Ralf Schumachers Sohn David geht 2023 in seiner zweiten DTM-Saison an den Start. Ein Gespräch über den deutschen Motorsport, den Namen Schumacher und die Formel 1.
Herr Schumacher, Sie sind mit Mercedes-AMG GT3 in der DTM unterwegs, haben die ersten Punkte schon eingefahren. Wie ist Ihr bisheriges Fazit der Saison?
David Schumacher (21): Der Saison-Start hätte insgesamt besser laufen können, da ist echt noch viel Luft nach oben. In Oschersleben habe ich drei Punkte geholt, in Zandvoort einen. Am Norisring bekam ich im ersten Rennen eine Strafe, obwohl ich mein Überholmanöver nicht zu hart fand. Beim zweiten Rennen verbremste ich mich auf einer Bodenwelle und „räumte“ leider einen Kollegen ab. Mein Fehler. Ich habe mich dafür auch entschuldigt. Ich will jetzt konstanter werden, die Reifen besser verstehen und sonst alles verbessern. Das ist mein Ziel für die restliche Saison.
Sie sagen es selbst: Aufgrund der zwei Unfälle am Norisring standen Sie in der Kritik. Wie gehen Sie als damit um?
Es gab viel Kritik, sie war hier und da auch gerechtfertigt. Jetzt ist aber alles geklärt.
Die DTM sei schwieriger, als Sie gedacht hätten, war eine Ihrer Aussagen über die populäre Tourenwagenserie.
Genau. Weil das Feld so eng zusammen liegt, weil man als Fahrer gegen die GT3-Spezialisten kaum einen Unterschied machen kann. Es gibt so viele technische Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle, dass ich da noch lernen muss. Gerade was das harte Bremsen betrifft, tue ich mich noch ein wenig schwer gegen meinen Teamkollegen Lucas Auer.
Ihr Vater ist ein ehemaliger Weltklasse-Fahrer in der Formel 1. Kann er Ihnen bei der Suche nach dem perfekten Fahrstil helfen oder hat er zu wenig Erfahrung mit den GT3-Autos mit ABS?
Er kennt sich mit dem größeren Gewicht und der Aerodynamik der Rennautos aus, weil beides ähnlich ist wie bei den DTM-Autos, die er in seiner aktiven Zeit gefahren ist. Was ABS und Traktionskontrolle betrifft: Da muss er leider passen. In dieser Beziehung muss ich auf die Teamingenieure und die Techniker von AMG-Mercedes hören.
Sie fingen vielversprechend an: Sie hatten Erfolge im Kartsport, in den Nachwuchsklassen, fuhren dann in der Formel 3, die im Rahmenrennen der Grand-Prix-Rennen stattfindet. Dann entschieden Sie sich für die DTM. Haben Sie Ihr Ziel, irgendwann in der Formel 1 zu fahren, trotz Ihres noch jungen Alters schon aufgegeben?
Das ist schwierig zu sagen. Im Moment konzentriere ich mich voll auf den Tourenwagensport, das ist mein Fokus. Was danach kommt, kann ich noch nicht absehen. Das wird sich im Laufe des Jahres entwickeln.
Fest steht: Die fetten Jahre in der Königsklasse sind in Deutschland vorbei. Ein Nachfolger Ihres Onkels oder Vaters ist nicht in Sicht. Nico Hülkenberg ist momentan mit 35 Jahren der einzige deutsche Formel-1-Fahrer. Ihr Cousin Mick hat nach zwei mehr oder weniger erfolglosen Jahren bei Haas sein Cockpit verloren, sitzt jetzt auf der Ersatzbank bei Mercedes. Was läuft schief in der deutschen Nachwuchsförderung?
Ersatzbank würde ich jetzt nicht sagen. Mick ist Ersatzfahrer und Entwicklungspilot. Das größte Problem ist, dass es in Deutschland kaum noch Nachwuchsförderung gibt. Nur der ADAC bemüht sich, aber auch deren Budget und Ressourcen sind begrenzt. Sie geben trotzdem ihr Bestes. Anders als in anderen Ländern gibt es in Deutschland aber leider keine staatlichen Förderprogramme. Es geht verständlicherweise in Zukunft um Klimaschutz, da ist logischerweise Motorsport nicht ganz vorne auf der Agenda. Was manche dabei leider vergessen: Der Motorsport geht damit eigentlich konform. Er wird immer nachhaltiger. Das Ziel ist es, so schnell wie möglich CO2 neutral zu werden. In der DTM benutzen wir beispielsweise schon 50 Prozent synthetischen Sprit, mit dem Ziel bald auf hundert Prozent zu kommen. Es ist es aber auch teils durch die politische Stimmung sehr schwer, neue und viele Sponsoren für den Motorsport zu finden. Ohne die geht es aber nicht. Eine Formel-3-Saison kostet 1,3 Millionen Euro, eine Saison in der Formel 2 sogar zwei Millionen. Da sind Testfahrten noch nicht drin. Davon braucht man aber mindestens zehn, um optimal vorbereitet zu sein. Ein Testtag kostet zwischen 25.000 und 30.000 Euro. Fest steht: Ohne Unterstützung kann man das alles nicht bezahlen. Da kann man wirklich nur dankbar für all die Partner sein, die einen – teils auch seit Jahren – unterstützen.
Da hilft auch der berühmte Nachname nicht?
Der hat in der Tat Vor- aber auch Nachteile. Das hört sich für manche eventuell komisch an, ist aber so. In den Nachwuchskategorien war es definitiv kein Nachteil. Da hat der Name Schumacher absolut Türen geöffnet. Andererseits schauen die Leute bei einem Schumacher genauer hin. Fehler wie jetzt am Norisring werden da – nennen wir es mal so – von dem ein oder anderen versucht, medial auszuschlachten. Die positiven Dinge gehen da eher unter. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Was die Konkurrenten auf der Strecke betrifft: Da kann man schon manchmal das Gefühl haben, dass die anderen denken: ,Da kommt der kleine Schumacher, den lasse ich jetzt aber nicht vorbei.‘ Oder wie zuletzt ein Zitat komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurde, weil ich geantwortet habe, dass auch Lewis Hamilton wie mein Vater oder mein Onkel zu meinen Vorbildern zählt. Damit muss ich leben, damit muss ich kämpfen und das mache ich auch. Glücklicherweise habe ich da auch meinen Vater an der Seite, auf dessen Erfahrung und Netzwerk ich dann schon auch mal zurückgreifen kann.
Ähnlich war auch die Situation bei Ihrem Cousin Mick. Wie bewerten Sie seine Situation?
Micks Problem war, dass er sich in seinem Debütjahr mit seinem Teamkollegen Nikita Mazepin nicht richtig messen konnte. Beide waren Neulinge und Mazepin, den er dominiert hat, war kein Maßstab. Den braucht man als junger Fahrer aber dringend, um sich zu entwickeln. Erst im zweiten Jahr hatte er mit Kevin Magnussen einen starken Fahrer als Teamkollegen. Ich glaube, unter diesen Umständen hat Haas ihm nicht genügend Zeit gegeben, sich zu entwickeln. Denn die Formel 1 ist wahnsinnig kompliziert. Zum Glück kann er jetzt bei Mercedes alles in Ruhe lernen, was er bei Haas nicht konnte. Ich hoffe, dass er noch mal eine Chance bekommt. Wenn, dann wird er überzeugen, da bin ich MIR sicher.
Mercedes spielt eine große Rolle in den Karrieren der Schumacher-Familie. Ihr Onkel startete dort seine Karriere und schloss sie bei Mercedes ab. Ihr Vater fuhr DTM für den Stern. Mick ist jetzt Ersatz -und Entwicklungspilot. Sie fahren mit einem Mercedes in der DTM. Haben Sie mal darüber nachgedacht?
Ich bin mit Mercedes groß geworden. Eine der ersten Erinnerungen als Kind war, dass mein Vater DTM bei Mercedes fuhr und er zuhause die entsprechenden Dienstwagen hatte. Das prägt einen und deshalb macht es mich froh, jetzt ebenfalls mit einem Mercedes Rennen zu fahren.
Die Formel-1-Karriere Ihres Vaters oder Onkels haben Sie demnach nicht bewusst erlebt.
Genau. Ich kann mich nur an einen Toyota-Test meines Vaters in Le Castellet erinnern. Da war ich aber erst vier oder fünf. Den ersten GP live habe ich in Hockenheim 2018 erlebt. Da fuhr ich mit der Formel 4 im Rahmenprogramm.
Jetzt waren Sie beim GP von Ungarn vor Ort. Wie besonders ist die Formel 1 für Sie?
Sie fasziniert mich extrem. Sie ist das Vorzeigemodell, die Königsklasse des Motorsports – in jeder Beziehung.
Trotzdem gibt es in Deutschland im Moment im Gegensatz zu anderen Ländern eine Flaute. Es gibt kein Formel-1-Rennen mehr, was ein sichtlicher Beweis dafür ist. Was muss passieren, dass die Formel 1 auch in Deutschland wieder boomt?
Es ist das gleiche Problem wie bei der Nachwuchsförderung. Es gibt wenig bis keine staatliche Unterstützung, deshalb sind alle deutschen Rennstreckenbesitzer auf sich alleine gestellt. Die Folge ist: Strecken wie Hockenheim oder der Nürburgring haben nicht mehr den Standard, den die Formel 1 fordert. Gerade der Sicherheitsaspekt ist der Formel 1 sehr wichtig. Da müsste dran gearbeitet werden.
Rein sportlich dominiert Max Verstappen. Stört es Sie, dass wegen Verstappens Überlegenheit der Sieger quasi schon vor dem Rennen feststeht?
Nein. Das gab es schon oft. Mein Onkel dominierte die Formel 1 mit Ferrari, später Mercedes von 2014 bis 2020 mit Lewis Hamilton. Im Moment machen Red Bull und Max einfach den besten Job. Sie haben auch lange genug warten müssen und haben es verdient. Trotzdem glaube ich, dass sich die anderen wieder langsam ran robben werden. McLaren hat das in Ungarn schon eindrucksvoll bewiesen. Was Max betrifft: Er ist extrem talentiert, extrem schnell und mit seiner aggressiven Fahrweise hat er sich auch schnell den nötigen Respekt bei den Kollegen verschafft. Dazu kommt: Red Bull passt das Auto speziell auf seinen Fahrstil an. Er liebt Übersteuern und viel Abtrieb auf der Vorderachse, womit nicht jeder Fahrer klarkommt. Auch deshalb hatte bisher kein Teamkollege eine Chance gegen ihn.
Und er hat mit seinem ersten Titel verhindert, dass Lewis Hamilton Ihren Onkel endgültig überholen konnte. Wie wichtig ist es für Sie, dass der Rekordweltmeister Ihren Familiennamen trägt?
Michael hat es ja selbst mal gesagt: Rekorde sind da, um gebrochen zu werden. Lewis hat die Formel 1 in den letzten gefühlt zehn Jahren dominiert. Ich persönlich hätte ihm den achten Titel gegönnt, andererseits ist es auch ganz schön, dass die Familie Schumacher in der Formel 1 noch immer ganz oben steht.
Welche Fahrer außer Verstappen und Hamilton beeindrucken Sie noch?
Lando Norris ist speziell. Aber am meisten fasziniert mich Fernando Alonso. Wie er mit 41 Jahren noch fährt, beeindruckt mich extrem.
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