Nico Hülkenberg gilt nach wie vor als Kandidat auf das Cockpit von Alex Albon bei Red Bull. Im Interview spricht er drüber
Herr Hülkenberg, haben Sie schon realisiert, dass Sie dieses Jahr ganz spontan drei Formel-1- Rennen gefahren sind?
Nico Hülkenberg: Ja, schon. Die ganzen Ereignisse sind jetzt ja schon eine Weile her. Meine Einsätze waren immer sehr kurz und sehr geballt. Aber sehr spannend. Ich mag solche verrückten Herausforderungen! Im Nachhinein ist es sowieso leicht zu sagen, wie toll es war. Denn es ist ja auch alles gut gelaufen. Aber ich bin dankbar dafür, dass ich noch mal die Bühne bekommen habe, ansonsten wäre mein Name jetzt sicher weniger präsent.
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Sie werden mittlerweile als Feuerwehrmann der Formel 1 bezeichnet. Ist das auch eine Bestätigung für Sie?
Die Feuerwehrmann-Geschichte ist ein Nebenprodukt der Geschichten. Natürlich nehme ich das auch wahr. Aber ich bin eher stolz auf die Leistungen und das, was ich da umsetzen konnte.
Wie fühlt sich ein Qualifying ohne Vorbereitung an?
(lacht) Im ersten Moment undankbar. Mir war von vornherein klar, dass es nahezu unmöglich wird, über den letzten Platz hinaus zu kommen. Weil die Umstände einfach zu extrem waren: komplett aus der kalten Hose! Zum Glück hatte ich ja noch den Sonntag. (lacht) Aber am Ende hatte ich auch nichts zu verlieren. Also: reinsetzen und machen! Das sind Chancen im Leben, die musst du einfach wahrnehmen.
Sie liegen jetzt auf WM-Platz 15 zwei Plätze hinter Sebastian Vettel im Ferrari. Was sagt Ihnen das?
Das war mir bisher gar nicht so bewusst. Allerdings spiegelt das natürlich auch Sebastians schwieriges Jahr in Zahlen wieder.
Hätten Sie gedacht, dass Sie aus so einer Situation heraus wieder zum Kandidaten für ein Top-Team, nämlich Red Bull, werden?
Nein. Das konnte man so nicht erwarten. Umso dankbarer bin ich, dass es bis hierher so gelaufen ist.
Was würde es Ihnen bedeuten, wenn Sie jetzt doch noch mal einen Platz in einer Spitzen-Mannschaft ergattern würden? Sie waren ja mehrfach kurz davor.
Einmal war ich realistisch nah dran (bei Ferrari; d. Red.) und natürlich wäre das eine Hammer-Geschichte. Im Herbst meiner Karriere noch mal so eine Möglichkeit zu bekommen, da bin ich extrem heiß drauf. Und generell spüre ich auch, wie sehr mir der Wettkampf fehlt.
Warum brauchen Sie eigentlich einen Bausparvertrag? Den haben Sie beim Red Bull-Sender Servus TV erwähnt, als Sie nach einem neuen Vertrag gefragt wurden.
Es ist immer gut vorzusorgen (lacht). Man weiß ja nie, was kommt. Das hat mein Jahr ja gezeigt.
Sie müssten bei Red Bull gegen eines der Supertalente der Gegenwart antreten: Max Verstappen.
Verstappen? (grinst)
Das ist dieser Holländer, der sich bei Red Bull ziemlich stark für Sie einsetzt. Und eines der größten Naturtalente aller Zeiten.
Stimmt. Von ihm habe schon gehört (lacht). Verstehe mich auch ganz gut mit ihm… Im Ernst: Max ist gefühlt schon weit mehr als ein Supertalent, eine richtige Hausnummer. Aber mit solchen Gedanken beschäftige ich mich momentan nicht. Das ist mir zu viel Konjunktiv.
Wer war bisher Ihr stärkster Teamkollege?
Das ist schwer zu vergleichen. Im ersten Jahr war Rubens Barrichello natürlich auch ein Brett für mich. Ich war neu, er war extrem erfahren. Gleichzeitig muss ich Checo (Perez; d. Red.) hervorheben, der ein hervorragender Fahrer war und ist. Dann bei Renault natürlich auch Daniel.
Warum hat es früher eigentlich nie mit Red Bull geklappt? Sie waren ja auch schon zu Juniorenzeiten nicht gerade langsam…
Unsere Wege haben sich schon immer mal wieder gekreuzt, sind aber im Laufe der Jahre eher parallel verlaufen. Ich bin in den Nachwuchsserien gegen einige Red Bull-Junioren gefahren. Später auch in der Formel 1.
Warum sollte Red Bull Sie jetzt nehmen? Hier können Sie verbal Ihre Bewerbung abgeben…
(lacht) In der Formel 1 läuft das nicht so mit Bewerbungsgespräch und Lebenslauf. Die Leute kennen die Resultate und wissen die Fahrer gut einzuschätzen.
Lewis Hamilton hat mit seinem siebten WM-Titel mit Michael Schumachers Rekord gleichgezogen. Wie beurteilen Sie das?
Das ist schon eine Wahnsinns-Leistung, die Lewis da seit 2014 liefert. In der Kombination mit Mercedes hat er einfach so eine Macht aufgebaut. Das hat natürlich auch seine Gründe, denn Mercedes macht einfach einen extrem guten Job – einen besseren als alle anderen. Und Lewis ist auf der Strecke ein absoluter Killer, der es einfach immer umsetzt – eben auch unter den schwierigsten Bedingungen wie z.B. in Istanbul. Lewis versteht es, seine Leistung immer auf den Punkt zu bringen. Das muss man ihm hoch anrechnen, das macht ihn zum Champion.
Sie stammen aus der Generation von Michael-Schumacher-Fans, haben seine Rekordjagd als Kind und Jugendlicher miterlebt. Hätten Sie sich je träumen lassen, dass es jemand Besseren gibt? Kaum. Michaels Leistung war übermächtig und groß. Das war immer undenkbar, dass da noch mal jemand kommt, der das toppt.
Eigentlich wollte Sebastian Vettel derjenige sein. Nun hat er mit Ferrari aber eine ganz schwierige Saison erlebt. Dass man das Fahren aber nicht so schnell verlernt, haben Sie ja in diesem Jahr erst gezeigt mit ihren unvorbereiteten Spontan-Einsätzen.
Seb hat in der Türkei ja auch gezeigt, dass er das Fahren nicht verlernt hat. Da sind offensichtlich beim Team und Fahrer dieses Jahr viele Dinge schief gelaufen, die sich auf die Leistung ausgewirkt haben.
Jetzt bekommt Vettel praktisch das Auto, mit dem Sie dieses Jahr drei Rennen gefahren sind. Was erwartet ihn da?
Erstmal erwartet ihn natürlich ein ganz anderes Team im Vergleich zu Ferrari. Ein englisches Team mit langer Geschichte, das nie ein Top-Team war, sich aber mit wenig Mitteln oft – auch als ich da war – über ihrer Gewichtsklasse geschlagen haben. Und die jetzt mit einem finanzstarken, seriösen neuen Eigner einiges bewegen wollen. Ich bin mir sicher, dass Sebastian seinen Teil zum Erfolg beitragen wird.
Kann er dort ein Auto erwarten, dessen Heck stabiler ist als das seines Ferrari?
Natürlich wird er eine Eingewöhnungszeit brauchen, wie jeder Fahrer, wenn er den Rennstall wechselt. Er muss sich eingrooven, im Auto und im Team. Aber das wird er auch meistern. Am Ende reagiert jedes Auto am Limit kritisch – und es ist unsere Aufgabe als Fahrer den absoluten Grenzbereich zu finden und damit umzugehen.
Das schafft Mick Schumacher derzeit in der Formel 2. Dort schickt er sich an, Ihr Nachfolger zu werden – denn auch Sie haben die Nachwuchsklasse schon gewonnen. Sie sind schon gegen seinen Vater in der Formel 1 gefahren, würden Sie auch gern gegen Mick antreten?
Das wäre nett. Aber wer in den anderen Autos sitzt, ist zweitrangig. Mit Sebastian, Alonso, Max und Hamilton sind genug hochkarätige Fahrer vertreten, gegen die ich gerne antreten würde. Mick macht seine Sache aber gut. Er bekommt in jungen Jahren schon viel Aufmerksamkeit und es ist nicht immer leicht, damit umzugehen. Aber er hat sich wacker in den Nachwuchsserien geschlagen.
Nun haben wir bei Ihnen sehr viel über die Formel-1-Chance gesprochen. Was ist denn, wenn die nicht klappt.
Dann schaue ich weiter. Ich habe diverse Anfragen aus anderen Rennserien, aber nichts konkretisiert. Sollte es nicht klappen, werde ich mich wahrscheinlich nach Alternativen umschauen müssen.
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