Phänomen Alonso: Der Altmeister brilliert in Brasilien mit Weltklassemanövern. Experten und Fans feiern ihn, selbst Gegner Perez zieht den Hut.
Was für eine Weltklasseleistung von Fernando Alonso beim Brasilien GP: Der Aston-Martin-Pilot ringt im Kampf um Platz drei Red Bulls Sergio Perez in einem Fotofinish um gerade einmal 0,053 Sekunden nieder – und zeigt, warum er für viele Formel-1-Experten auch im hohen Rennfahreralter von 42 Jahren, neben Dauersieger Max Verstappen und Rekordweltmeister Lewis Hamilton, immer noch zu den Top-3-Fahrern der Welt gehört.
Für Alonso und sein zuletzt viel gescholtenes Team, ist das erste Podium seit dem Großen Preis der Niederlande in Zandvoort Ende August ein wahrer Befreiungsschlag: „Das ist für euch, für alle in der Fabrik und jeden im Team. Danke euch“, jubelt Alonso schon auf der Auslaufrunde am Funk und streut seiner Crew auch danach Rosen: „Wir haben nie den Fokus verloren, sind wirklich tief in die Analyse gegangen und bleiben einfach eine Einheit. Das gibt mir viel Energie, auch mit Blick auf nächste Saison.“
Das Thema des Tages in Sao Paulo ist aber trotzdem Alonsos Wahnsinnsshow gegen Perez, für die ihn die brasilianischen Fans unter dem Podium mit Sprechchören feiern. „Ich wusste, dass er kommt und eine Gefahr wird. Am Ende war es aber vielleicht sogar schwieriger als angenommen“, grinst Alonso über die packende Schlussphase: „Um ehrlich zu sein, fünf Runden vor Ende dachte ich, dass alles unter Kontrolle ist. Dann habe ich in den Spiegel geschaut und Checo war da. Ich dachte nur: ‚Oh, oh, vielleicht hat er auch Reifen gespart.'“
Perez attackiert Alonso in der vorletzten Runde und zieht vorbei am Spanier. „In Kurve sechs dachte ich schon, dass meine Chancen vorbei sind: Ich bin auf die Außenspur gegangen, aber dadurch habe ich viel Gummiabbrieb aufgelesen, meine Reifen waren danach schmutzig und haben vibriert“, so Alonso, der in der Schlussrunde als Jäger jedoch noch einen letzten Schuss mit DRS bekommt: „Das wusste Checo auch, deshalb hat er in Kurve eins spät gebremst und den Scheitelpunkt um einen Meter verpasst. Das hat mir den Run für Kurve vier ermöglicht.“
Ex-Rennfahrer Mathias Lauda adelt Alonso: „Der Konter von Fernando war unglaublich, der gibt einfach niemals auf.“ Für Sky-England-Experte Karun Chandhok war das finale Manöver des Spaniers nichts anderes als pure Weltklasse: „Perez hätte sich in Turn eins gar nicht so verteidigen müssen, da hat ihn Fernando etwas ausgetrickst. Er hat nur kurz innen angetäuscht, damit Perez abdeckt. Aber Kurve eins hat ihn in seinem Kopf gar nicht interessiert“, glaubt Chandhok: „Da war er längst am Vorbereiten für Kurve vier.“
Der ehemalige Formel-1-Pilot analysiert: „Aus dem Windschatten heraus zieht er außen vorbei und ist dann nochmal sehr aggressiv: Fernando stellt sicher, dass er sein Auto innen bis auf den Kerb bringt. Das ist keine normale Linie, aber er wollte den Scheitelpunkt abdecken und hat Perez damit aus dem Konzept gebracht, dass er dort etwas Ungewöhnliches macht.“
Das gleiche Spiel betreibt Alonso auch in der Zielkurve, wählt wieder eine alternative Linie, sodass Perez kurz lupfen muss und ihm deshalb etwas Schwung für die lange Start-Ziel-Geraden verloren geht – angesichts der unglaublichen 53 Tausendstel Abstand am Zielstrich der nächste entscheidende Griff in die Trickkiste.
Alonsos Leistung nötigt dann selbst dem geschlagenen Perez ein großes Lob ab: „Ich habe alles versucht, aber es war wirklich verdient heute für Fernando“, sagt der Mexikaner: „Wir hatten ein tolles Duell, aber es war sehr gutes, faires Racing. Davon können sich einige Fahrer eine Scheibe abschneiden, denn so wie wir es heute gemacht haben, sollte es immer sein – und das kannst du auch nur mit wenigen Fahrern machen.“ Fazit Perez: „Am Ende bin ich zwar der Verlierer, aber es ist okay, weil es einfach so ein toller Kampf war.“
Auch der Aston-Martin-Star hat nach dem Rennen nichts als Respekt für seinen Kontrahenten übrig und gibt Perez das Lob zurück: „Es war ein sauberer Kampf, sehr aggressiv, aber dennoch fair. So ist es aber eigentlich immer mit Checo, er hat da sehr gute Statistiken, hart zu kämpfen, die Rennen aber trotzdem zu beenden und beide Autos auf der Strecke zu behalten“, sagt Alonso.
Eine besondere Genugtuung dürfte der Spanier dennoch empfunden haben, dass er ausgerechnet gegen Perez siegreich aus dem Duell des Tages hervorgeht: Schließlich waren in der Woche vor dem Brasilien GP in den Medien Gerüchte aufgetaucht, Alonso plane den Mexikaner bei Red Bull 2024 zu ersetzen – eine Meldung, die nicht nur der Altmeister selbst, sondern auch Red Bull vehement dementierte. Wer Alonso kennt, weiß, dass ihm trotzdem jede Gelegenheit recht kommt, zu zeigen, wer der bessere Fahrer ist.
Schließlich muss auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem Zieleinlauf in Sao Paulo einräumen: „Fernando ist schon ein alter Fuchs, der genau weiß wann, wo und wie er die Batterie einsetzt. Am Ende hat es deshalb doch ganz knapp für ihn gereicht. Es war aber ein tolles Duell und trotzdem eine starke Leistung von Checo“, so der Brite.
Aston-Martin-Pendant Mike Krack frohlockt indes: „Das Podium nach der Durststrecke ist natürlich super und der Zweikampf von Fernando und Sergio war fantastisch. Ich dachte schon das war’s, aber dann hat uns Fernando mal wieder überrascht, mit einem der Manöver des Jahres.“ Der Aston-Martin-Teamchef lobt: „Es zeigt, was für ein großartiger Fahrer er schon immer war und nach wie vor ist.“
Die Zahlen zu Alonsos achtem Podium der Saison sind dabei tatsächlich historisch: Vor sage und schreibe 18 Jahren fuhr er in Interlagos mit einem dritten Platz im Renault zu seinem ersten von zwei WM-Titeln. Immerhin schon zehn Jahre war bis Sonntag Alonsos letztes Podest auf dem Kurs in Sao Paulo her. Der Zahn der Zeit scheint am stolzen Spanier jedoch spurlos vorüberzugehen – ganz im Gegenteil: Wie guter Wein wird er mit dem Alter offenbar einfach immer besser…
1. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull 1:56:48,894 Std.
2. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren +8,277 Sek.
3. Fernando Alonso (Spanien) – Aston Martin +34,155
4. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull +34,208
5. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin +40,845
6. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari +50,188
7. Pierre Gasly (Frankreich) – Alpine +56,093
8. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes +1:02,859 Min.
9. Yuki Tsunoda (Japan) – Alpha Tauri +1:09,880
10. Esteban Ocon (Frankreich) – Alpine + 1 Rd.
11. Logan Sargeant (USA) – Williams + 1 Rd.
12. Nico Hülkenberg (Emmerich) – Haas + 1 Rd.
13. Daniel Ricciardo (Australien) – Alpha Tauri + 1 Rd.
14. Oscar Piastri (Australien) – McLaren + 2 Rd.
Ausfälle
Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari (1. Rd.)
Kevin Magnussen (Dänemark) – Haas (1. Rd.)
Alexander Albon (Thailand) – Williams (1. Rd.)
Zhou Guanyu (China) – Alfa Romeo (23. Rd.)
Valtteri Bottas (Finnland) – Alfa Romeo (40. Rd.)
George Russell (Großbritannien) – Mercedes (58. Rd.)
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