Red Bull ist aktuell nur ein Ein-Wagen-Team. Alex Albon kann dem Tempo seines Teamkollegen Max Verstappen nicht folgen. Der kämpft deshalb allein gegen Mercedes
Die Inszenierung rund um den Großen Preis der Steiermark war eigentlich perfekt. Aus dem dritten Stock seines Mega-Motorhomes ganz aus Holz beobachtete Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz (76), wie die Flugzeuge seiner eigenen Flotte ihre Runden über dem Red Bull-Ring drehten. Er hörte, wie Andreas Gabalier vom Podium aus kurz vorm Rennstart die Steirer-Hymne sang. Und doch war der Sonntag nicht perfekt. Denn auch beim zweiten Rennen vor der eigenen Haustür fuhr ein Mercedes als Erster über die Ziellinie. Und eben kein Auto aus dem eigenen Bullenstall.
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Dabei war die Kampfansage klar. „Mit Max Verstappen wollen wir jüngster Weltmeister aller Zeiten werden“, hatte Mateschitz persönlich vor knapp einem Jahr den F1-Insider.com-Reportern in seiner hölzernen Energy Station in die Blöcke diktiert. Um Sebastian Vettel diesen Titel abzujagen, hat der Holländer aber nur noch diese Saison Zeit. Vettel war 23 Jahre und 134 Tage jung, als er Red Bull und sich selbst 2010 zum Überraschungs-Champion machte. Verstappen wird am 30. September 23.
Allein: Dafür, dass der Shootingstar der Königsklasse den begehrten Rekord knacken kann, spricht derzeit wenig. Die beiden Auftaktrennen liefen ernüchternd für Red Bull. Am Sonntag vor einer Woche blieben beide blauen Renner mit Elektronikdefekt liegen. An diesem Sonntag fehlte das Tempo. Sowohl dem Auto als auch dem zweiten Fahrer …
Wunderkind Verstappen enttäuscht nach Platz drei: „Ein Podium ist gut, aber wir waren einfach zu langsam. Das wird sich auch beim nächsten Rennen in Ungarn nicht ändern. Wir haben viel zu tun.“
Das gilt vor allem für Alex Albon (24). Red Bulls Verstappen-Adjutant war auf Platz vier nie auch nur ansatzweise in der Lage dessen Tempo mitzugehen. Zwischenzeitlich hatte der Brite mit thailändischer Herkunft mehr als 40 Sekunden Rückstand auf seinen Teamkollegen. Am Ende kam er nur deshalb noch mal ran an den Niederländer, weil Verstappen mit weichen Reifen und einem zweiten Boxenstopp die schnellste Rundenzeit jagen wollte.
Sky-Experte Ralf Schumacher kritisiert Albon deshalb hart: „Wir reden da immer von einer halben Sekunde Rückstand auf Verstappen, was im Renntrimm teilweise noch schlimmer wird. Die Frage, die sich Red Bull in Zukunft stellen muss: Brauchen sie einen zweiten, konkurrenzfähigen Fahrer, um Mercedes überhaupt attackieren zu können? So jedenfalls wird es nicht gehen.“
Das Problem: Während Mercedes strategisch mit zwei Top-Autos planen kann, kämpft Verstappen allein gegen die Übermacht der beiden schwarzen Silberpfeile.
„Red Bull ist aktuell ein Ein-Wagen-Team“, sagt auch Ex-Pilot Marc Surer zu F1-Insider.com. „Zuletzt hatten sie 2018 mit Verstappen und Ricciardo zwei Fahrer auf einem Niveau. Die brauchen sie aber, um Mercedes Paroli zu bieten. Da geht es nicht nur um den Fahrertitel, sondern auch um die Konstrukteurs-WM.“
Der Zufall könnte Red Bull zu Hilfe kommen. Sebastian Vettel (33) ist nach seinem Aus bei Ferrari für 2021 auf dem Markt. Mehr noch: Er wünscht sich ein Comeback bei dem Team, mit dem er von 2010 bis 2013 vier WM-Titel geholt hat. Anders ist der öffentliche Heiratsantrag nicht zu verstehen, den der Heppenheimer Red Bull am Donnerstag machte. Da missachtete er die Regeln eines jeden guten Formel-1-Gehalts-Pokerspiels und antwortete ganz ehrlich auf die Frage, ob er ein Red Bull-Angebot annehmen würde, mit „Ja“.
Dabei hatte Red Bull-Chefberater Helmut Marko, der zu seinem Ziehsohn Vettel ein fast schon väterliches Verhältnis pflegt, ihm zuvor mitgeteilt: Red Bull plant nicht, Vettel sportliches Asyl zu gewähren. Grund ist eben jener Alexander Albon, der deshalb ein Dauervisum fürs gelobte Mateschitz-Schlaraffenland hat, weil er eine thailändische Mutter hat und von jener thailändischen Familie gefördert wird, der 51 Prozent des milliardenschweren Getränkekonzerns gehören.
Trotzdem verleiht Red Bull dem sympathischen Halb-Briten im 1000-PS-Boliden auf der Rennstrecke keine Flügel. Seine ehrliche Erkenntnis nach dem zweiten Rennen der Formel-1-Saison 2020: „Mir hat etwas die Pace gefehlt, schon das ganze Wochenende über, wenn ich ehrlich bin. Das müssen wir uns anschauen.“
Pikant: Albons Probleme relativieren auch seine Leistung vom Saisonauftakt, als er von Lewis Hamilton im Duell um den zweiten Platz ins Aus befördert wurde. Bei genauerem Hinsehen kam Albon auch da nur in die Nähe des Mercedes-Champions, weil er eine Safetycar-Phase nutzte, um schnellere, weiche Reifen aufzuziehen.
„Wenn er sich nicht steigert, bleibt Red Bull gar nichts anderes übrig, als zu reagieren“, glaubt Marc Surer. „Schließlich wollen sie nicht nur getreu dem olympischen Motto dabei sein, sondern gewinnen.“
Ob Verstappen bei einem Vettel-Comeback allerdings Weltmeister wird, dafür gibt es keine Garantie. Denn auch der Heppenheimer träumt von seinem fünften WM-Titel in der schnellsten Dose der Welt.
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