalen Unterricht, nur eben mit Videoschaltung in ihren Zimmern. Aber sonst ist alles völlig normal.“
Selbstredend, dass sie immer noch die Formel 1 beobachtet. Ihr Draht zur Szene glüht wie gewohnt, obwohl sie im Moment nicht in der Königsklasse des Automobilsports beschäftigt ist. Das Drumherum um die Absage des ersten Rennens in Melbourne enttäuschte sie. Kaltenborn: „Die ganze Kommunikation der Verantwortungsträger sah von außen betrachtet nicht sehr gut aus. Man ist nicht einheitlich aufgetreten. Ganz im Gegensatz zu anderen Sportarten, wo viel schneller und transparenter gehandelt wurde.“
Wäre sie noch Teamchefin in Australien gewesen, sie hätte nicht lange gebraucht, um eine Entscheidung zu treffen: „Es hätte keine zwei Meinungen gegeben, aber mindestens zwei Gründe nicht zu fahren: Erstens, um das eigene Team zu schützen. Zweitens aus Solidarität zu den Mitbewerbern.“
Positiv überrascht war sie dagegen, wie konstruktiv und schnell der Österreichische Fußballverband in der Krise handelte. Kaltenborn ist seit drei Monaten Vorstandsmitglied beim Traditionsklub Rapid Wien und war deshalb in alle Entscheidungen eingebunden. Kaltenborn: „Der ÖFB gab mehr Freiraum, hörte sich alle Meinungen geduldig an. Es gab zwar keine totale Übereinstimmung bei den Diskussionen, aber am Ende wurde einheitlich entschieden, die Spiele bis auf weiteres abzusagen. Das fand ich alles sehr positiv.“
Zudem stellt sie fest: „Jeder versucht bei Rapid seinen Teil beizutragen, diese schwierige Zeit zu überstehen. Ich meine wirklich jeder. Vom Vorstand und der Geschäftsführung bis hin zu den Spielern, die zu Hause trainieren.“
Überhaupt, stellt sie einen positiven Aspekt fest, den Corona nicht nur bei Rapid Wien ausgelöst hat, sondern überall: „Die Krise stärkt bei fast allen den Zusammenhalt. Das ist sehr wichtig.“