Nach dem starken Mercedes-Debüt von George Russell gerät Valtteri Bottas immer mehr unter Druck
Die Mercedes-Welt ist nach dem zweiten Bahrain-Rennen war nicht mehr wie vorher. Grund: Das Pech von Hamilton-Ersatz George Russell (22), dem Sieger der Herzen, und das schlechte Abschneiden vom Teamkollegen Valtteri Bottas (31), bringt die zukünftigen Fahrerplanungen des Dauersieger-Teams ins Wanken. Schon kurz nach dem Rennen äußerte sich Teamchef Toto Wolff (45) lobend über Russell und kritisch über den Finnen. Für den britischen Mercedes-Youngster, den ein verpatzter Boxenstopp mit falschen Reifen und ein Plattfuß den Sieg kostete, fand Wolff nur lobende Worte: „Ein Star wurde geboren. Ich muss jetzt mal in mich gehen, was seine Zukunft betrifft.“
Bottas: „Sehe aus wie der Depp“
Bei einer Talkshow von Sky Deutschland, wo Timo Glock als neuer Experte für 2021 verkündet wurde, legt Ralf Schumacher den Finger in die Wunde: „Bottas kann froh sein, dass er einen Vertrag hat. Für ihn ist es ein schwerer Schlag, er muss jetzt Gas geben. Denn die Formel 1 ist dynamisch. Ein Vertrag bedeutet nicht gleichzeitig, dass man ihn auch sicher hat.“ Glock ergänzt: „Es tut innerlich weh, wenn Valtteri weiß: Er kann sich noch drei Monate im Winter in Finnland im Wald einsperren, Hamilton ist trotzdem jedes Jahr schneller und jetzt auch Russell. Das letzte Wochenende könnte ihn gebrochen haben. Das im Kopf zu verarbeiten ist schwierig und wird an ihm nagen.“
Vor allem, wenn der Teamchef dann auch noch so vom potentiellen Nachfolger schwärmt, wie Wolff das ihn derselben Talkshow tut: „Russel hat eine brillante Bewerbung abgegeben“, so der Wiener. „Er hat gar nicht ins Auto gepasst, saß wie ein Affe auf dem Schleifstein. Er schlug mit den Knien überall an und hatte blutige Fäuste. Er musste zu kleine Schuhe tragen und konnte sein Bein gar nicht durchdrücken, um ausreichend Bremsdruck zu generieren. Platz fünf im Qualifying und Rennen wäre unter diesen Umständen völlig ok gewesen. Dann fährt er in die erste Startreihe und gewinnt das Rennen beinahe. Er hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen.“
Schon seit der junge Brite 15 Jahre alt ist, kümmert sich Wolff um ihn. Ein Menge Sympathie schimmert durch, wenn der Mercedes-Motorsportchef erzählt: „George kam damals in einem schwarzen Kommunionsanzug mit schwarzer Krawatte in mein Büro gewandert und wollte mich überzeugen, warum er ein zukünftiger Mercedes-Pilot ist. Er hatte eine Präsentation dabei, wo alles drin stand. Seine Stärken, seine Schwächen und wie er an den Schwächen arbeitet. Seine eigentliche Frage war damals, ob er für ein Tam mit Volkswagen-Motoren Formel 3 fahren kann – und trotzdem eine Chance auf Mercedes hat. Seitdem ist er bei Mercedes unter Vertrag.“
Allein: „Wir müssen den Ball jetzt flach halten“, so Wolff. „Priorität für das Rennen in Abu Dhabi ist, dass Lewis gesund wird und wieder im Auto sitzt. Wenn das nicht geht, werden natürlich alle wieder auf George schauen.“ Und dann sagt der Österreicher Worte, die Bottas noch mal richtig zu denken geben müssen. Für den Finnen sei die Situation alles andere als einfach, „weil er immens unter Druck gerät“. Der Österreicher weiter: „Auf einer Runde ist er sehr nah an Lewis dran. Er kann auch eine Führung ins Ziel bringen. An guten Tagen wissen wir, was wir an ihm haben. Aber Fakt ist auch: Er steigt bärenstark in eine Saison ein, lässt dann aber nach, wenn die Meisterschaft vorbei und die Luft raus ist. Du kannst aber nur gegen Lewis bestehen und eine Meisterschaft gewinnen, wenn du über eine ganze Saison deine Höchstleistungen abrufst. Das müssen wir jetzt mit ihm besprechen. Das Talent und die Intelligenz hat er.“
Sogar, dass Russell Bottas schon im nächsten Jahr ersetzen kann, schließt der Mercedes-Boss nicht mehr ganz aus: „Wir haben zwar eine fixe Fahrerplanung für nächstes Jahr, aber man weiß ja nie: Der schwarze Schwan schwimmt immer dann vorbei, wenn man es am wenigsten erwartet. Über kurz oder lang wird George in unserem Auto sitzen.“
Soll heißen: Obwohl der Finne Bottas 2021 einen Mercedes-Vertrag hat, scheint sein Verbleib im Team nicht mehr sicher. Bottas, der als Achter nur einen Platz vor Russell ins Ziel kam, reagiert säuerlich, kontert die Kritik seines Chefs in seiner Medienrunde nach dem Rennen: „Wenn man nicht alle Details kennt, dann sehe ich vielleicht wie der Depp aus. Das ist nicht so schön. So gesehen war es sehr schlechtes Rennen für mich und man kann leicht behaupten, da kommt ein neuer Mann dazu und schlägt den Mann, der schon jahrelang im Team ist. Nicht ideal. Doch es gibt Leute, die wissen Bescheid“, so der Finne.
Allein, die Kontroverse zeigt: Es kracht im Gebälk bei den Silberpfeilen. Die Vertragsverlängerung von Superstar Lewis Hamilton soll kurz vor der Tür stehen. Und ob er 2021 an der Seite von Bottas den Angriff auf seinen achten WM-Titel nimmt, steht plötzlich in den Sternen. Bottas sollte sich nicht mehr so sicher sein. Auch weil Wolff persönlich im Management von beiden eine Rolle spielt. Da sind Verträge dann nicht mehr so viel wert.
Von: Ralf Bach und Bianca Garloff
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