Am Sonntag startet die Formel-1-Saison in Spielberg. F1-Insider.com sprach vorab mit Red Bull-Chefberater Helmut Marko
Herr Dr. Marko, in Österreich beginnt am Sonntag die Formel-1-Saison auf dem Red Bull-Ring mit dem ersten von zwei Rennen in Folge. Wie schwierig war es für Red Bull als Veranstalter, diese Doppelveranstaltung auf die Beine zu stellen?
Helmut Marko (77): Am Anfang war die Idee. Als die erste Schockstarre wegen der Pandemie erst mal abgeklungen war, war uns klar, dass das Leben unter den gegebenen Umständen nicht stillstehen darf. Also wurde überlegt, was man tun kann. Handeln ohne Reflektieren bringt genauso wenig etwas wie Reflektieren ohne zu handeln, besonders in schweren Zeiten. Für uns war im Mai die Zeit zu handeln. Als Herr Mateschitz grünes Licht gab, begannen wir sofort die Gespräche mit Liberty, dem Rechteinhaber der Formel 1. Wir mussten der Bundesregierung ein Konzept vorlegen, das alle Sicherheitsmaßnahmen gewährt und somit akzeptiert werden konnte. Wichtig dabei: Es durfte keine Zuschauer geben und die Formel 1 musste ihr Personal circa um die Hälfte einschränken. Und: Es musste eine lückenlose Erfassung der notwendigen Corona-Tests gewährleistet werden.
Wie muss man sich das Wochenende für die Beteiligten in etwa vorstellen?
Marko: Jedes Team reist für sich und bleibt dann für sich. Auf der Rennstrecke, dann in den Hotels. Ohne negativen Testbescheid kommt gar keiner ins Gelände. FIA und Liberty haben ein meiner Meinung lückenloses System entwickelt, das strengstens kontrolliert wird. Es wird auch zwischen den beiden Rennen zwei Tests geben, die von beauftragten Firmen durchgeführt werden. Alle sind besonders vorsichtig, weil unsere Rennen ja auch als Test für die kommenden Veranstaltungen gelten. Da darf nichts schiefgehen.
Gerade das Rennen in Österreich galt bisher als eines der besten, weil die Fans dort für eine einzigartige Atmosphäre gesorgt haben. Die fehlen jetzt aber…
Marko: …Ja, das ist sehr schade, aber unter diesen Umständen ist eine Veranstaltung mit Fans im Moment nicht möglich. Die Alternative wäre kein Rennen gewesen. Die Bundesliga hat ja gezeigt, dass man mit Mut, Konsequenz und der Situation angepassten Konzepten den Sport durchaus erfolgreich weiterführen kann.
Wie wichtig war es auch für Sie, dass die deutsche Bundesliga so früh wieder zu spielen begonnen hat?
Marko: Sie setzten eine Initialzündung. Davor ziehe ich meinen Hut. Die Macher dort haben gezeigt, dass man sich niemals mit Situationen abfinden darf, sondern das Beste daraus machen muss. So sehen wir das auch.
Kommen wir zum Sportlichen: Wie schätzen Sie die Leistungsstärke der einzelnen Teams zum Saisonauftakt ein?
Marko: Bewertet man die Testfahrten in Barcelona vom Februar, so ist Mercedes leicht vorn. Dann kommen wir und dann, mit etwas Abstand, Ferrari. Wir erwarten einen Zweikampf um den Titel zwischen Lewis Hamilton und unserem Max Verstappen. Wir sind jedenfalls gerüstet. In dieser Saison darf man sich keinen Fehler erlauben, was gar nicht einfach ist, da man auf Grund der unsicheren Kalendersituation bei jedem Rennen wiederum mehr riskieren muss, um keine Punkte zu verschenken.
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Konkret heißt das?
Marko: Konkret heißt das: Bisher stehen acht Rennen sicher fest, 15 sind geplant. Wie viel es am Ende werden, weiß noch niemand ganz genau. Das bedeutet grob gesagt: Jedes Rennen ist quasi wie ein Endspiel, das man gewinnen will. Wir haben aus unseren Fehlern aus dem letzten Jahren gelernt. Da waren wir erst ab der Mitte der Saison richtig konkurrenzfähig. Das haben wir geändert, das hat man in Barcelona schon gesehen.
Konnte man nach den Testfahrten in Barcelona viel am Auto entwickeln?
Marko: Seit der Öffnung im Werk in Milton Keynes konnten wir die Zeit da recht gut nutzen. Wir fuhren in einem Drei-Schicht-Betrieb. In Österreich kommen wir zum Saisonstart mit dem dritten Update seit Barcelona. Aber es ist nur Theorie. Wir konnten wie alle anderen unsere Daten nur auf Simulationen beziehen, aus CFD-Analysen und Windkanaltests. In Spielberg kommt die Wahrheit auf die Straße. Aber wir sind guter Dinge, auch wegen Honda. Sie waren schon vergangene Saison sehr gut und sie lernen ständig dazu. Der Maßstab ist aber immer noch Mercedes. Denn die haben ja auch nicht geschlafen. Fest steht: Mercedes und Lewis wollen den siebten Titel. Wir wollen Weltmeister werden, mit Max den jüngsten Titelträger haben. So haben wir beide einen internen Druck.
Was ist mit Ferrari und Sebastian Vettel?
Marko: Abschreiben darf man beide nie. Aber ich habe einfach den Eindruck, dass Sebastian in dieser Saison kein ein Auto hat, mit dem er um den Titel mitfahren kann. Ich hoffe, ich täusche mich. Für die Spannung und die Formel 1 ist es sicher gut, wenn mehr als zwei Teams um den Titel fahren.
Hat es Sie überrascht, dass er sich von Ferrari trennt?
Marko: Nicht wirklich. Es hat sich in den letzten Monaten abgezeichnet. Ich glaube, er hat den Glauben an Ferrari irgendwie verloren.
Auch wegen Leclerc?
Ja, aber nicht nur, weil er ein so großes Talent ist. Ich denke, es wurde im Umfeld von Leclerc eine Menge Politik gemacht. Das mag Vettel nicht. Der will Gas geben, gewinnen und keine Energie mit unnötiger Teampolitik verschwenden. Ich hoffe, Ferrari gibt ihm in seiner letzten Saison die Möglichkeit, sein Können unter Beweis zu stellen.
Kann es sich die Formel 1 2021 leisten, Vettel zu verlieren, der vier WM-Titel mit Red Bull gewann und immer noch jüngster Weltmeister aller Zeiten ist?
Marko (lacht): Genau das wollen wir ja mit Max ändern. Im Ernst: Natürlich wäre es ein enormer Verlust. Alleine die Gerüchte, dass er 2021 neben Hamilton bei Mercedes fahren könnte, sorgten medial für ein Erdbeben. Das sagt ja wohl alles. Ich befürchte nur, dass Mercedes-Teamchef Toto Wolff sich dieses Jahrhundert-Duell nicht antut. Dann muss Sebastian wohl ein Jahr Pause machen und seine Chancen für 2022 abwägen. Jung genug ist ja noch dafür.
Red Bull könnte seinen verlorenen Sohn doch wieder aufnehmen? Ein Megaduell Verstappen gegen Vettel wäre ja nicht weniger interessant. Und an Mut hat es Red Bull ja noch nie gefehlt…
Marko (lacht wieder): Wir haben Verträge mit Max Verstappen und Alexander Albon. Das ist im Moment der Stand der Dinge. In der Formel 1 kann sich aber immer etwas ändern. Nach dieser Saison, wann immer sie wie zu Ende geht, wissen wir mehr.
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