Experten beantworten die wichtigsten Fragen vorm zweiten Saisonrennen (Sonntag, 15.10 Uhr) beim Großen Preis der Steiermark in Spielberg
Nach dem ersten Rennen in Österreich und vor dem zweiten ebenfalls am Red Bull-Ring am kommenden Sonntag brennen fünf Fragen unter den Nägeln, welche F1-Insider.com von Experten und Insidern der Formel 1 beantworten lässt.
Sebastian Vettel (33) steht ohne Zweifel unter Druck. Das Auto ist nicht konkurrenzfähig, Ferrari will 2021 nicht mehr mit weitermachen, trotzdem gelang Teamkollege Charles Leclerc in Spielberg ein zweiter Platz, während Vettel einen Fehler machte und über das Auto klagte. Vettel selbst sagt: „Der Dreher war mein Fehler, keine Frage. Charles Leclerc machte die Sache sehr gut und brachte einen zweiten Platz nach Hause, der realistisch gesehen nicht unserem Leistungsstandard entspricht. Dafür muss man ihn loben, weil es gut für die Moral im Team war.“
Und was Vettel selbst betrifft: „Ich muss jetzt bis zum zweiten Rennen genau analysieren, warum mein Auto ab dem Qualifying nicht mehr wiederzuerkennen war. Ich werde alles versuchen, diesem Problem zusammen mit dem Team auf die Spur zu kommen, um zu verhindern, dass das noch mal vorkommt. Und dann versuchen, das Maximale aus einem Wochenende herauszuholen.“
Ex-Ferrari-Fahrer-Fahrer Gerhard Berger hat eine klare Meinung dazu. Berger zu F1-Insider.com: „Ferrari sollte es ernst nehmen, wenn Vettel über das Fahrverhalten des Autos klagt. Er ist nicht nur immer noch einer der besten Fahrer im Feld, sondern auch ein extrem guter Fahrzeugentwickler. Er spürt ein Auto wie kaum ein anderer. In der vergangenen Saison stellte ihm Ferrari zweimal ein Auto hin, mit dem er sich wohl fühlte. In Kanada und Singapur. Zweimal fuhr er als Erster durchs Ziel. Mehr muss man nicht sagen.“
Alpha-Tauri Teamchef Franz Tost, ein Vertrauter Vettels, meint: „Sebastian muss jetzt einfach Gas geben, kühl bleiben und mit Ferrari konstruktiv zusammenarbeiten. Er hat leider keine andere Wahl. Das gleiche gilt für Ferrari.“
Der Schlüssel liegt in der Mannschaft, die um den Fahrer herum aufgebaut wurde. Schumacher hatte die volle Unterstützung vom damaligen Teamchef Jean Todt, durfte Ross Brawn und Rory Byrne von Benetton nach Maranello lotsen. Als Vettel der Scuderia vor zwei Jahren den jetzigen McLaren-Teamchef Andreas Seidl empfahl, um Ferrari auf die Siegerstraße zu führen, wurde das abgelehnt. Die Erfolge, die Ex-BMW- und Porsche-Mann Seidl jetzt bei McLaren hat, geben Vettel recht.
Gerhard Berger sagt: „Es gab nur zwei Piloten, die es richtig geschafft haben, das Potential von Ferrari zu nutzen und Ferrari langfristig auf die Siegerstraße zu führen: Niki Lauda und Michael Schumacher. Alle anderen sind an der extremen Innenpolitik gescheitert, die bei Ferrari immer herrscht. Darunter zähle ich auch mich.“
Red-Bull-Chefberater Helmut Marko, ebenfalls einer aus Vettels innerem Zirkel, behauptet bei F1-Insider.com: „Nicht Vettel ist gescheitert, sondern Ferrari. Sie haben ihn eingekauft, um WM-Titel zu gewinnen. Aber sie haben ihm nicht die Chance gegeben, das auch umzusetzen.“
Red Bull ist in der Tat die einzige Chance für Vettel, 2021 von Anfang an um den Titel mitzufahren. Ein Stallduell Verstappen gegen Vettel hätte Züge des Klassikers Alain Prost mit Ayrton Senna bei McLaren. Dieses Duell faszinierte und sorgte für extreme Einschaltquoten weltweit. Wunderkind Verstappen hätte nichts dagegen, Vettel auch nicht.
Red Bull hätte dann mit Abstand die beste Fahrerpaarung in der Formel 1. So gut, dass man sich auf Augenhöhe mit Klassenprimus Mercedes duellieren könnte.
Es gibt aber ein Riesenproblem, das selbst ein Freidenker wie Red-Bull-Chef und Vettel-Fan Dietrich Mateschitz nicht einfach ignorieren kann. Das Problem heißt Alexander Albon. Verstappens aktueller Teamkollege ist gut, aber längst nicht auf dem Niveau Verstappens. Seine große Stärke ist aber seine thailändische Herkunft. 51 Prozent des Red Bull-Konzerns gehören einer thailändischen Familie, die Albon unterstützt. Dagegen ist sogar Marketing-Genie Mateschitz machtlos. Das stutzt ihm die Flügel.
Das gibt Marko sogar zu. Zu F1-Insider.com sagt er: „Ich habe heute morgen mit Seb über die Situation gesprochen. Unser zweites Cockpit ist aktuell mit Albon besetzt, der zur Hälfte Thailänder ist, und Red Bull gehört zu 51 Prozent Thailändern.“
Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer sähe das Duell dennoch gerne: „Es wäre für alle eine Win-Win-Situation. Für Red Bull, für die Formel-1-Macher, für die Fans. Aber es gibt offenbar geschäftliche Interessen, die dagegensprechen. Leider.“
Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone sagt zu F1-Insider.com: „Wäre ich Red Bull, ich würde Sebastian sofort zurückholen. Aus sportlicher Sicht genauso wie aus Marketinggründen.“
Bottas gewann das erste Rennen, Hamilton wurde nach einer Zeitstrafe nur Vierter. „Aber auf Dauer ist Lewis zu stark“, glaubt Gerhard Berger, „auch wenn Bottas im ersten Rennen das Maximale herausgeholt hat. Doch wenn Lewis überhaupt eine Schwäche hat, dann die, dass er beim ersten Rennen nie seine Maximal-Leistung abrufen konnte. Das wird sich aber schnell ändern.“
Helmut Marko ist nach wie vor sicher: „Unser Hauptgegner im Titelkampf ist Lewis Hamilton. Daran hat sich auch das Ergebnis des ersten Rennens nicht geändert.“
Marc Surer sieht das Kräfteverhältnis ähnlich: „Eigentlich war Lewis im ersten Rennen schon schneller. Aber die Umstände führten mit den drei Safety-Car-Phasen dazu, dass er Bottas nicht mehr attackieren konnte. Das muss in Zukunft so nicht bleiben.“
Bleibt die Frage: Warum soll Mercedes-Teamchef Toto Wolff den Mega-Marketing-Effekt riskieren, der ein siebter WM-Titel seines Superstars Hamilton auslösen würde?
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Ja, aber dafür muss alles passen. Helmut Marko nach den zwei technikbedingten Ausfällen: „Beim ersten Rennen hätten Max Verstappen und Alexander Albon aufgrund der Umstände gewinnen können. Max, weil er auf einer alternativen Strategie unterwegs war, und Albon, weil er am Ende nach der letzten Safety-Car-Phase mit den besseren Reifen fuhr.“ Marko weiß aber auch: „Mercedes ist noch zwei bis drei Zehntel vorne. Die müssen wir so schnell wie möglich aufholen.“
Marc Surer analysiert: „Ohne Safety-Car-Phasen wäre Mercedes allen davongefahren. Das ist die Realität. Aber wenn ich es jemanden zutraue, Mercedes anzugreifen, dann Red Bull. Allerdings nur mit Max Verstappen.“
Ex-Formel-1-Pilot und Sky-Experte Ralf Schumacher ist überzeugt: „Red Bull wird ein Konkurrent auf Augenhöhe sein. Da kommt noch viel, um das Auto schneller zu machen. Ich sehe Max Verstappen immer noch als ernstzunehmenden Herausforderer.“
Fakt ist: Der doppelte Ausfall von Spielberg war für Red Bull zwar ein Rückschlag, aber das heißt nichts. Wunderknabe Verstappen könnte dann den Unterschied machen.
„Ja“, ist sich Ralf Schumacher sicher. „Es ist bewundernswert, wie McLaren aus eigener Kraft schon jetzt in der Lage ist, dritte Kraft zu sein. De facto waren sie sogar schneller als Ferrari.“ Schumacher weiter: „Besonders 2021 werden sie voll bei der Musik sein, weil sie dann mit Mercedes-Motoren fahren. Ohne Renault nahetreten zu wollen: Aber der Mercedes-Motor macht bestimmt drei oder mehr Zehntel aus. Da muss man nicht lange nachdenken, wo McLaren mit einem anderen Antrieb im Heck schon jetzt stehen würde. Das zeigt auch, wie gut das Auto sein muss.“
Besonders beeindruckt ist Schumacher von Lando Norris, der Dritter wurde: „Von diesem jungen Mann wird in Zukunft noch viel kommen.“
Ex-Pilot Nick Heidfeld sieht Teamchef Seidl als entscheidenden Faktor: „Ich kenne ihn noch aus der Zeit, als ich bei BMW-Sauber fuhr. Seidl war damals extrem wichtig, eine Brücke zwischen dem Konzern und dem Team zu schlagen.“
Seidl selbst will sich nicht auf dem frühen Erfolg ausruhen: „Hinter Mercedes und Red Bull geht es extrem eng zu“, sagt er zu F1-Insider.com. „Beim ersten Rennen waren wir dritte Kraft, das kann sich aber schnell ändern. Unser Ziel ist es, eine Brücke zwischen dieser Saison und nächstem Jahr zu schlagen, wenn wir mit Mercedes-Motoren antreten werden. Dafür muss das Auto entsprechend geändert werden. Wir sind auf jeden Fall auf einem guten Weg. Sich jetzt auf den Lorbeeren auszuruhen wäre fatal.“
Von: Bianca Garloff/Ralf Bach
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