Formel 1: WM-Titel für McLaren


Vor fünf Jahren war McLaren fast pleite. Jahre der Demütigung lagen hinter dem Traditionsrennstall. Dann kam der nicht mehr geglaubte Wiederaufstieg.
Wir schreiben das Jahr 2020. Die Coronapandemie hat die Welt im Würgegriff. Auch die Formel 1 ist davor nicht gefeit. Die ersten Grands Prix werden abgesagt, erst im Juli geht es los. McLaren schreibt in diesem Jahr ein Defizit im dreistelligen Millionenbereich. Die Kosten: kaum mehr zu stemmen. Das Team: kurz vor der Pleite. Die frühen Erfolge: ein Relikt der Vergangenheit.
Seit Lewis Hamilton 2008 den WM-Titel für McLaren holte, befand sich das Team im Abstieg: Den Werkspartner Mercedes verloren. Die Liaison mit Honda: desaströs – nur die Konstrukteursplätze neun in den Jahren 2015 und 2017. So schlecht war McLaren zuletzt 1980. Ab 2018 ist McLaren außerdem nur noch ein Privatteam ohne Werksunterstützung.

Kaum jemand hat damals für möglich gehalten, dass McLaren nur fünf Jahre später beide WM-Titel holt. Lando Norris ist Formel-1-Weltmeister 2025, der erste McLaren-Fahrertitel seit 17 Jahren. Es ist sogar das erste Mal seit 27 Jahren, dass McLaren sowohl die Fahrer-WM als auch die Konstrukteurs-WM gewinnt. Es ist der 13. Fahrertitel für McLaren, der zehnte Konstrukteurstitel. 203 Grands Prix hat McLaren inzwischen gewonnen. Diese Zahlen machen McLaren zur zweiterfolgreichsten Mannschaft der Formel-1-Geschichte. Jetzt ist McLaren wieder auf dem Level wie einst mit Niki Lauda, Ayrton Senna oder Mika Häkkinen.
Natürlich haben auch externe Gründe eine Rolle gespielt, dass McLaren die Wende geschafft hat. Langfristig war Corona für die Formel 1 ein Glücksfall. Die Menschen mussten zu Hause bleiben, schauten Netflix – auch die Formel-1-Serie Drive to Survive. Sie löste einen internationalen Boom für die Königsklasse des Motorsports aus. Heute schreibt ein Veranstalter nach dem anderen Besucherrekorde.
Dazu hat eine Ausgabengrenze die Formel-1-Teams vor dem Kollaps gerettet, sie sogar rentabel gemacht. Zugegeben: Große Kostenposten wie etwa die Fahrergehälter sind in der Budgetobergrenze von 135 Millionen Euro nicht eingeschlossen. Und zugegeben: Die Budgetobergrenze steigt 2026 auch wieder auf 215 Millionen Euro an. Aber die Zeiten, in denen Spitzenteams mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr fürs Formel-1-Team ausgaben und das von Privatteams nicht mehr stemmbar war, sind vorbei.
All diese externen Faktoren mögen dazu geführt haben, dass McLaren trotz der immensen Schulden 2020 überlebt hat. Aber dass McLaren 2025 auch das beste Team mit dem besten Auto war, liegt auch am Rennstall selbst.
McLaren hat schon viele Krisen überlebt. Die erste kam 1970, vier Jahre nachdem McLaren in die Formel 1 eingestiegen war – und war eigentlich schon eine, die viele andere Teams nicht überlebt hätten. Teamgründer Bruce McLaren, Fahrer und Teamchef in Personalunion, starb bei einem Rennunfall im Sportwagen. Doch McLaren war schon damals besser aufgestellt als viele andere Teams – vor allem professioneller. Das kommerzielle Geschäft führte Teddy Mayer. Er hielt auch nach McLarens Tod die Mannschaft zusammen. Und brachte sie sogar an die Spitze.
Auch wenn Bruce McLaren beim Großbritannien-GP 1968 den ersten Teamsieg errungen hatte: Unter Mayer wurde McLaren zum Spitzenteam. 1974 holte Emerson Fittipaldi, 1976 James Hunt den WM-Titel für McLaren. McLaren überlebte nicht nur – McLaren wurde zu einer der Speerspitzen.
Mayer aber erkannte: „Ich kann das Formel-1-Team führen, aber nicht in die Zukunft.“ Ende der 1970er Jahre kam es zur zweiten großen Krise des Teams. Die Ära der Turbomotoren hatte McLaren verschlafen, ebenso die technischen Raffinessen der Ground-Effect-Chassis. Die Budgets stiegen und stiegen. Mayer machte das einzig Richtige und fusionierte sein Team mit der Formel-2-Mannschaft Project Four des ehrgeizigen Ron Dennis.
Nach zwei Jahren übernahm Dennis das Zepter, holte die arabischen TAG-Geldgeber ins Team und Porsche als Werkspartner an Bord. Mit Niki Lauda 1984 sowie Alain Prost 1985 und 1986 holte sich McLaren-TAG-Porsche drei weitere Titel. Die nächste Krise war abgewendet. Wieder überlebte McLaren nicht nur, sondern kam auch an die Spitze.
Es folgten weitere WM-Titel mit dem legendären Ayrton Senna (1988, 1990, 1991) sowie ein weiterer mit Prost (1989). Nach Sennas Sieg in Japan 1993 war McLaren mit 108 Siegen sogar kurzzeitig das siegreichste Team der Formel-1-Geschichte. Es folgten zwei weitere WM-Titel von Mika Häkkinen 1998 und 1999. Und eben jener von Hamilton 2008.

Heißt: McLaren hat jede Krise gemeistert, war sie auch noch so einschneidend. Und McLaren kam aus jeder Krise stärker zurück. Als McLaren 1966 beim Monaco-GP sein Debüt gab, waren elf weitere Teams in der Formel 1 vertreten: BRM, Ferrari, Cooper, Lotus und Brabham sowie die Kundenteams Bernard White Racing (BRM), Ligier (Cooper), Jo Bonnier (Cooper), Rob Walker Racing (Brabham), Reg Parnell (Lotus) und DW Racing Enterprise (Brabham). Von all diesen Mannschaften ist heute nur noch Ferrari dabei – und eben McLaren. Selbst andere Weltmeister-Rennställe wie Cooper, Brabham oder Lotus mussten zusperren, McLaren nicht. Schon daraus hätte man 2020 erahnen können, dass McLaren die Kurve irgendwie kratzen würde.
Zak Brown übernahm 2016 die Regentschaft bei McLaren – und krempelte das Unternehmen um. Die Parallelen zu Ron Dennis sind unübersehbar: Auch Brown ist ein Marketinggenie. Auch Brown hatte – und hat bis heute – mit United Autosports ein eigenes Team. Brown selbst war Rennfahrer, fuhr in den 1980er Jahren sogar in der deutschen Formel 3 und später mit McLaren-Formel-1-Autos von Ayrton Senna oder Mika Häkkinen bei historischen Rennen.
Brown stellte das McLaren-Unternehmen komplett neu auf. Neben dem Formel-1-Team expandierte McLaren unter anderem in die IndyCar, die Formel E und ab 2027 auch in die Sportwagen-WM. Brown brachte wieder Sponsoren an Bord – und Geldgeber. Erst stockte die Investmentgruppe MSP Sports Capital auf zunächst 15 und dann 33 Prozent an McLaren auf, inzwischen haben Konsortien aus Bahrain und Abu Dhabi die McLaren-Anteile übernommen.

Hinter den Kulissen renovierte der US-Amerikaner auch das Formel-1-Team. Erst Teamchef Andreas Seidl und später dessen Nachfolger Andrea Stella leiten die Mannschaft analytisch wie Ingenieure, die sie zuvor auch waren. Windkanal- und Simulatorwerkzeuge wurden verfeinert, das Auto ab Mitte der Saison 2023 aerodynamisch komplett neu aufgesetzt. All diese Zutaten haben aus einem Team im Niedergang wieder einen Top-Rennstall gemacht.
Aber: McLaren bleibt ein Kundenteam. 2025 spielte das keine Rolle, weil das aktuelle Motorenreglement nach elf Jahren am Ende ist, jeder die Triebwerke genau kannte und die Motorenhersteller alle in etwa auf einem Niveau lagen. Doch mit den komplett neuen Motoren und Chassis 2026 könnte es ein Vorteil sein, wenn Werksteam, Auto und Antrieb aus einem Guss kommen.
Auch McLaren hatte seine größten Erfolge als Werkspartner – ob mit Porsche unter Lauda und Prost, Honda unter Senna und Prost oder Mercedes unter Häkkinen und Hamilton. Aber auch dieses Problem wird McLaren über kurz oder lang überwinden. Die Geschichte zeigt es.
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