10836 Tage nach Michaels Debüt fährt heute Mick Schumacher sein erstes Formel-1-Training. Ex-Teamchef Eddie Jordan erinnert sich exklusiv ans erste F1-Wochenende des Vaters
„Bei mir kommen Erinnerungen hoch, wenn ich an Mick Schumacher denke. Michaels Sohn gibt heute am Nürburgring sein Debüt in der Formel 1. Für mich ist es, als war es gestern…
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Ich muss an seinen Vater Michael denken, der vor 29 Jahren ebenfalls sein Formel-1-Debüt gab – und zwar in meinem Team. Wirklich unglaublich, dass der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten bei mir angefangen hat! Dabei hätte es fast nicht geklappt! Grund: Ich hatte in Belgien ein kleines Problem mit den Behörden. Mein belgischer Pilot Bertrand Gachot saß in London im Gefängnis, ich hatte für das Rennen in Spa nur den Stammpiloten Andrea de Cesaris aus Italien. Also hatte ich zuvor einen Art Vorvertrag mit einem anderen belgischen Fahrer gemacht. Ein Typ namens Adams.
Doch dann kam plötzlich der damalige Mercedes-Rennleiter Jochen Neerpasch und sein Sportwagenpartner Peter Sauber mit der Idee um die Ecke, ihren Junior Michael Schumacher bis Ende der Saison fahren zu lassen. Ich verlangte Geld dafür, umgerechnet circa 200.000 Euro. Neerpasch sagte: Ok, kein Problem.
Jetzt stand da also Michael, dieser Adams aber ließ per Gerichtsbeschluss das Team pfänden. Zum Glück sprang Bernie Ecclestone in die Bresche und gab mir das Geld, um die leidige Sache aus der Welt zu schaffen. Denn ich wollte Michael unbedingt. Natürlich gab es im Vorfeld eine Testfahrt in Silverstone.
Die war wie ein Weltwunder. Ich hatte eine solche Präsenz eines jungen Typen, ein solches Talent, einen so unglaublichen Speed, ein solches Selbstbewusstsein vorher nur einmal erlebt. Mit Ayrton Senna. Michael fuhr mit einem alten Overall von John Watson auf Anhieb unglaubliche Zeiten. Meine Mechaniker und Techniker waren begeistert.
Auch das Wochenende in Spa selbst verlief dann sensationell. Schon im ersten freien Training fand er sofort das Limit des Autos. Eau Rouge? Geht locker voll, sagte er. Typisch Michael: Er musste auch gleich zu den Rennkommissaren. Wegen schlechtem Benehmen. Irgendwas war mit Alain Prost passiert, der damals bei Ferrari fuhr. „Was war los?“, fragte ich ihn. Michael zuckte nur mit den Schultern: Er habe ihn einmal mit der Faust gegrüßt, weil er wie eine Schnecke durch die Schikane gefahren sei und ihn blockiert habe. So war Michael. Noch grün hinter den Ohren aber keine Angst vor großen Namen.
Dabei war er noch nie zuvor in Spa gefahren. Sein Teamkollege de Cesaris war schon nach dem ersten Training verzweifelt. Michael fuhr auf Anhieb in die Top 10 (Elfter in Training eins, Fünfter in Training zwei, d. Red.), nahm De Cesaris fast eine Sekunde ab. Der studierte Michaels Daten und konnte sich nicht erklären, wo er den Speed herholte. Im Qualifying stellte Michael mein Auto auf Platz sieben. Das war für unser junges Team wie die Pole Position. Leider hat sein Rennen nur circa 500 Meter gedauert. Dann war die Kupplung verbrannt. War aber mein Fehler. Ich hatte wohl damals am falschen Platz gespart.
Bei seinem 300.GP 20 Jahre später übergab ich ihm eine neue, symbolisch für damals. Michael nahm mich in den Arm und sagte: „Eddie, das hätte doch damals keiner gedacht, dass wir immer noch da sind.“ Mir standen vor Rührung die Tränen in den Augen.
Ich könnte mir heute noch in den Hintern beißen, dass es nur bei dem einen Rennen in Spa blieb. Aber ich hatte am Ende keine Wahl. Nach dem Rennen in Belgien hatte sich Bernie in Michael quasi verliebt. Und auch Jochen Neerpasch war der Meinung, Jordan wäre nicht das richtige Team mehr für das Wunderkind. Er führte mich richtig vor. Er änderte nachträglich den Vertrag, indem er ein Wort austauschte. Ich hasste ihn damals, aber heute muss ich sagen: Er war einer der größten Visionäre, die der Motorsport jemals hatte. Ohne ihn und Mercedes hätte es einen Schumacher in der Formel 1 niemals gegeben.
Jedenfalls wehrte ich mich bei den Verhandlungen vor dem Italien-GP in der noblen Villa d´Este am Comer See mit Händen und Füßen. Doch Bernie hatte mich in der Hand, weil er mir ja in Belgien 14 Tage zuvor das Geld gegeben hatte. Er sagte: „Eddie, ich brauche einen Deutschen, unbedingt, und mit Schumacher habe ich ihn. Er wird ab sofort Benetton fahren. Ich finde eine Lösung, die für alle gut ist.“
Finanziell ging es uns nicht gut. Die Saison war gefährdet. Benetton oder hintenrum vielleicht sogar Mercedes kaufte Michael frei. Es war genug Geld, damit wir die Saison durchstehen konnten. Wenn man so will, hat uns Michael damit 1991 die Zukunft gesichert.“
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