Sebastian Vettel wird beim Heimrennen nur Elfter. Der Deutsche hat sich mit einem Dreher nicht mit Ruhm bekleckert. So erklärt er den Fehler.
Es gibt kaum einen Platz, der undankbarer ist als der elfte. Es ist nämlich der erste Rang, für den es keine Punkte gibt. Sebastian Vettel kam ausgerechnet beim Heimrennen auf dem Nürburgring auf Rang elf ins Ziel – zum zweiten Mal erst in seiner Karriere, zum ersten Mal nach Malaysia 2012!
Wie konnte es zu der nächsten Niederlage kommen?
Faktor eins: natürlich das Auto. Ferrari erlebt die schlechteste Formel-1-Saison seit über 40 Jahren. Sowohl für Charles Leclerc als auch für Sebastian Vettel ging es nach hinten. „Wir sind im Rennen zurückgefallen und hatten nicht das Tempo, das wir uns gewünscht und das wir gebraucht hätten“, stellt der 33-Jährige fest.
Aber: Auch Vettel selbst fuhr nicht fehlerfrei. In Runde zwölf drehte er sich beim Versuch, Antonio Giovinazzi zu überholen. „Das Hauptproblem“, übt sich Vettel a´in einem Erklärungsversuch, „war, dass es sehr schwer war, Leute zu überholen, obwohl ich schneller war. Ich bin daher viel Risiko eingegangen – zu viel offensichtlich.“
Vettel weiter: „Ich war etwas überrascht. Beim Richtungswechsel hinter Antonio habe ich das Auto verloren. Ich hatte Glück, dass ich weiterfahren konnte, aber die Reifen waren durch.“
Es ist nicht der erste Vettel-Fehler 2020. Beim Österreich-GP drehte er sich beim Versuch, Carlos Sainz zu schnappen. Beim Ungarn-GP fiel er durch einen Fahrfehler von Rang fünf auf Platz sechs zurück. Beim Großbritannien-GP drehte er sich schon am Start. Beim Russland-GP zerlegte er seinen Ferrari SF1000 im Qualifying. Und nun der Dreher vor heimischem Publikum…
Vettel gibt zu: „Im Moment ist etwas der Wurm drin, das stimmt. Aber da kommen auch wieder andere Zeiten.“
Man kann förmlich spüren, wie sehr sich Vettel nach seinem Tapetenwechsel sehnt. 2021 will er bei Aston Martin wieder voll angreifen.
Sebastian Vettel startet in den Eifel-GP von Platz elf – sieben Ränge hinter seinem Teamkollegen Charles Leclerc
Bei Ferrari geht das Rätselraten über den Performance-Unterschied zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc weiter. Während der Deutsche auf Platz elf liegend im zweiten Qualifying-Abschnitt ausscheidet, schafft es der junge Monegasse am Ende sogar auf Platz vier.
Der Zeitunterschied in Q2: fünf Zehntelsekunden. „Ich habe die Zeit im ersten Sektor verloren, ich weiß aber nicht warum“, zuckt Vettel mit den Schultern. „Vielleicht waren die Reifen bei mir noch nicht so richtig auf Temperatur. Ich hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass da noch so viel mehr drin gewesen wäre.“
Warum fährt Leclerc dann trotzdem so viel schneller? Offenbar rast er mit weniger Abtrieb als Vettel, hat deshalb mehr Topspeed. Eine Beobachtung, die McLaren-Teamchef Andreas Seidl bestätigt. „Die Ferrari-Performance hat mich schon heute morgen überrascht. Aber das hatten wir ja schon öfter, dass Ferrari vor allem mit Leclerc gute Runden hinlegt, aber wenig Abtrieb fährt und daher im Rennen mit den Reifen zu kämpfen hat.“ Wie in Mugello, als Leclerc rasch nach hinten durchgereicht wurde.
Vettel jedenfalls wirkte zwar enttäuscht, betonte aber auch: „Die größte Herausforderung morgen wird das Reifenmanagement.“ Der Hesse ist auf Rang elf der erste, der seine Pneus am Start frei wählen darf. „Vielleicht ist das ein Vorteil“, hofft er. RTL-Experte Christian Danner glaubt das allerdings nicht. „Die Medium-Reifen bekommst du am Start nicht warm. Das wird sich bei den niedrigen Temperaturen kaum lohnen, damit loszufahren.“
Fakt ist: Die Upgrades, unter anderem ein neuer Unterboden, hatten zumindest an Vettels Auto nicht den gewünschten Effekt. Was der Deutsche dazu sagt:
https://twitter.com/sebvettelnews/status/1314939748906143746
Weil’s wieder nicht läuft wie gewünscht, hat Vettel eine andere Idee: aus der roten in die grüne Hölle! „Es wäre schön, wenn wir nach links abbiegen würden vor der letzten Kurve und die Nordschleife fahren würden – aber ich denke, das wird für immer ein Traum bleiben…“
Auch wenn an diesem Wochenende diverse Fahrer wie Carlos Sainz, Kimi Räikkönen, Daniel Ricciardo, Esteban Ocon oder George Russell in privaten Fahrzeugen schnelle Runden auf der Nordschleife drehten; für die Königsklasse ist die 20,8 Kilometer lange Piste nicht geeignet. Zuletzt fuhr die Formel 1 dort 1976, als Niki Laudas schwerer Feuerunfall passierte.
Sebastian Vettel fährt am Nürburgring mit einem Helmdesign zu Ehren von Michael Schumacher.
Sebastian Vettel (33) macht auf Schumi! Der Ferrari-Star fährt den GP der Eifel am Nürburgring mit einer Hommage an Michael Schumacher. Als Erinnerung an den ersten Ferrari-WM-Titel seines Idols vor genau 20 Jahren in Suzuka hat Helmdesigner Jens Munser die typischen Schumacher-Linien mit den sieben Sternen und den Drachen ganz in weiß auf Vettels Helm verewigt.
https://www.facebook.com/f1insidercom/videos/1232848667090925
Den rote Streifen in der Deutschland-Flagge hat Munser zudem mit dem berühmten Schumacher-Neon-Rot lackiert. An der Seite prangt das Schumacher-Logo. Munser hat auch schon die Helme des Rekordweltmeisters designt.
Vettel: „Michael ist mein Held. Am liebsten hätten wir ihn natürlich alle hier, auch um zu sehen, wie sein Sohn den nächsten Schritt macht. Wir vermissen ihn. Aber es ist gut, dass Mick seine Chance bekommt.“
Kälte, Regen, Eifel! Sebastian Vettel (33) ist am Nürburgring angekommen. Gegen Mittag fuhr er in einem Alfa Romeo Stelvio als Dienstwagen vor. Anschließen verrät er in der Pressekonferenz, dass er jetzt Aston Martin-Aktionär ist: „Ich glaube an die Marke und an ihre Zukunft. Daher habe ich auch Anteile, aber wie viele, sage ich nicht. Denke, das ist auch keine großartige News.“
Im Formel-1-Podcast gab er vorher schon zu: Einige Grabenkämpfe hätte er bei Ferrari besser nicht geführt. Vettel: „Es gibt Dinge, die ich hätte besser machen sollen, Dinge, die ich vielleicht früher hätte sehen sollen, Kämpfe, die ich vielleicht nicht hätte aufnehmen sollen“, so der Hesse.
Dabei meint er aber keine Duelle auf der Piste – sondern eher die Politik im Team. „Ich denke, dass sie es im Rückblick nicht wert waren, gekämpft zu werden“, so Vettel. Alles herunterschlucken können habe er allerdings nicht. „Ein Teil davon lag in meiner Natur und so war es nur natürlich, es so zu machen. Vor allem, weil er glaubt, im Recht gewesen zu sein. „Ich denke, ich hatte in einigen dieser kleinen Kämpfe und Schlachten nicht Unrecht.“
Bei Aston Martin erwartet er wieder „mehr Spaß“. Auch auf dem Weg zur Strecke. Der Aston Martin-Dienstwagen wartet schon auf ihn.
Bianca Garloff
Wo soll das noch hinführen zwischen Sebastian Vettel (33) und seinem einst so geliebten Ferrari-Rennstall? In jedem anderem Arbeitsverhältnis wäre es an der Zeit, mit Rücksicht auf das Wohlbefinden aller Beteiligten den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Doch sowohl Ferrari als auch der Deutsche wollen sich lieber quälen und die verbleibenden sieben Saisonrennen gemeinsam im Fegefeuer der Gefühle verbringen.
Fest steht: Die Gräben sind tief, die gegenseitigen Vorwürfe immer offensichtlicher. Jetzt wehrt sich Ferrari gegen Vettels Vorwürfe, Ferrari hätte ihn im letzten Rennen in Sotchi als Bremsklotz gegen die beiden Renault-Piloten Daniel Ricciardo missbraucht.
„Sein Rennen war deutlich komplizierter“, sagt Chefstratege Inaki Rueda. „Ihm fehlte der Speed, um zu überholen. Ein Undercut gegen Grosjean und Giovinazzi war eine Option, aber dann hätte er wohl das ganze Rennen hinter Magnussen festgesteckt.“
Interessant dabei der versteckte Vorwurf, Vettel hätte das Tempo gefehlt. Rueda weiter: „Wir haben Seb über den Zustand seines Reifens gefragt und sind bei dem Plan geblieben, den wir vorher ausgemacht hatten.“
https://twitter.com/sebvettelnews/status/1312719808971108354
Die Wetterprognose in der Eifel passt dabei nur zu gut zur frostigen Stimmung zwischen Vettel und Ferrari. Nasskalt soll es werden, nur am Sonntag bleibe es trocken, bei Temperaturen um die sieben Grad.
Fest steht: Leicht werden die letzten sieben Rennen mit Ferrari nicht für den Heppenheimer. Kein Wunder, dass man sich auch schon bei Vettels zukünftigem Team Gedanken macht über die Gefühlslage ihres Fahrers für 2021. „Wir können Sebastian helfen“, sagt Racing Point-Technikchef Andy Green. „Er fühlt sich nicht gut im Moment, da leidet auch das Selbstbewusstsein.“
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„Aber“, so Green weiter, „wir sind das beste Team, um Fahrer wieder zu ihrer alter Stärke zu führen. Weil wir sehr fahrerorientiert arbeiten. Wir nehmen uns extrem viel Zeit ihnen zuzuhören. Es gibt null Politik bei uns und das ermöglicht es den Piloten, sich ganz aufs Fahren zu konzentrieren. Ich bin sicher, wir werden deshalb 2021 wieder den alten Sebastian erleben.“
Noch aber muss der Deutsche die Endzeit-Stimmung bei Ferrari ertragen. Hoffnung macht ein neuer Unterboden, der sein Fahrgefühl im SF1000 verbessern soll.
5. Oktober: Sebastian Vettel kehrt an diesem Wochenende als letzter Sieger an den Nürburgring zurück – und mit Erinnerungen im Gepäck
An diesem Wochenende kommt die Königsklasse zurück in die Eifel (Sonntag, 15.10 Uhr auf Sky und RTL) – und mit ihr auch Sebastian Vettel (35). Für den Deutschen ist der Grand Prix in Deutschland auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Denn am Nürburgring startete Vettel seine Formel-Karriere – und auf der Nordschleife musste er als blutjunger Führerscheinbesitzer eine haarige Situation überstehen.
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„Als ich vor Jahren meinen Führerschein gemacht hatte, bin ich mit meinem Auto in die Eifel gefahren, um eine Runde auf der Nordschleife zu drehen“, verrät der Ferrari-Star. „Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Zumindest in der ersten Hälfte der Runde. Denn irgendwann wurden die Bremsen zu heiß und ich hätte das Auto beinahe verloren. Ansonsten denke ich immer noch gerne an die Rennen in der Formel BMW/ADAC, im Rahmenprogramm der Formel 1. Das war damals für junge Fahrer wie mich ein Highlight.“
Denn dort konnte der junge Vettel auch sein Idol Michael Schumacher treffen. „Wir BMW-Junioren durften auch ins Formel-1-Fahrerlager rein“, erinnert er sich. „Durch meine Verbindungen zur Kartbahn in Kerpen und somit auch zu Michael hatte ich das Glück, einmal in die Ferrari-Box rein zu dürfen. Da war ich 16 oder 17 Jahre alt, war völlig fasziniert, als ich all die rot gekleideten Leute rumlaufen sah.“
Vettel ist sicher: „Die Leidenschaft, die Michael in Deutschland entfacht hat, hat später den Weg für meine Generation geebnet.“
Und damit den Weg zu vier Weltmeisterschaften – und einem Sieg auf dem Nürburgring. 2013 gewann Vettel den deutschen GP in der Eifel und ist damit der letzte Formel-1-Sieger in der Eifel. „Damals war ich zutiefst erleichtert“, sagt er heute. „Ich wollte immer einmal in Deutschland gewinnen. Aber hier, nach mehreren Anläufen, den Grand Prix auf dem Nürburgring zu gewinnen, das war ein großartiges Gefühl.“
Für Rennsport-Purist Vettel ist der Nürburgring auch wegen der Nordschleife ein Mythos. „Sie ist eine der Strecken, von der wir alle träumen. Aber auch wenn die Möglichkeit, auf der Nordschleife Formel 1 zu fahren, heute nicht mehr besteht; der Grand-Prix-Kurs ist eine spannende und fordernde Strecke, die normalerweise immer im Formel-1-Kalender sein sollte. Schade, dass das nicht so ist.“
Der Nürburgring ist ein Gewinner der Corona-Pandemie, sprang für die Übersee-Rennen ein, die nicht stattfinden können. Und bringt damit auch ein Stück Formel-1-Geschichte zurück in die aktuelle Saison, zum Beispiel Niki Laudas berühmten Feuerunfall von 1976.
Auch davon weiß Vettel zu berichten. „Mit Niki habe ich einige Male über diese Strecke gesprochen. Kaum aber über den Unfall. Er hat mir erzählt, dass sie früher das pure Abenteuer war. Es gab damals noch keine Kommunikation zwischen dem Fahrer im Auto und dem Team. Die Piloten waren für einen sehr langen Teil völlig alleine unterwegs, da draußen in der grünen Hölle. Es war eben eine völlig andere Zeit, auch andere Autos. Aber Niki hat es genossen. Ich war erstaunt, wie lebendig seine Erinnerungen waren, obwohl ja alles schon lange zurück lag.“
Der Nürburgring ist ein Stück deutscher Rennsportgeschichte, zu der auch Vettel seinen Teil beigetragen hat.
Ralf Bach
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