Mick Schumacher könnte im Haas zur Überraschung der Formel-1-Saison 2022 werden. Alle Hintergründe
Es gibt in der Königsklasse des Automobilsports untrügliche Zeichen dafür, wenn ein neues Formel-1-Auto gelungen ist. Die Rundenzeiten bei den Testfahrten vor der Saison spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Wenn aber Vertreter konkurrierender Rennställe mit dem Finger auf einen zeigen, im äußersten Fall sogar mit Protest drohen, sollte man als Insider der Szene hellhörig werden. Weil die anderen dann Angst haben, sie könnten überholt werden.
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Allein: Die Torschlusspanik einiger Teams ist gut für Mick Schumacher (22). Den Grund erfuhr F1-Insider.com: Ausgerechnet sein neuer Haas ist das Objekt der Begierde, vor dem sich viele fürchten.
„Moby Dick“ wird sein neuer Renner schon mit einer Mischung aus Respekt und Verachtung im Fahrerlager genannt. Nicht weil er so klobig und mächtig wirkt wie Nelvilles berühmt berüchtigter weißer Wal in der Weltliteratur, sondern weil der Haas für die meisten nur eins ist: Ein weißer Ferrari.
Konkreter: Für die Konkurrenz ist der Haas ein Auto, das In Kooperation mit Ferrari entwickelt wurde und dementsprechend die gleichen Stärken zeigt, welche das rote Original bei den Tests schon hat anklingen lassen. Und das sich – überspitzt formuliert – nur mit der weißen Lackierung vom roten Renner aus Marcello unterscheidet.
Fakt ist: Der Haas VF-22 ist keine 1:1-Kopie des Ferrari F1-75, doch die Tendenz mit den etwas breiteren, unterschnittenen Seitenkästen, der dreieckigen Airbox und der nicht über den Frontflügel hinausragenden Nase ist beiden Rennwagen gemein – wenngleich der Ferrari in allem eine Spur extremer gebaut ist.
Die Prognosen im Fahrerlager lauten deshalb: Schumachers Haas, im letzten Jahr noch dauerhaft mit der roten Laterne unterwegs, könnte sich in diesem Jahr mit McLaren sogar um den vierten Platz hinter den großen Drei Mercedes, Red Bull und Ferrari balgen. Die Zeiten, die Schumacher junior und sein neuer Teamkollege Kevin Magnussen in den Wüstenasphalt von Bahrain brannten, passten schon mal zu der gewagten These.
Der Vorwurf von Teams wie Alpine oder McLaren: Viele Ingenieure und Designer, die den neuen Schumi-Renner im Haas-Designbüro und im Windkanal am Ferrari-Stammsitz in Maranello konstruiert haben, stehen entweder auf der Gehaltsliste von Ferrari oder sind 2021 von der Scuderia zu Haas gewechselt. Ein völlig legaler Trick, durch den die Italiener keine Mitarbeiter infolge der 2021 neu eingeführten Budgetgrenze in die Arbeitslosigkeit schicken mussten. Die daraus resultierende enge Verbindung aber habe nichts mehr mit dem Geist des Formel-1-Reglements zu tun, das vorschreibt: Jeder Rennstall sollte sein eigenes Auto bauen, mit eigenen Ideen und eigenen Entwicklungen.
Soviel zur Theorie. Es ist kein Geheimnis, dass Haas schon seit Jahren eine enge Partnerschaft pflegt. Dazu gehört auch, dass Haas-Teamchef Günther Steiner alle Teile bei Ferrari einkauft, die laut Reglement erlaubt sind. Lenkräder zum Beispiel, die viel mehr Geld verschlingen würden, wenn man sie in Eigenregie baute. Mit dem Auto dieses Jahr, so wird gemunkelt, könnten Haas und Ferrari die Grenze des erlaubten allerdings über Gebühr strapaziert haben.
Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer deutet den Vorwurf gegen Haas bei „F1 TV“ schon mal an: „Die Sorge ist, dass man mal zusammen einen Kaffee trinken geht, wenn man sich den Windkanal teilt“, erklärt er. „Bei diesen Gesprächen könnte man dem anderen Team dann – ganz informell – Hinweise über das Auto zukommen lassen.“
Brisant: Der US-Amerikaner weiß genau, wovon er redet. Vor zwei Jahren war er noch Rennleiter beim damaligen Racing-Point-Team, dem heutigen Aston-Martin-Rennstall von Sebastian Vettel. Der damalige rosa Renner galt als originalgetreue Kopie des Vorjahres-Mercedes und führte zu Untersuchungen durch den Automobilweltverband FIA, der Racing Point wegen illegalen Kopierens sogar bestrafte.
Mick Schumacher kann das alles egal sein. Er fühlt sich pudelwohl mit seinem „Moby Dick“. Alles sieht danach aus, dass er in seiner zweiten Saison den nächsten entscheidenden Schritt gehen kann, um sich so für höchste Aufgaben zu empfehlen.
Das Fahrverhalten des Haas taugt ihm, das Auto sei definitiv schnell. Schumacher junior ist sogar so zufrieden, dass er wie sonst nur die ganz Großen, die von der eigenen Stärke ablenken wollen, seine guten Zeiten relativiert: „Viele Teams haben wahrscheinlich noch nicht ihre volle Leistung gezeigt“, grinst der Nachwuchsmann mit dem legendären Nachnamen selbstbewusst in die Kameras. „Das heißt aber nicht, dass auch wir schon unsere volle Leistung gezeigt haben.“
Auch sein neuer Teamkollege Kevin Magnussen (29) macht ihm keine Sorgen. Der Däne, der schon in den Jahren 2017 bis 2020 bei Haas fuhr und jetzt Nachfolger des Russen Nikita Mazepin wurde, gilt als extrem schnell, erfahren und mutig. „Er war nur ein Jahr raus aus der Formel 1 und ist davor sehr lange dabei gewesen“, räumt Schumacher bei Sky ein: „Ich weiß aber, wo ich stehe und was ich kann, das schüchtert mich daher nicht ein.“
Fest steht: Den Formel-1-Vermarktern kann es nur recht sein, sollten die Befürchtungen der Konkurrenten wahr werden. Denn Liberty Media versucht gerade verbissen, das gesunkene deutsche Interesse an der Königsklasse wieder zu wecken. Ein Jungstar mit dem Namen Schumacher, der regelmäßig unter die Top Ten fahren und sogar am Podium kratzen kann, würde dabei extrem helfen.
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