Formel 1: Helmut Marko


Warum Helmut Marko wirklich aufhört – und was seine bewegte Karriere so einzigartig macht.
Er hätte eine harte Nacht hinter sich, erzählt Helmut Marko (82) gleich am Telefon. Es ist 15.31 Uhr, als er den Hörer abhebt. Er sei noch gar nicht so lange zu Hause in Graz. Marko zu F1-Insider: „Ich war am Montag bei den letzten Gesprächen mit den Red-Bull-Anteilseignern in Dubai wegen der Formalitäten meines Rücktritts. Dann gab es Probleme mit der Rückreise. Ich musste in Nürnberg landen und weiter mit dem Auto nach Graz fahren. Das erinnerte mich an die frühen Sechziger, als ich mit Jochen Rindt zum Nürburgring fuhr und uns das Geld ausging. Zum Glück hatte Jochen in Mainz die Gewürzmühle seiner Eltern geerbt – dort bekamen wir mitten in der Nacht das Benzingeld für die restliche Reise.“
Müde ist er dennoch nicht – zumindest nicht zu müde, um zu erklären, warum er nach 20 Jahren als Red-Bull-Chefberater aufhört. Acht Fahrertitel, sechs Konstrukteursmeisterschaften, 130 Rennsiege: Und jetzt Schluss. Gerüchte, er sei gegangen worden, weist er klar zurück. Marko: „Ich weiß nicht, wo das herkommt. Es stimmt nicht. Mein Vertrag lief noch ein Jahr, aber ich habe vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi beschlossen: Wenn Max die WM nicht gewinnt, höre ich auf. Zwei Punkte haben gefehlt, das habe ich persönlich genommen.“

Seine Begründung ist emotional – und typisch Marko: „Max hat alles richtig gemacht. Er fuhr auf höherem Niveau als je zuvor, in einer eigenen Liga. Es lag nicht an ihm, sondern daran, dass das Auto in zu vielen Rennen nicht auf dem Niveau der McLarens war. Dass wir in der Konstrukteurswertung unter die ersten Drei kamen, war einzig sein Verdienst. Für das Scheitern fühlte ich mich mitverantwortlich. Deshalb war klar: Ich ziehe die Konsequenzen. Nach 60 intensiven Jahren im Motorsport war jetzt der richtige Zeitpunkt.“
Um 60 Jahre Marko zu erzählen, bräuchte man eine fünfteilige Doku – mindestens. Ein Schnelldurchlauf: Auf dem Grazer Gymnasium der Fünfziger freundet er sich mit einem neuen Mitschüler an, einem Deutschen namens Jochen Rindt. Dessen Eltern starben bei einem Bombenangriff, er wuchs bei der Großmutter auf. Marko und Rindt verband sofort eine Leidenschaft: so schnell wie möglich fahren. Ihre Drifts mit einem ausrangierten Käfer in den Weinbergen sind bis heute Legende.
Die Schule interessierte beide nur am Rande. Beim erwähnten Trip zum Nürburgring wurden sie im Schlafsack vom Klang eines Ferrari-Motors geweckt – in diesem Moment entschieden sie, Rennfahrer zu werden. Rindt schaffte es früher, Marko musste zuvor sein Jura-Studium beenden, um die Erlaubnis des Vaters zu bekommen.

Nach Rindts Tod 1970 in Monza entschied Marko – nach einer langen Nacht voller Trauer –, dessen Weg weiterzugehen. Der wilde Grazer machte sich schnell einen Namen, gewann in Le Mans im bockigen Porsche 917 und kämpfte sich in die Formel 1. Enzo Ferrari wollte ihn verpflichten – doch ein hochgeschleuderter Stein, getroffen vom Auto Ronnie Petersons 1972 in Clermont-Ferrand, beendete alles. Marko verlor ein Auge.
Aus dem Fahrer wurde ein Förderer. Marko gründete ein Tourenwagenteam, später einen Formel-3-Rennstall. 1989 gewann Karl Wendlinger unter seiner Führung die Meisterschaft – vor Heinz-Harald Frentzen und Michael Schumacher.
Anfang der Neunziger lernte Marko Dietrich Mateschitz kennen. Der Gründer von Red Bull, selbst Rindt-Fan, machte Marko zu seinem wichtigsten Motorsportberater. Der Beginn einer österreichischen M&M-Dynastie. Die Wege waren kurz: Marko schlug vor, Mateschitz nickte ab. So entstanden das Red-Bull-Formel-1-Team, das Juniorteam (heute RB) – und so wurde Sebastian Vettel 2009 zu Red Bull geholt.
2015 wagten Marko und Mateschitz den größten Coup: Max Verstappen, gerade 17, bekam ein Formel-1-Auto. Mercedes wollte ihn erst durch die GP2 schicken. Der Rest ist Motorsportgeschichte.
Fällt Marko nach diesem Abschied in ein Loch? Er verneint. „Ich habe genug zu tun: meinen Wald, meine Hotels, andere Projekte.“ Mit der Formel 1 aber bleibt er verbunden. „Ich werde mir einen zweiten Bildschirm ins Büro stellen lassen, um nicht nur die Trainings und Rennen live zu verfolgen, sondern auch die Entwicklung der Rundenzeiten“, sagt er.
Sein Kapitel in der Formel 1 endet – aber seine Leidenschaft nicht.
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