Renault-Pilot Daniel Ricciardo im Interview über seine Ex-Teamkollegen Sebastian Vettel und Max Verstappen
Herr Ricciardo, erlauben Sie uns die erste Frage über Ihren alten Red-Bull-Weggefährten Sebastian Vettel zu stellen: Wie sehen Sie seinen Wechsel weg von Ferrari und hin zu Aston Martin?
Daniel Ricciardo (31): Für ihn persönlich ist es mit Sicherheit der richtige Schritt. Ich bin sicher, sie werden in naher Zukunft ein Topteam werden, das regelmäßig vorne mitfahren kann.
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Ist es auch gut für die Formel 1, einen vierfachen Weltmeister zu behalten…
Yeah, absolut. Ich freue mich auch persönlich sehr für ihn, dass er diesen guten Sitz gewinnen konnte. Aber alles hat zwei Seiten: Der eine findet einen Platz, der andere verliert ihn dafür. Ich mag Sergio Perez ebenfalls sehr gerne. Er ist ein Fahrer, der auch in die Formel 1 gehört. Deshalb drücke ich beide Daumen, dass auch er uns erhalten bleibt.
Kommen wir zu Ihnen: Sie fahren derzeit bei Renault, wechseln im nächsten Jahr zu McLaren-Mercedes. Sie gelten als Fahrer, der es immer mit den besten Fahrern im eigenen Team zu tun hatte. Sebastian Vettel und Max Verstappen bei Red Bull, Nico Hülkenberg bei Renault. Wie wichtig ist es, einen Herausforderer in den eigenen Reihen zu haben?
Sehr wichtig. Weil es Dir keine Nachlässigkeiten erlaubt, du darfst die Dinge nie schleifen lassen. Du musst immer am Limit arbeiten und das ist gut so. Wenn du einen Teamgefährten hast, der nur 80 Prozent von Dir fordert, neigst du dazu, träge zu werden. Es ist besser du hast jemanden, der dir in den Hintern tritt, wenn du nicht alles aus dir herausholst. Diese Erfahrung hatte ich besonders mit Max. Es ist doch am Ende das, was wir alle wollen: zu zeigen, dass du der Beste bist.
Wie war es für Sie, als Sie als junger Herausforderer, der 2014 bei Red Bull gegen Sebastian Vettel fahren musste, der gerade vier WM-Titel in Folge gewonnen hatte?
Ich habe es geliebt. Er hatte soviel Erfahrung. Er war der, den es zu schlagen galt. Eine Riesenherausforderung, weil es ja auch das Team war, das sie um ihn herum aufgebaut hatten. Er war ihr Baby. Ich liebte den Druck, den ich dadurch hatte. Ich konnte eine Menge von ihm lernen. Und ich hatte viel Spaß, als ich merkte: Ich kann ihn herausfordern, ich kann auf Augenhöhe mit ihm fahren. Er hatte nicht ganz soviel Freude. Aber ich konnte aus dieser Zeit eine Menge für meine Karriere lernen.
Was genau?
Es war speziell, seine Art zu arbeiten. Wie er das Team immer wieder anspornte. Er hatte diese spezielle deutsche Arbeitsethik. Extrem fokussiert zu sein, akribisch jedes Detail zu beleuchten. Manchmal war ich richtig erschrocken, wie brutal offen er ein Problem ansprach. Aber schnell lernte ich, das man nur so zum Ziel kommt. Ich mochte es, wie er das machte.
Wie reagierte er, wenn Sie schneller waren als er?
Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Denn er ist einer, der immer gewinnen will, immer schneller sein will als der andere. Es brodelte mit Sicherheit tief innen in seiner Seele. Aber er zollte mir immer Respekt. Es gab nie Intrigen oder andere Spielchen. Er gratulierte mir, wenn ich einen guten Job gemacht habe. Er war immer fair und konnte eine Niederlage akzeptieren. Aber er ging dann immer in sich, um einen Weg zu finden, besser zurückzukommen. Ich denke, dass diese Eigenschaft auch die Basis für ihn ist, so lange Jahre an der Spitze mitzufahren.
Waren Sie auch ein wenig stolz, dass Sie einer der Gründe vielleicht waren, dass Vettel Red Bull in Richtung Ferrari verlassen hat?
Danke für das Kompliment. Ich war stolz, weil ich einen guten Job gemacht habe. Aber ehrlich gesagt, war ich auch ein bisschen traurig, dass er ging. Ich wäre gerne noch eine Saison mit ihm gefahren. Auch wenn die zweite Saison sicher schwieriger geworden wäre. Aber ich denke, ich war nicht der Grund, warum er Red Bull verlassen hat. Er hat so viel mit ihnen erreicht und er brauchte einfach eine neue Herausforderung zu dieser Zeit.
Als Max Verstappen zu Red Bull kam, war es umgekehrt. Er war das junge Wildpferd, Sie der erfahrene Hengst im Team. Was war anders?
Das war meine erste Erfahrung in diese Richtung. Davor war ich immer das Wildpferd. Ja, es war anders. Er fuhr in Barcelona sein erstes Rennen für Red Bull und gewann es gleich. Das ist für einen Teamkollegen ein wahrer Alptraum. Aber ich blieb cool und wollte sofort einen Weg finden, wie ich vor ihm bleiben konnte. Denn eins war mir klar: Max ist extrem talentiert und speziell. Er wusste genau, was er wollte. Einer, der die Hundertprozent von dir abverlangt. Ich musste eine Balance für mich finden. Denn er war nicht nur richtig schnell, sondern hatte viele Unterstützer hinter sich. Ich liebte aber auch diese Art von Herausforderung. Ich denke aber, am Ende hatten wir beide was davon und das Team profitierte ebenso von unserem gegenseitigen Antreiben.
Konnten Sie trotzdem auch etwas von Max abschauen?
Ja. Max ist so unglaublich schnell von Natur aus. Er fuhr raus und wollte immer gleich am Limit fahren und der Schnellste sein. Was er auch schaffte. Damit musste ich erst umgehen. Ich musste mein Limit also auch schneller finden. Ich lernte durch ihn aber auch technischer zu denken. So wie Sebastian. Mehr über die Streckenverhältnisse nachzudenken, wann zum Beispiel die Strecke schnell ist und dann rauszufahren. Ich lernte, mich mehr auf mich zu konzentrieren und mein Ding zu machen. Um ihn so mit meinen eigenen Waffen zu schlagen.
Wie war es mit Nico Hülkenberg? Viele halten ihn immer noch für den meist unterschätzten Fahrer…
Nur in der Öffentlichkeit. Wir Fahrer wissen genau, wie gut er ist. Am Anfang bei Renault war er schneller als ich, keine Frage. Aber als ich mich an das neue Team gewöhnt hatte, konnte ich ihn herausfordern. Mir war aber von Anfang klar, dass es nicht einfach für mich werden würde. Er war sehr technisch und dazu sehr schnell. Aber er war auch viel entspannter, als ich dachte. Er ist ja auch Deutscher. Er verbrachte nur die notwendige Zeit im Fahrerlager und blieb nie länger als nötig.
Dieses Jahr fahren Sie mit Esteban Ocon, nächstes Jahr mit Lando Norris, der noch jünger ist. Sie haben ihn ja schon mal Im Spaß gefragt, ob er schon Schamhaare hat. Wie fühlt man sich als Rennopa?
Ricciardo lacht: Da habe ich viel in meiner Zeit mit Max gelernt. Ich weiß genau was zu tun ist, um schneller zu sein. Das hat auch viel mit Erfahrung zu tun. Klar, die treten das Gaspedal immer durch und lassen es besonders in superschnellen Kurven fliegen. Aber glauben Sie mir, ich habe meine Instinkte nicht verloren und kann das auch noch.
Sie sind ja auch noch nicht so alt! Wie würden Sie Ihre Karriere bis jetzt beschreiben?
Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich will aber noch mehr. Der WM-Titel ist nach wie vor mein Ziel.
Von Bianca Garloff und Ralf Bach
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