F1-Insider.com analysiert die vier Brennpunkte vom Formel-1-Saisonauftakt in Spielberg
Die Formel 1 startet in Spielberg durch. Heute gab’s das erste Training nach drei Monaten ohne drehende Räder. Mercedes-Star Lewis Hamilton beendete den Freitag als Schnellster. Alles also wie gehabt. Und doch droht gleich mehrfach Zoff. Das sind die Brennpunkte der Formel 1 beim Auftakt in Österreich.
Es brannte ihm auf der Seele. Knapp zwei Monate nach der offiziellen Pressemitteilung zur Trennung zwischen Vettel und Ferrari zum Jahresende rückte der Deutsche gleich am Donnerstag mit der Wahrheit raus. Hieß es im Mai noch, dass man die Entscheidung gemeinschaftlich gefällt habe, verriet Vettel nun ohne Vorwarnung: Es war Teamchef Mattia Binotto, der den Scheidungsantrag überraschend per Telefon übermittelte. Vettel: „ Das war natürlich in erster Linie ein Schock und kam sehr überraschend, weil die Kommunikation davor genau das Gegenteil war.“ Heißt auch: Der Deutsche wirft seinem Chef vor, unfair geflunkert zu haben.
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F1-Insider.com weiß: Ferrari war von dieser ungewollten Transparenz nicht gerade begeistert. Sky-Experte Ralf Schumacher: „Für die Arbeitsatmosphäre war das sicher nicht gut.“ Bedeutet: Auf die bessere Strategie kann Vettel nun nicht mehr bauen. Das wiederum birgt weiteres Konfliktpotential – bis hin zur vorzeitigen Trennung. 1993 wurde schon der damalige Dreifach-Champion Alain Prost von den Roten gefeuert, weil er den roten Renner mit einem LKW verglichen hatte. Red Bull-Sportchef Helmut Marko jedenfalls kann Vettel verstehen. Zu ABMS/F1-Insider.com sagt er: „Mir wäre der Kragen wohl schon früher geplatzt.“
Der Skandal ist wegen der Corona-Krise in Vergessenheit geraten. Doch die Ferrari-Rivalen warten nur auf den richtigen Zeitpunkt, den Kampf wieder aufzunehmen. Hintergrund: Der Automobilweltverband FIA hatte Unregelmäßigkeiten am Ferrari-Antrieb von 2019 festgestellt – die Angelegenheit aber in einem Deal mit der Scuderia zu den Akten gelegt. Brisant: Die Vereinbarung sollte geheim bleiben. Das brachte die Ferrari-Rivalen auf die Palme. Allen voran Mercedes.
Die Deutschen mit Teamsitz in England waren beim GP in Australien zwar zunächst zurückgerudert, fordern nun aber erneut Transparenz: „In Australien haben wir entschieden, dass es wegen der Corona-Krise nicht der richtige Moment für so eine Kontroverse war“, so Teamchef Toto Wolff. „Aber heutzutage sind Transparenz und gute Führung extrem wichtig. Und ob dort alles richtig gelaufen ist, können wir derzeit nicht beurteilen. Deshalb beobachten wir die Situation genau und werden auf das Thema zurückkommen, wenn wir klarer sehen, wie sich die Saison entwickelt.“ Ferrari-Teamchef Binotto kontert: „Wenn etwas an unserem Auto illegal gewesen wäre, hätte die FIA uns disqualifiziert.“
Einen Protest wollten sich die Hausherren am eigenen Ring in Spielberg eigentlich noch verkneifen. Doch ganz geheuer ist den Herausforderern das System am Mercedes, bei dem die Fahrer am Lenkrad die Spur der Räder verstellen und die Gummis so optimal aufheizen können, offenbar doch nicht. Von bis zu vier Zehntelsekunden, die das Dual Axis Steering bringen soll, ist die Rede. Deshalb bittet Red Bull-Teamchef Christian Horner den Weltverband FIA um Klarstellung – mittels eines offiziellen Protests nach dem freien Training. Das hat den Vorteil, dass zum Qualifying und Rennen hin alles klar ist. Der Brite: „Unsere grundlegende Frage ist: Entspricht es den Regeln? Wir reden hier nämlich von einer ziemlichen Grauzone. Wir wollen Klarheit, weil es einen Einfluss auf den Rest dieses Jahres hat.“ Antwort Toto Wolff: „Kontroversen und unterschiedliche Auffassungen zu technischen Lösungen gab es in der Formel 1 schon immer. Das steht zu erwarten und das gehört auch dazu.“
Mit Platz drei durch den Mexikaner Sergio Perez im Freitagstraining hat Racing Point nach den Wintertests erneut sein Potential gezeigt – und so für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Denn der RP11 ist eigentlich ein rosa Mercedes W10. Soll heißen: Die Aerodynamik des Autos sieht der des Weltmeister-Silberpfeils von 2019 zum Verwechseln ähnlich. Racing Point versucht noch nicht mal zu verheimlichen, dass man den Mercedes nachgebaut hat. Bleibt die Frage: Fand ein Datenaustausch statt? Das wäre verboten. Doch weil der Racing Point im Mercedes-Windkanal getestet wurde, schwant der Konkurrenz Böses.
McLaren, die mit Racing Point um den Titel „Best of the Rest“ kämpfen, will allerdings keinen Protest einlegen. Teamchef Andreas Seidl: „Wir haben keinerlei Absicht, gegen Racing Point zu protestieren. Denn wir glauben, dass es dafür keine Grundlage gibt. Racing Point hat sich für diesen Schritt entschieden, und das Reglement erlaubt dafür genug Spielraum. Ich mag diesen Lösungsweg nicht, aber ich investiere meine Energie lieber darauf, McLaren schneller zu machen.“ Allein: Renault-Teamchef Cyril Abiteboul hält sich ein Hintertürchen offen, sagt: „Racing Point hat die Diskussion um Kundenautos in diesem Jahr auf die Spitze getrieben. Wenn das Team innerhalb der Regeln operiert, dann haben sie nichts zu befürchten. Ich bin aber gespannt auf ihre Rundenzeiten.“
Die Flammen lodern – abzuwarten bleibt, aus welchem Feuerchen ein echter Brand wird.
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