Ferrari blamiert sich bei Charles Leclerc erst mit der Strategie, dann wird der Monegasse auch noch disqualifiziert. Die Experten schlagen die Hände über dem Kopf zusammen.
Was für ein Absturz für Charles Leclerc beim USA GP in Austin. Das Rennen nimmt der Ferrari-Star vom ersten Startplatz aus auf, am Ende steht er wieder mal mit leeren Händen da. Die Verantwortung dafür trägt in Texas ausschließlich sein Team: Erst verpatzt die Scuderia wie so oft die Rennstrategie, dann wird Leclerc auch noch wegen eines nicht regelkonformen Unterbodens disqualifiziert. Statt Platz sechs gibt es null Punkte.
Schon während des Rennens macht Leclerc seinem Frust Luft: Eine Szene, symptomatisch für das nach wie vor herrschende Strategie-Chaos bei Ferrari, bringt das Fass für den Monegassen bereits im Cockpit zum Überlaufen: „Was denkst du über Plan C? Oder bleiben wir bei Plan D?“, fragt ihn sein Renningenieur in Runde 45. „What the f***! Plan C ruiniert mir das Rennen. Es ist zu spät“, wütet Leclerc, der kurz zuvor chancenlos zusehen muss, wie ihn Lewis Hamilton mit frischen Reifen überholt und vom Podest schubst.
„Warum fragen sie ihn überhaupt? Die Strategie kommt von den Strategen, nicht vom Fahrer“, kritisiert Experte Mathias Lauda bei Servus TV den Kommandostand der Roten. „Der kämpft und muss am Limit fahren. Er kann nicht auch noch mitdenken, ob er jetzt doch noch reinkommen soll und wie weit der Abstand nach hinten oder vorne ist. Das ist überflüssig und macht ihn ja nur nervös – und wütend, wie man gehört hat“, so der Österreicher.
Dabei weiß Leclerc zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass es noch viel schlimmer kommen wird. Fünf Runden später fordern ihn die Scuderia-Verantwortlichen auch noch auf, seinen Teamkollegen durchzuwinken, der auf einer deutlich besseren Zweistopp-Strategie ist. Leclercs Einstopp-Strategie ist da längst gescheitert. „Warum muss ich Sainz vorbeilassen? Lasst uns nach dem Rennen mal reden“, mault ein frustrierter Leclerc am Funk.
Nach dem Rennen legt der Monegasse nach und spart dabei nicht mit Kritik am eigenen Team: „Früh im Rennen dachten wir, dass Einstopp und Zweistopp sehr eng beieinander liegen. Ich habe die Zahlen auf dem Display gesehen und sie waren ziemlich gut, was den Reifenabbau mit nur einem Stopp betrifft“, wundert sich Leclerc.
„Deshalb habe ich mich dafür entschieden, doch das war leider die falsche Entscheidung. Irgendetwas hat mit unseren Zahlen heute nicht gestimmt, wir waren weit weg von der idealen Rennstrategie“, sagt der Monegasse und fordert: „Das müssen wir uns anschauen. Ich verstehe nicht, wie unsere Zahlen so ein falsches Bild erzeugen konnten. Wenn ich von Pole losfahren und am Ende liegt Carlos (Sainz; d. Red.) zehn Sekunden vor mir, dann kann einfach etwas nicht stimmen.“
Von den Experten kriegt Ferrari für die unerklärliche Strategiewahl ordentlich Spott. Ex-Weltmeister Jenson Button schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Wenn man sich den Sprint gestern anschaut, waren sie das Auto, das den meisten Reifenverschleiß hatte. Wie kommt man dann auf die Idee mit einer Einstopp-Strategie?“, fragt der Brite: „Es hat Charles sofort aus dem Kampf genommen, weil er ja auch von Beginn an auf die Reifen achten musste.“
US-Rennfahrerin Danica Patrick wundert sich bei Sky Sports über die Roten: „Ich verstehe nicht, warum sie den Führenden (am Start; d. Red.) auf eine einzigartige Strategie setzen. Warum gehen sie nicht auf eine sichere Strategie mit zwei Stopps? Ferrari macht da einfach konstant Fehler.“
Immerhin: Teamchef Fred Vasseur gesteht diese am Sonntag in Austin unumwunden ein. Der Franzose sagt: „Bei Charles haben wir einen Fehler gemacht und uns relativ früh für Einstopp entschieden. Das war keine gute Entscheidung, das haben wir auch schnell gemerkt, aber da war es schon zu spät.“ Wirklich? Mercedes erging es mit Hamilton schließlich ähnlich, auch ihn kostete ein Flirt mit der Einstopp-Strategie zu Beginn Zeit, ehe die Stuttgarter den Fehler korrigieren – am Ende kam der Brite noch bis auf 2,2 Sekunden an Sieger Verstappen ran.
Vasseur räumt unterdessen ein, dass die Konkurrenz, allen voran die Mannen in Blau, mal wieder einen besseren Job gemacht haben: „Es gibt keine Entschuldigung. Verstappen zum Beispiel hat die Situation (mit den Reifen; d. Red.) besser gelesen als wir. Natürlich ist das frustrierend“, sagt der Ferrari-Teamchef.
Die Ehrlichkeit der Chefetage scheint offensichtlich auch bei Leclerc gut anzukommen, der sich allem Ärger zum Trotz deshalb am Ende doch noch schützend vor sein Team stellt und erklärt: „Ehrlich gesagt: Wann immer du die Pace nicht im Auto hast, vor allem im Rennen, ist es egal, welche Entscheidungen du triffst: Sie werden schlecht aussehen und im Nachhinein ist es immer leicht zu sagen.“
Eine lobenswerte Geste des Monegassen, der zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste, dass ihm sein Team im Nachhinein gleich noch einen einschenken sollte: In Form der Disqualifikation für den nicht regelkonformen Unterboden. Kurios: Weil Mercedes-Pilot Hamilton das gleiche Schicksal ereilte, landete Stallgefährte Sainz nachträglich sogar noch auf dem Podium – obwohl der Spanier nicht von der Pole, sondern nur als Vierter losgefahren war. Auf Ferraris Strategieabteilung übertragen heißt das dann wohl: Auch ein blindes Hund findet mal ein Korn…
1. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull 1:35:21,362 Std.
2. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren +10,730
3. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari +15,134
4. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull +18,460
5. George Russell (Großbritannien) – Mercedes +24,999
6. Pierre Gasly (Frankreich) – Alpine +47,996
7. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin +48,696
8. Yuki Tsunoda (Japan) – Alpha Tauri +1:14,385 Min.
9. Alexander Albon (Thailand) – Williams +1:26,714
10. Logan Sargeant (USA) – Williams +1:27,998
11. Nico Hülkenberg (Emmerich) – Haas +1:29,904
12. Valtteri Bottas (Finnland) – Alfa Romeo +1:38,601
13. Zhou Guanyu (China) – Alfa Romeo + 1 Rd.
14. Kevin Magnussen (Dänemark) – Haas + 1 Rd.
15. Daniel Ricciardo (Australien) – Alpha Tauri + 1 Rd.
Disqualifiziert
Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes: Unterboden
Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari: Unterboden
Ausfälle
Esteban Ocon (Frankreich) – Alpine (7. Rd.)
Oscar Piastri (Australien) – McLaren (11. Rd.)
Fernando Alonso (Spanien) – Aston Martin (52. Rd.)
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