Formel 1: Alpine

Teamchef weg, Fahrer raus – Aufräumen bei Alpine. Doch wer die Szene kennt, weiß: Das war nur eine Frage der Zeit. Die Strippen zieht einer, der schon früher mit harter Hand regierte: Flavio Briatore.
Teamchef zurückgetreten, einen Tag später ein Fahrer rausgeschmissen – die Fachmedien sprechen gerne von einem Erdbeben, das sich in den letzten beiden Tagen beim französischen Alpine-F1-Team ereignet hat. Allein: Wer die Ausschläge der Fahrerlager-Seismographen vorher richtig gedeutet hat, wurde von den Beben nicht überrascht. Der wusste, dass sie kommen.
Denn: Die Beförderung des argentinischen Nachwuchspiloten Franco Colapinto, der ab dem nächsten Rennen in Imola den teamintern von Anfang an umstrittenen Australier Jack Doohan ersetzt, war nur eine Frage der Zeit. Eins war von Anfang an klar: Die italienische Formel-1-Legende Flavio Briatore duldet keinen Widerspruch. Er bestimmt, was bei Alpine, der sportlichen Tochter der Konzernmutter Renault, passiert, er stellt in guter alter Tradition des Alleinherrschers die Weichen des Teams.
Diese Freiheit hat er sich beim Amtsantritt vor gut einem Dreivierteljahr von Renault-Chef Luca de Meo persönlich zusichern lassen. Sein Landsmann hat ihn als Feuerwehr geholt, der die Flächenbrände bei Alpine löschen und das Team zurück an die Spitze führen soll.
Briatore kam auch gleich zur Sache – nach dem bekannten Abrissbirnen-Prinzip, mit dem er Anfang der 90er Michael Schumacher und Benetton zum Weltmeister machte. Er fuhr also sofort mit dem Panzer los und walzte erst mal die Renault-eigene Motorenfabrik in Viry bei Paris nieder. Trotz Protesten lässt er Alpine ab nächstem Jahr lieber mit Mercedes-Motoren an den Start gehen.
Seine Begründung ist ebenso simpel wie einleuchtend: Renault hängt bei der Entwicklung der High-Tech-Hybridmotoren seit Jahren hinterher, das Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten ist zu schlecht, Mercedes baut die besseren Aggregate – und die sind als Leasingmotoren im Gesamtkonzept auch noch günstiger.
Dann widmete sich Briatore der Fahrerpaarung. Pierre Gasly ist dabei nicht nur als Quotenfranzose willkommen – er liefert auch starke Leistungen. Jack Doohan, in diesem Jahr vom Ersatz- zum Einsatzfahrer befördert, stand von Anfang an auf der schwarzen Liste. Briatore kaufte für spekulierte 8,5 Millionen Euro Ablösesumme lieber den vielversprechenden Colapinto aus dessen Williams-Vertrag – und parkte ihn gleich in der ersten Reihe.
Wohl wissend, dass Colapinto im Gegensatz zu Doohan auch noch zahlungskräftige Sponsoren aus seiner Heimat mitbringt. Damit war Doohans Schicksal schon zum Saisonbeginn besiegelt. Die Frage war nicht, ob Colapinto Doohan ersetzen würde, sondern nur wann.
Fest steht: Der Sohn von Motorrad-Legende Mick Doohan hatte nie eine echte Chance. Sportlich war er nicht in der Lage, sein Schicksal zu drehen. Der Australier blieb in seinen ersten sechs Grands Prix ohne einen einzigen WM-Zähler – und sorgte stattdessen mit Ausfällen für Schlagzeilen. Crash in Melbourne in der ersten Runde, Kollision im China-Sprint, selbstverschuldeter Unfall in Suzuka im freien Training, schließlich eine Startkollision in Miami – die Liste wurde zu lang und spielte Briatore in die Karten. Da reichte es auch nicht mehr, dass Doohan im Qualifying gar nicht so weit weg war von Gasly und den Franzosen in Miami sogar schlagen konnte.
Der noch relativ junge Teamchef Oliver Oakes wurde in diesem Zusammenhang gleich mit entsorgt. Ehrgeizig und motiviert wirkte der Brite noch Mitte letzten Jahres, als Alpine ihn vom F2-Team Hitech nach Enstone lockte. In Briatore sah er einen Mentor, der ihm genügend freie Hand lassen würde, das Team neu aufzustellen. Jetzt hat ihn die Wahrheit eingeholt. Bei Interviews in den letzten Wochen wirkte er zunehmend gereizt und demotiviert.
F1-Insider weiß: Oakes wollte Doohan mehr Zeit geben und war kein Fan von Colapinto. Er legte sich mit Briatore an – und verlor. Bevor ihn der Italiener rauswarf, zog er lieber selbst die Reißleine und kündigte.
Briatore, einer der cleversten und gerissensten Akteure im Fahrerlager der Formel 1, weiß, wie man von der eigentlichen Wahrheit ablenkt – und liefert der englischen Presse derzeit pragmatische Argumente, die diese nur zu gern weiterträgt. In einem Post sagt er, es hätte nie Meinungsverschiedenheiten mit Oakes gegeben. Der Rücktritt des Briten habe rein persönliche Gründe. Und lässt Oakes das Ganze dann auch noch bestätigen.
Was den Fahrerwechsel betrifft, sagt Briatore: „Wir müssen jetzt die richtigen Weichen für 2026 stellen. Dazu gehört auch eine faire Bewertung unseres Fahrerpotenzials.“ Doohan bleibe als Reservefahrer Teil des Teams, Colapinto werde zunächst nur die nächsten fünf Rennen fahren. Vor dem Heimrennen in Silverstone werde dann neu analysiert.
Allein: Hinter den Kulissen glaubt bei Alpine kaum jemand ernsthaft daran, dass Doohan noch einmal eine zweite Chance bekommt. Briatore, so heißt es, habe längst entschieden: Colapinto ist die Zukunft – und damit auch die von Alpine.
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