Die Kopieraffäre um den rosa Mercedes wird immer spannender. Jetzt sehen mehrere Insider auch Mercedes in der Verantwortung
Die Copygate-Affäre um die rosa Mercedes-Kopie von Racing Point nimmt immer mehr an Fahrt auf. Am Sonntagabend haben Ex-Formel-1-Pilot Christian Danner und Ex-F1-Teamchef Colin Kolles im AvD Motorsport Magazin mit ihren Aussagen Öl ins Feuer der Kopier-Affäre gegossen.
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Hintergrund: Vor zwei Wochen wurde Racing Point mit einer Geldbuße von 400.000 Euro und 15 Punkten Abzug in der Konstrukteurs-WM bestraft, weil die hinteren Bremsbelüftungen nach Meinung der FIA-Stewards nicht eigenständig designt, sondern von Mercedes kopiert wurden. Racing Point besteht darauf, dass die Duplikate lediglich auf Fotos des Weltmeister-Silberpfeils von 2019 basieren.
Dabei fällt auf: Eigentlich ist das gesamte Auto eine Kopie des Vorjahres-Mercedes und wird deshalb im Fahrerlager scherzhaft längst als „Mercedes-Gebrauchtwagen“ tituliert.
Kolles, der unter anderem Teamchef der Racing-Point-Vorgängerteams Midland, Spyker und Force India war und noch sehr gute Kontakte zu seinen ehemaligen Mitarbeitern hat, wies das Foto-Märchen allerdings ins Reich der Fabel. Im AvD-Magazin sagte der Münchner: „Von Fotos kann man ein Auto nicht kopieren. Es geht nicht nur um die Bremsleitungen. Es geht um das gesamte Konzept des Autos. Sie hatten nicht nur Teile, sie hatten auch bestimmte Daten. Und sie hatten, so sagte man mir, ein 60-Prozent-Windkanalmodell und ein Showcar als Vorlage, dessen Teile gescannt und dann in CAD-Daten umgewandelt wurden. Sonst könnte das Konzept nicht funktionieren.“
Harte Anschuldigungen, doch auch Danner nahm den Ball auf: „Das war schon sehr dreist. Ein Grundprinzip der Formel 1 ist, dass jeder sein eigenes Auto baut. Klar kupfert jeder mal ab. Aber das, was hier passiert ist, ist jenseits von allen Dingen, die je passiert sind.“ Danner weiter: „Alain Prost (der vierfache Weltmeister ist heute Renault-Berater, Anm. d. Red.) hat das in einem Interview detailliert erläutert. Wenn so etwas in Ordnung ist, dann können wir alle einpacken. Dann brauchen wir nicht mehr antreten. Dann ist es irgendetwas, aber nicht mehr die Formel 1 – und da muss ich ihm Recht geben.“
Kolles wird noch deutlicher und nimmt auch den Daimler-Konzern in die Verantwortung: „Anstelle des Mercedes-Konzerns würde ich mich mal fragen, warum der Motorsportchef (Toto Wolff, Anm. d. Red.) andauernd auf dem Boot von Racing-Point-Chef Lawrence Stroll oder in dessen Villa in Gstaad Urlaub macht und viele andere Sachen passieren, die aus meiner Sicht nicht ganz konform sind.“
Danner erinnerte zudem an die Vergangenheit, als McLaren-Mercedes 2007 wegen des Besitzes von Ferrari-Daten 100 Millionen Euro Strafe zahlen musste und sämtliche Konstrukteurs-Punkte der Saison aberkannt bekam: „Technologietransfer ist in bestimmten Bereichen erlaubt, um Kosten zu sparen. In den meisten Bereichen jedoch nicht.“
Sollte die FIA nicht entschieden gegen die Mercedes-Kopien vorgehen, sieht Kolles sogar eine Gefahr für die Königsklasse selbst: „Damit wirst du komplett abhängig von den Super-Herstellern. Irgendwann gibt es nur noch drei Hersteller und deren Satellitenteams, die machen müssen, was die Hersteller sagen.“
Mercedes-Teamchef Toto Wolff indes bezeichnet Aussagen, wonach Racing Point von mehr als nur Fotos kopiert hat als „völligen Unsinn.“ Wolff: „Das Auto mehr zu kopieren als von Fotos ist etwas, wovon wir wissen würde. Deshalb ist es aus meiner Sicht völliger Unsinn, dieses Argument zu verfolgen. Und ich werde unsere Marke entschieden verteidigen, wenn jemand diesen Weg einschlagen sollte.“
Allein: Dann muss er jetzt schon gegen das halbe Fahrerlager vorgehen. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hatte bereits am vergangenen Wochenende in Richtung Mercedes gegiftet: „Stroll und Wolff mögen zwar sauer sein, aber es gab hier einen Verstoß gegen die Regeln. Es gibt die, die abschreiben, und die, die dem anderen den Test geben, damit er abschreiben kann.“
Auch Haas-Teamchef Günther Steiner wundert es nicht, dass Wolff Racing Point so vehement verteidigt: „Das sollte er besser tun, denn allem Anschein nach haben sie Daten an Racing Point gegeben, was nicht erlaubt ist. So wie Ferrari uns niemals Daten geben würde.“
Und Red Bull-Teamchef Christian Horner ergänzt: „Wenn ein Team schuldig ist, Designs kopiert zu haben, hat das Team, von dem das Design kopiert wurde, auch die Regeln gebrochen.“
Die Zukunft wird zeigen, wer recht hat. Renault und Ferrari haben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Der Fall wird also vor dem Berufungsgericht der FIA landen.
Ralf Bach und Bianca Garloff
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