Ein persönlicher Nachruf auf Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz.
Mister Red Bull ist tot. Dietrich Mateschitz (78) ist am Samstag infolge einer schweren Krebserkrankung gestorben. Mit dem Mann, der der Welt Flügel verleihen wollte, verliert auch der Sport eine seine ikonischsten Figuren.
Legendär ist die Geschichte, wie er in den 80ern in Thailand den Energy Drink mit dem Symbol des Roten Stiers entdeckte und nach Europa brachte. Doch wirklich gekannt haben den öffentlichkeits-scheuen Unternehmer nur ganz Wenige. Interviews gab der Energy-Drink-Milliardär ganz selten.
2017 machte er für meinen Kollegen Ralf Bach und mich eine Ausnahme.
Ralf hatte ihn schon 2006 in seinem Büro im Hangar 7 am Salzburger Flughafen interviewt. Da verriet Mateschitz seine Formel-1-Vision mit den Worten: „Wir machen Formel 1 nicht, um nur dabei zu sein.“ Gefragt nach einem Fahrer, der Red Bull an die Spitze fahren kann, nannte er bereits da Sebastian Vettel.
Ich traf den Energy-Drink-Vorreiter erstmals in Abu Dhabi 2010. Eben jener Sebastian Vettel hatte Red Bull gerade den ersten WM-Titel beschert, da fragte ich Mateschitz, was ihn an der Formel 1 und seinem frischgebackenen Champion so fasziniert. Seine Antwort in der freudetrunkenen Atmosphäre des Final-Fahrerlagers: „Die technische und aerodynamische Gratwanderung und wie man diese in Kombination mit dem Können des Fahrers zur dualen Höchstleistung führen kann.“
Und noch etwas sagte er in der Stunde seines größten Triumphes mit dem deutschen Wunderkind: „Sebastian ist sehr wichtig für uns, aber wenn er sich eines Tages entschließt, für Ferrari zu fahren, wird auch das Leben für Red Bull Racing weitergehen.“
2017 – Vettel fuhr längst für Ferrari und Mateschitz hatte mit RB Leipzig auch dem deutschen Fußball Flügel verliehen – war es Zeit für das nächste Gespräch. Beim Red Bull-Heimrennen in Spielberg lud er uns spontan auf die Dachterrasse seines Motorhomes ein. Während des Qualifyings plauderten wir eine Stunde lang über Fußball. Mateschitz‘ ungewöhnliche Bedingung: Wir durften das Interview nicht aufnehmen. Von Max Verstappen forderte er damals den Titel als jüngster Champion aller Zeiten, von uns Journalismus alter Schule. Denn so war er: konservativ und eigenwillig, ein Freigeist.
Eine Weltanschauung, die er auch auf den Sport übertrug: „Es geht darum, Menschlichkeit zu bewahren und immer zu seinen Werten zu stehen“, erklärte er seine Philosophie. Und: „Vertraue auf die Jugend. Wir wollen Sportler, die nicht nur talentiert sind, sondern auch menschliche Werte verinnerlichen.“
Dann erzählte er uns die Geschichte vom „Easy Rider“ Didi Mateschitz, dessen Schnapsideen den deutschen Sport prägten. Der folgende Auszug des Interviews zeigt, wie der bekannte Unbekannte wirklich tickte.
Frage: In Leipzig und Umgebung ist das Publikum schon jetzt euphorisiert und dankbar. Bekommen Sie das bei Ihren Stadionbesuchen mit?
Antwort: „Zu uns ins Stadion kommen Familien mit Kindern. Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass wir die Freude am Fußball in der Region und teilweise auch in ganz Deutschland so etablieren konnten. Ich muss dann immer daran denken, dass sich meine Sitzprobe damals gelohnt hat und mein Bauchgefühl das richtige war.“
Frage: Sitzprobe?
Antwort: „Ja, das nenne ich mal so. Als ich die Idee hatte, beim SSV Markranstädt in der fünftklassigen Oberliga Nordost einzusteigen, kamen viele Zweifler an, die sagten: „Mach das nicht, das kann nicht funktionieren. Die Tradition von Lok Leipzig ist zu groß.“ Aber ich hatte halt mal die Schnapsidee. Mein Einstieg in die Formel 1 war im Prinzip auch eine Schnapsidee, sogar das Gründen von Red Bull. Die Bürger von Leipzig hatten im Vorfeld der Wiedervereinigung extremen Mut und Freigeist bewiesen. Das passte total zu meiner Philosophie und der von Red Bull. Also fuhr ich, es muss irgendwann 2008 gewesen sein, mit dem Motorrad nach Leipzig, um die Atmosphäre der Stadt einzuatmen, die Leute irgendwie kennenzulernen.“
Frage: Und dann?
Antwort: „Ich ging mit meinen Motorradklamotten in Cafés und auch zu anderen Plätzen. Keiner erkannte mich, wie auch, ich sah aus wie ein Easy Rider. Die Menschen dort waren total nett und offen. Ich lernte Leipzig als eine der tollsten und schönsten Städte kennen, die ich je besucht habe. Da stand für mich fest: Allen Unkenrufen zum Trotz ziehe ich das jetzt durch. Ganz wichtig aber war dabei: Ich wollte einen kleinen Klub haben, um von ganz unten etwas aufzubauen. Einen Klub zu kaufen, der schon etabliert war, das wäre nicht infrage gekommen.“
Mateschitz war immer ein Kämpfer, ein Macher, ein Self-Made-Milliardär eben. Seinen letzten Kampf konnte er nicht gewinnen. Seit mehr als einem Jahr schon war er aus der Öffentlichkeit verschwunden. Mit Dietrich Mateschitz verliert der Sport einen großen Visionär und Unterstützer.
Auch für uns Journalisten geht eine Ära zu Ende. Ruhe in Frieden, Dietrich Mateschitz.
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