Haas-Teamchef Günther Steiner spricht über die Fahrerwahl für 2021, über die Ferrari-Probleme und einem möglichen Verkauf des Haas-Rennstalls.
Im AvD Motorsport-Magazin auf Sport1 stellte sich Haas-Teamchef Günther Steiner den brennenden Fragen rund um das Haas-Team.
Günther Steiner über…
… die Haas-Fahrer 2021
Grundsätzlich gilt: Haas hat die Qual der Wahl. Wichtig ist: Die Fahrer sollen 2021 und 2022 fahren. „Wir werden hoffentlich bald bekanntgeben, was wir machen. Das wollen alle wissen, auch das Team will das wissen. Was mir wichtig ist: Dass die Fahrer, die wir 2021 haben werden, auch 2022 im Auto sitzen. Denn da wird alles neu, da wäre es wichtig, die Fahrer zu kennen.“
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Die Tendenz geht in Richtung junger Fahrer. Steiner: „Die Formel 2 ist dieses Jahr fahrermäßig sehr stark besetzt, da sind viele Fahrer auf dem Markt, nicht nur die drei Ferrari-Junioren. Aber klar: Wir arbeiten eng mit Ferrari zusammen und wenn wir welche aus der Formel 2 nehmen, werden es höchstwahrscheinlich Ferrari-Junioren sein.“
Unter den drei Ferrari-Junioren Callum Ilott, Robert Shwartzman und Mick Schumacher wäre Schumi III für Steiner der Favorit. „Der Name Schumacher ist in der Formel 1 einer der größten überhaupt. Mick fährt auch sehr gut, führt die Formel 2 an. Er ist sehr stark dieses Jahr. Wer würde nicht einen Schumacher wollen, vor allem in dieser Form?“, fragt Steiner rhetorisch. „Aber die Entscheidung, wen Ferrari weiterschickt, die liegt bei Ferrari. Wir können sagen: Wir wollen den oder jenen, aber ich kenne die Verträge, die Ferrari mit den Junioren hat und es liegt an ihnen, wen sie weiterhaben wollen.“
Allein: Nicht nur junge Piloten sind auf dem Markt, sondern auch erfahrene Piloten wie Nico Hülkenberg und Sergio Pérez. Ist die Tür für Hülkenberg schon zu? Steiner verneint: „Wir schauen alles an und dann sprechen wir. Wir müssen als Team wissen, was wir wollen, bevor wir auf die Leute zugehen. Wir wissen, was Nico kann, er ist in der Formel 1 sehr respektiert. Wir verhandeln aber nicht mit Leuten, wenn wir nicht wissen, wo wir hinwollen. Ich hatte die letzten Wochen ziemlich wenig Kontakt mit Nico oder dem Management. Aber wir sprechen miteinander.“
Und die aktuellen Fahrer? Vor allem letztes Jahr war Steiner sauer, weil sie sich zu oft gegenseitig aus dem Rennen kegelten. Steiner: „Letztes Jahr war ein schwieriges Jahr, wir hatten neue Teile am Auto und dann fahren sie sich in die Kiste. Das war nicht Sinn der Sache. Fahrer müssen egoistisch sein und an sich denken, aber das sollte nicht auf Kosten des Teams gehen. Das habe ich ihnen nach Silverstone beigebracht, sonst hätten beide keinen Job mehr gehabt.“
… über einen Verkauf des Haas-Teams
Steiner hält fest, dass die Coronakrise für Haas ein echtes Problem war. „Wir sind ja noch ein junges Team, die Corona-Pandemie hat uns ein, zwei Jahre zurückgeworfen“, verrät der Südtiroler. „Anfang des Jahres war es schwierig, das Team am Leben zu erhalten, weil wir nicht wussten, wo die Reise hingeht. Herr Haas hat für die nächsten fünf Jahre das kommerzielle Agreement unterschrieben, jetzt muss ich wieder Aufbauarbeit leisten.“
Gerüchte über einen Verkauf des Haas-Teams etwa an Dmitry Mazepin (Besitzer des Formel-2- und Formel-3-Teams Hitech) wischt er aber vom Tisch. „Manche Leute wünschen sich, dass wir verkaufen wollen, um uns für einen kleinen Preis bekommen. Aber Gene Haas braucht nicht zu verkaufen“, stellt Steiner klar.
Und weiter: „Ich glaube nicht, dass wir das kleinste Budget haben, es gibt Teams mit einem ähnlichen Budget. Wir arbeiten sehr effizient mit einem anderen Modell, in dem wir uns sehr stark an Ferrari anlehnen. Ich glaube nicht, dass Herr Mazepin gesagt hat, dass er das Team kaufen will. Ich kenne ihn seit ein paar Jahren, weil er ja auch eigene Rennställe in der Formel 2 und der Formel 3 hat. Ich spreche immer wieder mit ihm, er ist sehr kompetent und nett.“
Daher ist auch Mazepins Sohn Nikita Mazepin ein Kandidat für ein Haas-Cockpit. Steiner bestätigt: „Herr Mazepin senior will, dass sein Sohn in der Formel 1 fährt und der Sohn will das auch – mehr noch als der Vater. Mazepin hat eine eigene große Firma, die Kunstdüngerfirma Uralkali, die das Formel-2-Team sponsert. Ich muss herausfinden, wo wir hinwollen, und wenn wir das wissen, werden wir eine Entscheidung treffen. Ich spreche mit Herrn Mazepin genauso wie ich mit Hülkenberg spreche.“
… die Ferrari-Probleme
Sportlich läuft es für Haas nicht gut: Das Team liegt nur auf Rang neun in der Konstrukteurswertung. Haas leidet vor allem unter dem schwachen Ferrari-Motor. „Mit den Regelpräzisierungen am Ende des letzten Jahres wurden ein paar Dinge geklärt und das hat dazu geführt, dass Ferrari ein Leistungsdefizit hat“, erklärt der 55-Jährige. „Ferrari hatte nicht die Zeit, den Motor auf die neuen Regeln anzupassen. Das sind die Erklärungen, die ich bekommen habe. Noch haben wir Geduld. Wenn der Motor nicht nächstes Jahr nicht besser ist, wird es neue Erklärungen geben müssen.“
Steiner hofft, dass die Motorenmisere schon 2021 ein Ende haben wird. „Ferrari arbeitet hart am neuen Motor. Sie sagen mir, dass er nächstes Jahr einen großen Schritt vorwärts macht. Ich weiß nicht, wie groß der Schritt wird und ob wir dazu in der Lage sein werden, nah an den Mercedes-Motor ranzukommen, aber es sollte besser werden.“
… einen möglichen Wechsel des Motorpartners
Seit Haas 2016 in die Formel 1 eingestiegen ist, arbeitet das US-Team mit Ferrari zusammen. Könnte die Misere zu einem Wechsel führen? Zunächst hält Steiner fest: „Es gibt Gesprächsbedarf, vor allem, wenn die Leistung nicht da ist. Ohne Ferrari wären wir aber nicht in die Formel 1 gekommen. Deswegen müssen wir jetzt ein bisschen Geduld haben. Aber sicher machen wir Druck, dass es wieder nach oben geht. Denn wo wir jetzt fahren, das ist nicht sehr schön – und das ist noch nett ausgedrückt. Aber ich glaube, Ferrari kommt wieder da hin, wo sie hin wollen und müssen, aber da muss man etwas Geduld haben.“
Steiner stellt auch klar: Ein Wechsel ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. So sagt er: „Renault hat nächstes Jahr keine Kundenteams mehr, weil McLaren zu Mercedes geht. Das heißt, Renault wäre sicher bereit, uns Motoren zu geben. Aber wir beziehen ja auch andere Teile von Ferrari, zum Beispiel die Aufhängung und das Getriebe und unsere ganze Firma ist darauf ausgelegt, dass wir diese Teile einkaufen. Da große Änderungen zu machen, ist fast unmöglich, vor allem weil es 2022 sowieso viele Änderungen geben wird. Trotzdem hört man sich um. Wir können es uns nicht leisten, dass das über Jahre so weitergeht. Aber ich glaube, dass Ferrari das hinkriegt.“
… Sebastian Vettel bei Ferrari
Ist der Deutsche bei Ferrari gescheitert, wie er selbst betont hat? Steiner sieht das nicht so: „Solange man sein Bestes gibt, scheitert man nicht. Er ist gescheitert am Ziel, den Weltmeister-Titel zu holen, aber als Fahrer ist er nicht gescheitert. Man muss auch zur richtigen Zeit am richtigen Platz sein. Er sollte sich nicht selber nicht die Schuld geben, die Formel 1 ist ein Teamsport“, nimmt der Südtiroler Sebastian Vettel in Schutz.
Steiner sagt auch: „Im Moment ist es für jeden Fahrer schwierig, für Ferrari Weltmeister zu werden. Aber es gibt immer Höhen und Tiefen. Es gab auch die Zeiten, als Ferrari dominiert hat. Genauso wie Red Bull dominiert hat. Vier Weltmeistertitel – ich denke das ist okay.“
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