Haas-Teamchef Günther Steiner wird Mick Schumachers erster Boss in der Formel 1. Hier spricht der Südtiroler exklusiv mit unseren Reportern Bianca Garloff und Ralf Bach über seine neue Rolle
Herr Steiner, Sie sind jetzt ein Superstar ein Deutschland, weil Sie mit Mick Schumacher dem Sohn der Nation einen Vertrag für nächstes Jahr gegeben haben. Das zeigt das gewaltige Medienecho. Sind Sie sich dessen bewusst?
Günther Steiner (55, lacht): Das ist nicht gut. Dann kennen mich die Behörden jetzt leider. Ich habe nämlich gerade aus Deutschland einen Strafzettel bekommen. Ich bin wohl etwas zu schnell gefahren. Um auf die Frage zurückzukommen: Ich bin mir der Verantwortung bewusst. Ich weiß auch, was es bedeutet, mit jungen Fahrern wie Mick Schumacher und Nikita Mazepin umzugehen. Es wird Höhen und Tiefen geben. Aber wenn man die Möglichkeit hat, so etwas zu machen, sollte man die Chance ergreifen. No risk, no fun. Ich mag keine Leute, die aus Vorsicht immer Nein sagen.
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Was sind die Vorteile?
Ganz ehrlich: Wir sind im Moment nicht gerade das beste Team. Aber für Mick ist das gut so. So haben wir die Möglichkeit, gemeinsam zu wachsen. Er weiß, wo er dran ist. Und er hat am Anfang nicht so viel Druck. Hätten wir ein superschnelles Auto, mit dem man vorne aus eigener Kraft mitfahren könnte, würde jeder von einem Schumacher gleich Siege erwarten. Bei uns ist das nicht so. Das heißt, er hat mehr Zeit und Ruhe sich zu verbessern und zu lernen. Dazu kommt: 2021 ist für uns Übergangsjahr, weil sich das Reglement ja erst für 2022 drastisch ändert. Deshalb wollte ich Fahrer haben, die 2021 lernen und 2022 dann bereit sind. Ich nehme die Verantwortung sehr ernst. Es wird sicher auch Kritik geben, aber das nehme ich hin. Ich mag sowieso keine einfachen Sachen, sondern liebe die Herausforderung.
Trotzdem: Mit Kevin Magnussen und Romain Grosjean arbeiteten Sie lange mit erfahrenen Piloten zusammen. Dagegen sind Mick Schumacher und Nikita Mazepin Welpen für Sie. Belegen Sie jetzt ein Kinder- und Jugendbuch-Seminar, um die Welt der Kids zu begreifen, oder reden Sie deswegen noch mehr als sonst mit Ihrer Tochter, die vom Alter her den beiden Youngstern näher ist als Sie es sind?
Steiner (lacht): Na ja, im Kopf bin ich sehr jung geblieben. Klar ist es anders, ob du beispielsweise mit zwei 21jährigen Termine hast oder mit zwei Routiniers. Es gibt Dinge, die für die beiden noch neu sind und für mich normal. Das aber sind Kleinigkeiten. Ich habe bisher noch nicht so viel Zeit gehabt, tiefgehende Gespräche mit ihnen zu führen. Das lag einerseits an den Gesetzen der Pandemie, die jedes Team zwingt, in seiner eigenen Blase zu leben. Andererseits müssen Sie ja erst noch ihre Formel-2-Saison zu Ende fahren – und da schadet es nur, wenn man sie zu sehr ablenkt. Aber die Idee, mehr mit meiner Tochter zu reden ist gar nicht so schlecht.
Sie haben das Umfeld von Mick Schumacher gelobt. Mit wem haben Sie die Vertragsgespräche geführt?
Hauptsächlich mit Sabine Kehm, die ja schon lange für die Familie Schumacher tätig ist, und mit Micks Anwälten. Ich habe an den Fragen gemerkt, das es da ein sehr professionelles Umfeld gibt, mit viel Erfahrung im Hintergrund.
Sie haben schon Wochen angedeutet, wie besonders es wäre, mit einem Schumacher arbeiten zu dürfen. Jetzt haben Sie den Deal eingetütet. Wie stolz macht Sie das?
Das ganze Team ist stolz darauf. Ich habe Leute im Team, die haben schon mit Micks Vater gearbeitet. Die haben vor Freude richtig feuchte Augen bekommen. Aber wir wissen auch, dass die Verpflichtung von Mick nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen bedeutet, sondern auch extrem viel Verantwortung. Es gilt den Druck des Namens von ihm fernzuhalten und ihn gleichzeitig immer besser zu machen. Die Freude überwiegt da eindeutig. Im übrigen ist es auch für die Formel 1 gut: Michael ist eine Legende, jetzt ist der Sohn da. Wir bringen den Namen Schumacher zurück in die Formel 1. Das sind doch genau die Geschichten, die alle brauchen. Aber eins will ich klarstellen: Mick hat den Job nicht wegen des Namens bekommen, sondern wegen seiner Leistungen. Er hat bisher alle Meisterschaften gewonnen, in der Formel 2 gewinnt er an diesem Wochenende vermutlich wieder, wird aber mindestens Zweiter. Das heißt: Selbst wenn er Mick Müller heißen würde, hätten wir und andere ihn auf dem Zettel gehabt. Zusammenfassend kann ich sagen: Ich finde die Situation extrem cool und es ist eine große Ehre für mich und das Team.
Welchen menschlichen Eindruck hat Mick bisher auf Sie gemacht?
Er ist extrem gut vorbereitet und sehr fokussiert. Er will den Erfolg mit allem, was er hat. Ich freue mich, weil ich gesehen habe, wie sehr er sich gefreut hat, als er die Nachricht bekam, dass er zu uns kommt. Das war auch für ihn nicht selbstverständlich.
Waren Sie es eigentlich, der Mick mitgeteilt hat, dass er den Formel-1-Platz sicher hat?
Ich glaube schon. Ich habe ihn jedenfalls angerufen, vor einem Monat etwa, und es ihm gesagt. Er hat sich jedenfalls extrem gefreut, er war richtig happy in diesem Moment. Ist ja auch klar, weil gerade sein erster großer Traum wahr wurde.
Konnten Sie selbst entscheiden oder hatte sein Hauptarbeitgeber Ferrari Mitspracherecht?
Wir haben angefangen zu reden, als ich die Entscheidung getroffen hatte, mit jungen Fahrern arbeiten zu wollen. Irgendwann ging es bei den Ferrari-Junioren nur noch um ihn, weil er in der Formel-2-Meisterschaft vorne lag. Wir wollten den Besten haben und wenn der dann auch noch Schumacher heißt: umso besser!
Hat die Verpflichtung von Mick auch Haas‘ Ausstieg aus der Formel 1 verhindert? Sie sagten ja selbst, durch den Ausbruch der Pandemie und die dadurch entstandenen finanziellen Engpässe war es gar nicht so in Stein gemeißelt, dass Ihr Team weitermachen kann…
Nein, das hat mit Mick nichts zu tun. Das Problem wurde schon früher gelöst.
Mick bleibt Ferrari-Junior. Damit ist Ihr Motorpartner jetzt auch noch mehr in der Verantwortung. Da müsste es doch selbstverständlich sein, dass sie Ihr Team noch mehr unterstützen als es vorher schon der Fall war.
Sie machen auf jeden Fall mehr Druck. Hoffentlich können Sie uns weiterhelfen, aber im Reglement ist klar definiert, was man darf und was nicht. Autos kopieren darf man nicht, das wissen wir ja seit dieser Saison (lacht)
Schwachpunkt in dieser Saison war der Ferrari-Motor. Den müssen sie auf jeden Fall wieder konkurrenzfähig machen.
Das würde auf jeden Fall helfen.
Wie geht es nach Bahrain weiter?
Ich habe Mick am Mittwoch gesagt: „Du wirst erst am Montag wieder von mir hören. Bis dahin konzentrierst Du dich ganz auf Dein Formel-2-Rennen.“ Deshalb wollten wir die Verpflichtung vor dem letzten F2-Rennen bekannt geben. Ab Montag kommen Mick und Nikita beide in die Haas-Blase. Mick wird dann am Freitag das erste Freitagstraining für uns fahren. Und danach beide die Testfahrten, die Dienstag und Mittwoch nach dem Rennen stattfinden.
Wenn Romain Grosjean in Abu Dhabi noch nicht fit ist, könnten dann Mick Schumacher oder Nikita Mazepin für ihn einspringen? Oder wieder Fittipaldi, der ihn in Bahrain ersetzt?
Darüber habe ich und will ich mir noch keine Gedanken machen. Am Dienstag müssen wir unseren Piloten für das letzte Rennen in Abu Dhabi melden. Dann müssen wir schauen, wie es Romain geht und danach erst kann man sich Gedanken machen. Aber ehrlich gesagt: Würde es Sinn machen, Mick oder Nikita das Rennen fahren zu lassen? Eher nicht. Man muss den Druck nicht künstlich erhöhen.
Apropos Grosjean: Was haben Sie im ersten Moment gedacht, als Sie Ihren Fahrer im Feuerball gesehen haben?
Es dauerte etwas, bis ich merkte, dass es mein Auto war. Sein Ingenieur sagte gleich danach: Er ist raus aus dem Auto. Das ging viel zu schnell, um sich ernsthaft Gedanken zu machen. Sein Physiotherapeut lief dann gleich ins Medical Center und erzählte uns, dass er keine schweren Verletzungen hatte. Danach ging es dann darum, wie man so schnell wie möglich kommunizieren kann, dass dieser Horrorunfall glimpflich verlaufen ist. Grosjean hat ja viele Freunde. Deshalb nutzten wir das Fernsehen und die sozialen Medien, die dafür diesmal optimal waren.
Überwiegt die Erleichterung, dass relativ wenig passiert ist oder der Schreck, dass auch in der heutigen Zeit noch ein Auto in Flammen aufgehen kann?
Absolut die Erleichterung. Auch das Glück, das wir hatten, war mir bewusst. Denn trotz aller großartigen Sicherheitsmaßnahmen: Die Physik hat ihre Grenzen. Wenn die Kräfte zu groß werden, kann immer noch alles passieren. Da kann auch ein Auto in Flammen aufgehen, auch wenn es das nicht sollte. Grundsätzlich hat das Auto alles richtig gemacht. Aber selbst die beste Sicherheits-Technologie stößt irgendwann an ihre Grenzen. Wir müssen jetzt aus dem Unfall lernen. Denn man kann immer alles besser machen.
Weiß man, warum das Auto in Flammen aufging?
An zwei Stellen ist Benzin ausgetreten. Wenn ein vollgetanktes Auto in zwei Teile zerbricht liegen Leitungen frei, der Einfüllstutzen wurde zerfetzt , da tritt dann Benzin aus. Wir müssen jetzt herausfinden, wo und warum der Brand entstanden ist und daraus die Lehren ziehen. Was wir aber wissen: Der Tank selbst blieb unversehrt. Und Halo hat ihm das Leben gerettet. Das kann man mit Sicherheit sagen.
Haben Sie mit Grosjean auch über die Unfallursache gesprochen? Er hat, das muss man objektiv sagen, sich selbst in die Situation gebracht.
Ja, aber aufgrund der Situation sehr vorsichtig. Ich habe ihn am Montag im Krankenhaus besucht und ihm erst mal zu verstehen gegeben, wie froh wir sind, dass es ihn noch gibt. Man muss wissen: In den fünf Jahren, die wir zusammen gearbeitet haben, mit allen Erfolgen und Reibereien, hat sich zwischen uns eine Art Hass-Liebe entwickelt. Aber in einer solchen Situation gibt es nur noch Liebe. Als er mich gefragt hat, wieso er überhaupt so in den Leitplanken gelandet war, konnte ich ihm nur vorsichtig eine Antwort geben. „Lieber Romain“, sagte ich, „Du bist dem Kvyat übers Vorderrad gefahren.“ Das war ihm gar nicht bewusst.
Wie ging Teamkollege Kevin Magnussen mit dem Unfall um?
Er hat den Unfall ja aus der ersten Reihe erlebt und später auf den Bildschirmen. Er konnte gar nicht glauben, dass sich Romain befreien konnte. Er war richtig erschrocken.
Hat der Unfall nicht auch einen positiven Aspekt: Nämlich den, dass die ganzen Kids und Fans sehen konnten, wie gefährlich Formel-1-Fahrer immer noch leben und dass es deshalb etwas ganz Besonderes ist, was sie da tun? Sie sitzen eben an keiner Playstation und starten das Programm neu, wenn sie an die Mauer gefahren sind.
Kann man so sehen. Es ist kein Spiel. Deshalb war ich auch dafür, dass man die Unfall-Bilder gezeigt hat. Weil der Feuercrash ja gut ausging. Jetzt wissen die Leute, dass unsere Fahrer immer noch ihr Leben riskieren – trotz der maximalen Sicherheit. Sie können – wenn alles schief läuft – ihr Leben verlieren.
Von: Bianca Garloff und Ralf Bach
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