McLaren hat mit Lando Norris einen potentiellen Superstar in den eigenen Reihen. Wir sprachen vorm GP Ungarn (heute, 15.10 Uhr, Startplatz acht) mit ihm
Lando Norris, nach Platz drei in Österreich sind Sie der Shootingstar der Formel-1-Saison 2020. Wie fühlt sich das an?
Lando Norris: Der dritte Platz beim Auftakt war ehrlich gesagt ein Schock. Wir hätten nie gedacht, dass wir es schaffen könnten, Ferrari zu schlagen. Das erste Podium für McLaren seit so vielen Jahren! Es war einfach toll. Aber wir sind noch längst nicht da, wo wir sein wollen. Wir müssen den Kopf unten halten und weiter hart arbeiten.
In Spielberg klagten Sie zuletzt über Schmerzen am Rücken und wurden trotzdem Fünfter. Was war da los?
Es waren kleinere Verletzungen, weil ich so lange nicht im Formel-1-Auto gesessen und dann gleich ein Rennwochenende mit vielen Runden absolviert habe. Es tat einfach weh und ist nichts, das über Nacht komplett heilen wird, aber ich fühle mich schon wieder besser als am vergangenen Wochenende.
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Schon 2019 konnte man Ihr Talent in der Formel 1 mit WM-Platz elf und Platz sechs beim zweiten Rennen Ihrer Karriere erkennen. Warum waren Sie auf Anhieb so stark?
In der Formel 1 kannst du viel natürlicher fahren als in der Formel 2 (wo Norris Vizechampion wurde; d. Red.). Das Auto dort verlangt einen viel spezielleren Fahrstil. Daher komme ich in der Formel 1 auch besser zurecht – ähnlich wie in der Formel 3. Im Winter habe ich mir dann meine Leistungen aus dem Vorjahr noch einmal angeschaut und genau analysiert. Im Qualifying war ich schon immer gut, im Rennen musste ich aggressiver werden. Ich war schon im Kart immer der „nette Junge“. Das ist mal gut, mal aber auch nicht.
Trotz oder gerade wegen Ihres sauberen Fahrstils gelten Sie schon als nächstes Supertalent der Königsklasse. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Es ist wichtig, gute Leute um dich herum zu haben, die dir helfen. Ich habe meinen Trainer seit 2014, meinen Manager seit 2012. Sie haben mich oft in die richtige Richtung geführt. Die Schlüsselfaktoren sind viel Training, sich der Sache wirklich zu widmen und viel Kart zu fahren. Man muss hart arbeiten, wenn man Erfolg haben will. Das war schon immer mein Credo.
Sie kommen aus England, der Heimat des Motorsports. Wer sind Ihre Helden?
Ich habe keine Helden im Rennsport, ich wusste auch nichts über Senna und Co. Eines Tages bin ich einfach mal zu einem Kartrennen gegangen – und dann war klar, was aus mir werden sollte. Das erste Formel-1-Rennen, das ich geschaut habe, war zu der Zeit, als Lewis Hamilton und Fernando Alonso bei McLaren fuhren (2007; d. Red.). Das machte Spaß zuzuschauen. Ich war aber nie bei einem Rennen vor Ort. Keiner aus meiner Familie war im Rennsport, ich war quasi ein normales Kind, bin normal zur Schule gegangen. Eines Tages bin ich eben mal zur Kartstrecke und da war es um mich geschehen. Ein paar Wochen später bekam ich mein erstes Kart. Damit bin ich bei uns zuhause im Pferdestall umhergedüst.
Heute fahren Sie gegen Lewis Hamilton quasi in seinem Auto von damals.
Ja, es ist irgendwie verrückt, dass ich jetzt gegen Lewis fahre. Damals, als ich ihn im Fernsehen gesehen habe, hätte ich das nie gedacht. Und jetzt bin ich wirklich hier. Trotzdem kann man nicht davon ausgehen, dass ich automatisch in seine Fußstapfen trete, nur weil ich ein schneller britischer Fahrer bin. Seine Karriere war und ist besonders. Natürlich hoffen viele Fans, dass George (Russell; d. Red.) und ich die nächsten britischen Siegfahrer sind. Aber ich setze mich deshalb nicht unter Druck. Ich versuche mich erst einmal stetig zu verbessern.
Aber ein Idol haben Sie doch, wenn auch nicht auf vier Rädern…
Stimmt. Valentino Rossi fand ich immer cool, ich wollte immer so sein wie er. Die blau-gelben Farben seines Bikes haben mir gefallen, daran habe ich auch mein Helmdesign angelehnt. Ich habe vor dem Kartfahren auch mal ein Bike ausprobiert. Das hat Spaß gemacht, aber nicht so sehr wie Kart. Es war cool, mit dem Bike rauszufahren, aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich das jeden Tag machen wollte. Auch, weil ich einmal gestürzt bin. Das Kart hatte ich besser unter Kontrolle.
Mit George Russell und Alex Albon fahren noch zwei britische Junioren um ihre Zukunft in der Formel 1. Herrscht da eine besondere Rivalität?
Klar ist derKonkurrenzkampf immer da. Aber mit George und Alex komme ich gut aus. Wir sind Freunde. Wir sind praktisch alle zusammen aufgewachsen. Und ich finde es schön, dass wir nun alle gleichzeitig den Schritt geschafft haben – auch für die britischen Fans.
Können Sie in Zukunft mit McLaren den Titel gewinnen?
Das müssen wir sehen. McLaren hat sich stark verbessert, aber es gibt immer noch Red Bull, Mercedes und Co. Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Ich hoffe und glaube, Mercedes wird uns nächstes Jahr mit dem Motor noch weiter nach vorne bringen.
Mit Andreas Seidl haben Sie einen deutschen Teamchef. Wie wichtig ist er für die Rückkehr des Teams an die Spitze?
Er ist ein wirklich netter Kerl und hat großen Einfluss auf die Verbesserung von McLaren. Viele Leute schauen zu ihm auf, weil sie wissen, was er in der Vergangenheit mit Porsche in Le Mans erreicht hat. Er schafft es, dass jeder noch ein wenig härter arbeitet, indem er für eine gute Atmosphäre sorgt und den Leuten zuhört.
Von: Bianca Garloff und Ralf Bach
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